Mein "Abenteuer Marathon" begann genau genommen im Frühjahr, nur wußte ich es damals noch nicht ;) Ich lief einfach immer länger, weil es mir gefiel. Auf die Idee „Marathon“ kam ich durch Euch hier ... um es kurz zu machen, die schlimmste Zeit war die Woche vor dem Lauf. Warum? Ganz einfach, man fühlt sich topfit, sollte aber nur sehr wenig laufen. Das war hart, hatte aber auch sein Gutes, es bietet die Gelegenheit endlich die vor sich hergeschobenen und zu einem Berg angehäuften, unangenehmen Dinge des Lebens zu regeln. Steuererklärung, klärendes Gespräch mit der Bank, Büro- Großaufräumung, Autoputz usw. : ) So war ich gedanklich frei und brauchte keine belastenden Gedanken zu fürchten die einen bei einem Lauf über 4 Stunden und schon bei der Anreise unwillkürlich belasten. Dies erachte ich als ebenso wichtig, wie alle anderen Vorbereitungen, wichtiger ist nur Training! :klugscheiss:
So jetzt aber zum Lauf. Anreise am Sonntag nach Wörgl (140km), ausfassen der Startunterlagen. Ein Sackel voll Zeug, T- Shirt, ein Riegelchen, Gutschein für Hervis (5 Eumel), Gutschein für Startnummer und für Nudelesserei vom Vortag ;) Artig bedankte ich mich bei den netten Mädels, und ging zum nächsten Stand um die Startnummer einzulösen. Das Mädchen kannte sich nicht aus, eine zweite Dame kam. Auch sie wußte nicht was ich wollte: „Bitte, ich wollte nur den Gutschein hier einlösen“. „Ähh, was willst Du mit der Startnummer?“, schaute sie staunend. „Ja genau, die Startnummer möchte ich gerne haben, hier ist der Gutschein dafür!“, erklärte ich wohlwollend. Plötzlich fing sie an zu grinsen, „sorry, aber DAS IST DIE Startnummer!“ Auweh, auweh, ich dachte an was stoffiges, großes, es gab aber nur dieses Papierfetzerl. Na wurscht, muß ja nur ein paar Stunden halten ;)
Mit dem Zug – tatagg, tatagg, tatagg - ging es dann nach Kufstein, dort dauerte es noch 20 Minuten bis zum Start. Ein Blick in den Umkleideraum ließ mich erschauern, dort wurde geschmiert, massiert und was-weiß-ich-noch, es roch ziemlich streng nach allerlei Chemie. Gut dass wir an der frischen Luft laufen, dachte ich mir. Was ich wohl alles falsch mache? Etliche Läufer wärmten sich sogar auf, es waren aber keine afrikanischen Top- Läufer, es war Hinz und Kunz

Kopfschüttelnd suchte ich mir ein sonniges Platzel mit einem „Kollegen“, den ich im Zug kennenlernen durfte. Von ihm bekam ich noch in der Bahn einen Riesendämpfer zugesteckt, er eröffnete mir, dass die gesamte Strecke Asphalt wäre !! Ausgerechnet, wo ich doch fast nie auf diesem Untergrund laufen kann und will. Oje ...

Vor dem Start durch die Runde geschaut, lauter drahtige Bürscheln, knackige Mädels, und mittendrin, ich. Als ich an mir runterschaute streckte sich provokant mein Bäuchlein raus, ein Andenken an viele gemütliche Stunden an der Bar. Das kaschieren mit der winzigen Startnummer war wenig fruchtbringend. „Mein Wasserreservoir, ja ja“ , erklärte ich meinem mich beobachtenden Nachbar – nennen wir ihn „Arschi“ - er strafte meine körperliche Unzulänglichkeit mit sichtbarer Verachtung und wandte sich ab. „Mir wurscht Du letzes Mandl“, dachte ich mir, dich sehe ich eh nur am Start. Der wird sicher schon geduscht und weg sein, wenn ich im Ziel ankomme!

Als der Aufruf kam, sich zum Start zu bewegen, reihte ich mich artig als Letzter ein. Nur keinen behindern, dachte ich mir. Langsam trabte das Feld los, Arschi war bald außer Sichtweite, gottseidank. Doch das Tempo war weit unter meinem Trainingsspeed, also überholte ich etliche und schloß mich einer zügigeren Gruppe an. Trappp, trappp, trappp – bald tauchte die erste Labstation (waren alle 5 Km) auf. „Iso oder Wasser“, schrien die eifrigen Helfer schon von weitem, als ob es bei uns auf ein paar Sekunden ankäme. „Iso bitte was??“ „Isoschtar!“ erklärte das Mädel fachkundig. „Aha“, nickte ich wissend. Dabei dachte ich mir, „keine Ahnung, aber wird schon nicht schaden“. Also: „Beides bitte!“. Artig bedankt ging es weiter, so hielt ich es den ganzen Lauf, immer doppelte Portion, ein Teil Orangenzeug, ein Teil Wasser, und brav bedanken

