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Ein Lauf mit intensiven Schluss

Ein Lauf mit intensiven Schluss

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28. Würzburger Gedächtnislauf am 16.03.2024
Gerne bin ich hier wieder dabei - ein Lauf der kein echter Wettkampf ist - man stoppt seine Zeit selbst.
Verpflegung ist größtenteils Eigeninitiative, es gibt nur einen echten VP bei KM28 in Karlstadt auf dem
Marktplatz - zusätzlich 1-2 "improvisierte VP". Ich bin also mit Laufrucksack unterwegs. Es gibt am Start,
Würzburger Rathaus auch keinen Startschuss - wäre bei einem Gedenklauf für die ca 5.000 Toten beim
britischen Bomberangriff auf Würzburg am 16.03.1945 - auch sehr unpassend. Der Veranstalter sagt ein
paar Worte dazu, eine Gedenkminute und mit Glockengeläute startet dann der Spendenlauf. Die Teilnehmer
tragen eine selbst ausgedruckte Start-Nr. (nur mit Name, ohne Nr.) und haben die Wahl aus 4 Streckenlängen -
alle am Main entlang. Margetshöchheim (10km), Himmelstadt (21km), Karlstadt (28km) und Gemünden
(44km). Das waren die Orte in denen damals die Würzburger geflüchtet sind - in der Stadt gab es keine
Luftschutzbunker. So gilt dann auch ein Leitsatz für diesen Lauf:
Laufen bedeutet Leben.
Es war der Weg, den die Würzburger in jener Nacht liefen, es war der Hoffnungsweg. 