Was mich schockierte, überall lagen die Becher rum, die Läufer schmissen sie einfach in die Botanik! Sind Läufer solche Schweindeln? Nach einigem Zögern gelang es mir auf ähnliche Weise meinen Becher zu entsorgen, wohl gefühlt habe ich mich dabei aber nie! ;(
Weiter, weiter, trappp, trappp, trappp. Nach Km 6 ungefähr, wagte ich einen Blick auf die Uhr – grrrrr lauter Nullen drauf. Ich Esel habe etwas falsch gemacht!! :stupid: Vor dem Lauf tauschte ich meine geliebte „Küchenuhr“ gegen den leichten Wecker des Pulsers, den ich ja nie in Betrieb habe aber beim Autoputz wiederfand. Ich erinnerte mich an Chrissie, die ihre Pulsuhr auch nur zum stoppen nimmt ... wahrscheinlich hätte ich das besser üben sollen! Ich drückte rum und rum, ein Haufen Nullen und ein Herz war alles was mich anschaute. „Wurscht, brauch ma net“, dachte ich mir, ich laufe ja nicht nach Plan. Mein einzige Vorgabe, ich teilte mir das Rennen in zwei Teile. Vor und nach 30 Km, das war nämlich meine längste Trainingsstrecke die ich 3x davor bewältigte. Danach ist jeder gelaufene Meter ohnedies mein neuer persönlicher Rekord, also ein Erfolg

Bei Km 10 spürte ich – leichte – Schmerzen in beiden Oberschenkeln, weia, was ist nur los? Der Asphalt! Es war aber durchaus zum aushalten, nicht sehr schlimm, es blieb aber den ganzen Lauf über.... nur keine Beachtung schenken, weiter - trappp, trappp, trappp.
Ab und zu in den Kadaver reingehorcht, nichts quietschte, krächzte oder knarrte, es lief einfach blendend. Ich war drauf und dran schneller zu werden, hielt mich jedoch zurück. Nach der Zeitnahme bei der Halbmarathon Distanz fragte ich eine Läuferin ob wir noch im 4stunden Zeitrahmen sind, sie bejahte, „und ganz ordentlich auch noch“. Na, da freut man sich doch

Kilometer 30, endlich, ab nun ist der Lauf gerettet, nur brav weitertraben, ich fühlte mich noch ziemlich wohl, wenn auch die Beine schon recht schwer wurden. Da merkt man erst, wie hoch Gehsteigkanten sein können. Ich freundete mich aber immer mehr mit dem Gedanken an, „Alter du packst es,“ und ich ertappte mich beim überlegen, welche Titelzeile ich ins Forum schreiben soll. Vorweg, es blieb bei Juchuhuhuuuu

Immer wieder ermahnte ich mich, dass ich das Fell des Bären erst dann verteilen darf, wenn er erlegt ist. Also brav weitertraben ... wenn auch schon etwas zurückhaltender- trapp, trapp, trapp. Ich lief schon eine geraume Weile alleine, wähnte ich mich noch ganz ordentlich beinander, wenn auch ein bissel langsamer. Und wen seh ich da rumschleichen, Arschibald ging stehend KO. Wer aber glaubt dass mich Genugtuung empfand, irrt sich. Er tat mir nun richtig leid, schmerzverzerrt war sein Gesicht. „Alles klar“ fragte ich, „jaja“, meinte er, „wird schon wieder“. Es wurde nicht mehr, jedenfalls sah ich ihn auch später im Ziel nicht. Er war nun nicht mehr Arschi, sondern einfach ein Leidensgenosse ...

Der Versuch locker zu traben fiel immer schwerer, aber es ging noch halbwegs ordentlich – tarap, tarap, tarap, bis der denkwürdige Km 36 kam. Die Beine wurden plötzlich so schwer, obwohl außer den schon gewohnten Schenkelschmerzen alles paßte, die Beine gehorchten nicht mehr. „Ist das der Mann mit dem Hammer“ dachte ich mir, wie der körperliche Einbruch kürzlich im Forum erwähnt wurde ?! Weia, und nur noch die läppischen paar Kilometer ?!

Ich fragte Passanten nach der Uhrzeit, ich war weit unterm Soll, wie ich Daumen x Pi ausrechnete. Dann sah ich in der Ferne drei Läufer, sie gingen allesamt. Diese Verlockung war zu viel, ein paar Schritte Erholung dachte ich mir, dab, dab, dab. Nur ein paar Schritte, dann wieder langsam losgetrabt, taaarab, taaarab, taaarab – aber: Aus Maus. So ging es bis zum letzten Kilometer, die Gehpausen wurden immer länger, die Laufpassagen also immer kürzer.
Interessanterweise wurde ich aber nicht von übermäßig vielen Leuten überholt, wahrscheinlich erging es den Kameraden weiter hinten ähnlich? Hoffentlich nicht ...

Irgendwann kam das Zielstadion, etliche hunderte Zuschauer feuerten auch uns Schlechtläufer noch an, und unglaublich, ich legte eine 400m Sprintrunde à la Torty ein

Überglücklich war ich, konnte aber mein Glück noch nicht so recht fassen. Dutzende Gratulationen, hunderte Schulterklopfungen, raus aus dem Stadion, ins Schwimmbad zum duschen und ein paar Runden geschwommen

Auf der Heimfahrt im Automobil packte es mich, und ich ertappte so manche Freudesträne, wie sie sich einem Weg über die Wange bahnte, und es wurden immer mehr. „Ja, alter Knabe, Du hast es geschafft. Dein erster Wettkampf, Du hast den Mari gepackt. Den Lauf der Läufe!“ Es war ein Glücksgefühl, wie ich es sehr selten hatte. Ich weinte ...
Leute, Ihr habt mir dazu verholfen, sonst wäre ich überhaupt nie auf die Idee gekommen einen Marathon zu laufen. Unzählige Tipps von Euch habe ich befolgt, bei Rückschlägen habt ihr mich wieder aufgebaut


Baba vom dankbaren Alpi