Nur die Teilnehmer der längsten Strecke haben die Möglichkeit Zielgepäck aufzugeben und sich
dort zu duschen und verpflegen. Die Anderen organisieren das selbst - ich gehöre natürlich zu
den Gemünden-Läufer(innen). Auch den üblichen Rücktransport mit öffentlichen Verkehrsmittel
kann ich mir ersparen, da ich einen Laufkollegen in der Teilnehmerliste gefunden habe, der von
seiner Frau begleitet wird und mich zum Würzburger Parkplatz zurückfährt. Danke nochmals
dafür: Rüdiger Burger (mit seiner Frau) aus Bayreuth - ich kenne Ihn und seinen Zwillingsbruder
aus unzähligen Wettkämpfen (bis zu wirklich langen Ultras).
Wir begrüßen uns am Rathausplatz und es geht auch schon in wenigen Minuten los, ich gebe
meine Tasche ab, Blick zum Himmel: noch ist es z.T. sonnig, doch die Voraussagen verheißen
nichts Gutes. Regen ist sehr wahrscheinlich und ich bin unentschlossen - lasse aber doch die
Jacke weg. Knielange Short und ein langes etwas wärmeres Shirt über einen Kurzen drüber.
Die Glocken ertönen und es geht durch die Altstadt in Richtung Main, Rüdiger startet wild los,
Er hat sich etwas vorgenommen. Ich begrüße im Loslaufen noch ein paar Bekannte und
versuche nicht ganz hinten im Feld zu landen.
Es ist meine 3.MA-Distanz in 7Tagen und Morgen soll noch noch etwas "Besonderes" dazu
kommen. So laufe ich eigentlich vorsichtig los - und doch als ich auf die Uhr gucke, wir haben
den Main erreicht und es geht relativ eben dahin. Meine Km-Pace ist bei 6min wie "festgemauert"-
die ersten beiden Km waren sogar noch etwas schneller - und das mit der Pace bleibt übrigens
(soviel sei schon mal verraten) bis zu Km30 so. Ich bin von mir selbst überrascht wie konstant
ich diese Pace halte ohne etwas dazu zu tun. Es gibt 2 Ausreißer - bei Km8-9 sind einige
Zuschauer/Angehörige an der Strecke, die etwas anfeuern - ich nehme an die 10Km-Läufer
sollen nochmals motiviert werden - ich mache es mir zueignen und schon werde ich quasi
"automatisch" schneller. Ein Ander mal bin ich wesentlich langsamer, ich versuche zu fotografieren,
was mir mit wirklich nassen Fingern kaum gelingt (Wasser und Touchscreen passen nicht gut
zusammen). Ach ja am VP in Karlstadt muss ich natürlich Getränke umpacken bzw auffüllen,
das kostet auch etwas Zeit.
So laufe ich also extrem konstant am Main entlang, Teilnehmer mit kürzeren Strecken überholen
mich natürlich immer wieder mal - freue mich über gelegentliche Frühlingsblüher und auch
einige Sonnenstrahlen die uns auf dem Fahrradweg begleiten. Leichte Anstiege werden bald
auch von ebensolchen Abstiegen begleitet. Sogar ein paar kurze Unterhaltungen, bei gleichen
Tempo sind mir möglich. 
Ein paar Zweifel habe ich schon wie ich die Pace halten kann und nicht am Schluss "einbreche",
zumal es ja eine Überdistanz ist (laut Ausschreibung 44Km), das hatte ich ich schon beim Urban-
Trail in München, am Mittwoch bei Crailsheim war es ein "waschechter MA" - und was mich morgen
erwartet, daran will ich jetzt keinen Gedanken verschwenden...
Doch es ist erstaunlich - nach dem Ausstieg der ersten Teilnehmer bei 10Km wird es langsam
dunkler am Himmel, nur noch eine Frage der Zeit wann es zu regnen beginnt - vor allem wie sehr.
Bei Km16 ist es soweit, es regnet leicht... etwas stärker, ich denke mir zuversichtlich: das ist in
10-15min vorbei - nun ja, der leichte Regen ist dann vorbei, es prasselt und selbst der Wind (zuvor
kaum spürbar) frischt auf. Ich versuche trotzdem die Weinberge auf der gegenüberliegenden Mainseite
zu fotografieren, mit aufwendigen Fingertrocknen (aber wo?). Verwunderlich das ich beim Laufen
selbst keine Zeit verliere - das Trinken aus den angeschnallten Flaschen an den Rucksackgurten
gelingt gut. Als ich am Finish der Halb-MA's vorbeilaufe regnet es noch heftig, die Meisten verkriechen
sich sogleich in Auto die Sie wahrscheinlich zum Start zurückbringen. Doch einige Km später lässt
der Regen etwas nach und als ich das Mainufer wechsle und nach Karlstadt einlaufe hat es fast
aufgehört. Hier gibt es am VP alkfreies Bier und eine freundliche Helferin holt mir eine Trinkflasche
aus dem Rucksack und verstaut eine Leere. 
Als ich Karlstadt verlasse - noch 14Km vor mir spüre ich etwas kühlen Wind, das wird jetzt nicht
einfach werden - ich weiß da kommt fast freies Feld, da hat der Wind große Angriffsfläche.
Zuerst mal halt ich noch meine 6-er Pace, wird zunehmend anstrengender - soll mir also demnächst
nicht mehr so wichtig sein - es würde mich zuviel Kraft kosten.
Recht einsam laufe ich die nächsten Km vor mich hin, weicht der Weg - leicht erhöht etwas vom
Main ab, rechts davon eine Bahntrasse und Landstraße, der Wind schräg von vorne. Was soll's
ich kann es nicht ändern und trabe dahin, Sonne lässt sich wieder blicken, blaue Stellen am
Himmel... so gefällt mir das schon besser. Dazu sehe ich, soweit die Streckenführung das zulässt
ein Läuferpaar vor mir - oder sind das drei? Einer ist schnell eingeholt, Er geht meistens nur 
noch und scheint Krämpfe zu haben. Die Anderen sind weit voraus... doch ganz langsam komme
ich näher, ein hochgewachsener Läufer und eine kleine, zierliche Läuferin laufen (und unterhalten
sich). Als Sie mich bemerken beschleunigen Sie etwas, doch mein Ehrgeiz ist geweckt und nun
bleibe ich dran. Wir laufen auf Wernfeld/Adelsberg zu, es liegt rechts von uns der Main macht einen
Bogen nach links. Hier geht es leicht bergauf, in einer Ecke ist immer nochmals ein Sanitätsdienst
positioniert, direkt an einer Brücke über die wir laufen. Ich sehe dieses Laufpaar als es über die
Brücke geht - perfekter Moment um an Ihnen vorbeizulaufen.... Nein jetzt eben nicht, ich möchte
von der schönen Ecke hier (Hanglage) noch ein Foto schießen und muss das Handy auspacken...
mit noch nassen Fingern nicht so einfach...
Als ich wieder loslaufe, laufen Sie auch mit Elan los - also weiter in Lauerstellung, als Läufer von
hinten hat man die Trümpfe in der Hand. Ich verstaue mein Handy im Laufen, trinke nochmals und
sage mir: jetzt kann's losgehen. Es dürften noch ca 4-5Km sein, also mit Bedacht... so laufe ich knapp
10min langsam auf, komme näher an Sie ran, immer wieder mal drehen Sie sich kurz um, werden
kurzfristig schneller... wie mir scheint. Ich checke die Uhr und merke ich bin wieder meine 6er-Pace
von Anfang gelaufen - viel verkehrt kann ich nicht gemacht haben, wenn das auch noch geht. Jetzt
eben nochmals darunter laufen, denke ich mir -Attacke... Ich ziehe an und komme schnell nah ran,
Sie entdecken mich und da ist es schon zu spät, ich bin auf gleicher Höhe - nun muss ich nochmals
kurz hochdrehen, nicht das Sie sich an mich ranzuhängen versuchen (so mein Plan) - ich kriege noch
zwei Daumen nach oben - dann weg... und sehe sofort einen weiteren Läufer nicht weit vor mir ist.
Er wird hektisch - hatte wohl immer nur das Paar im Blick, hinter sich - also verlängere ich meinen
"Zwischenspurt" so gut es geht und versuche an Ihm vorbeizugehen, Er wehrt sich und hält dagegen -
einige Sekunden dann ist die Gegenwehr vorbei... keine Körner mehr! Auf diesem Km bin ich fast 5er
Pace gelaufen. Nun orientiere ich mich Richtung Gemünden - hier geht's dann irgendwann rechts durch
eine Art Tor in der Stadtmauer, erinnere ich mich, dann noch ca 1Km durch die Stadt Gemünden, zuletzt
war das halbwegs vernünftig markiert... so hoffe ich das heute auch. Doch soweit bin ich noch nicht .
Spaziergänger die über den Lauf Bescheid wissen feuern mich an. Da drehe ich mich kurz um, will mich
bedanken... und entdecke das Laufpaar von vorhin wieder, mir auf den Fersen... Verdammt, denke ich
mir - jetzt bin ich der Gejagte, das gefällt mir gar nicht - und falls Sie sich in Gemünden besser auskennen
haben Sie einen Vorteil. Flucht nach vorne ist das einzige Mittel das ich kenne - alle Körner mobilisieren,
nur nicht daran denke was mich morgen erwartet. Das ist ein neuer Tag, ein neuer Lauf... ich hole raus
was noch geht - und es reicht Sie verschwinden wieder - und durch die Straßen von Gemünden....
gelb-schwarze Wegweiser sind gut zu sehen... entdecke ich meine Verfolger nicht mehr.
Kurz danach bin ich am Schulhaus wo das Zielbanner aufgespannt ist - mit den 4:25Std für die 44Km
bin ich überaus zufrieden... wenn man die Vorbelastung sieht und den heftigen Regen zwischendurch,
an Morgen denke ich nicht ich freue mich über die passable Zeit. Ich hole meine Sporttasche vor der
Aula ab und entdecke Rüdiger Burger, der mir freudestrahlend mit seiner Frau entgegen kommt. Er
hat tatsächlich den Lauf gewonnen: knapp über 3:30Std hat Er nur gebraucht - Er ist gut drauf und hat
viel Tempotraining gemacht und Schnellere gab es eben heute nicht. Das hat Er bei dem Wetter gut
hingekriegt - ich gratuliere Ihm, der Zweite war wohl 5min hinter Ihm, wie Er mir erzählt.
Darauf stossen wir mit einem Finisherbier an, noch etwas Kaffee und Kuchen beim Plaudern. Anschließend
umziehen, dann werde ich von seiner Frau zu meinem Auto nach Würzburg gefahren. Wir verabschieden
uns und auf meiner Heimfahrt wandern meine Gedanken schon zum Lauf am Folgetag... das wird ein neuer
Bericht.

Gruß Roland  

Zu den Fotos:
1. Start mit Rüdiger Burger am Würzburger Rathausplatz
2. Nach wenigen Km noch im Pulk bei wolkenverhangenen Himmel
3. Heftiger Regen beeinträchtigt den Ausblick auf die Weinhänge am Main
runners.high - Nomen est omen :logik:
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