Jetzt kommen natürlich Einwände: "Nicht so schnell, da machst du dich kaputt" Oder "Trainerguru xy hat gesagt, mehr als 20% Tempoanteil sind nicht gut, und der muss es wissen, denn sein Schüler yz ist Weltmeister". Deswegen sollte ich das etwas präzisieren: Mit "so oft wie möglich" meine ich, in gewissen Trainingsphasen so oft wie möglich schnell (mind. Marathonbelastung) laufen, ohne dass du die Sache überreizt und dich kaputtläufst. Du musst dich langsam an den Anteil an Tempoarbeit finden, den du bei deinem Umfang noch gut verträgst. Der Tempoanteil kann aber sogar höher liegen als bei einem Spitzenläufer! Wie kann das sein?
Dafür gibt es 2 Gründe
1. Der relativ geringe Umfang. Bei 60km und 4-5 Einheiten gibt es im gegensatz zu z. B. 120km bei 7-10 Einheiten immer mind 2 Ruhetage zum erholen und viele Läufer werden mit 60km noch längst nicht am Limit sein, dass ihnen ihr Körper vorgibt. Das Limit ist ja ehr durch die knapp bemessene Zeit bestimmt. (Wobei natürlich auch die sonstige Belastung berücksichtigt werden muss: Wer 70h /Woche arbeiten muss hat meist mehr Kraft zum Trainieren übrig als jemand mit ner 20h Teilzeitstelle.)
Je weiter du vom "Umfangslimit" entfernt bist, desto höher wird der Tempoanteil sein, den du verträgst. Wie hoch der richtige Tempoanteil für dich ist, kannst du nur herausfinden, indem du dich da langsam rantastest. Man wird aber definitiv mehr Läufer finden, die mit 35 oder gar 50% Tempoanteil von 50-60km gut klar kommen, als Läufer, die von 100km in der Woche 35 oder gar 50 km schnell laufen
2. "Relativ schnelle Tempi sind für schlecht trainierte Läufer leichter zu laufen als für gut trainierte schnelle Läufer." Häh? Kann das stimmen? Wie man es nimmt. Wenn man sich an Wettkampfstrecken orientiert, ist es so.
Das Marathontempo ist für eine 4:30h Läuferin etwas ganz anderes als für einen 3 h läufer. Um in etwa auf die gleiche Intensität zu kommen, müsste die 4:30 Läuferin auch das Tempo laufen, dass sie etwa 3h durchhalten kann. Das wären dann eher 6:05-6:10 min/km als 6:25 min/km.
Wenn der 3h Läufer das Tempo läuft, das er 4:30 durchalten kann, ist er natürlich deutlich langsamer unterwegs. Er wird da wohl in etwa einen Schnitt von 5min/km schaffen - für viele 3h Marathonläufer ein relativ normales Dauerlauftempo für lockere Einheiten.
Ein weiteres Beispiel:
Haile Gs. Halbmarathontempo ist gleich schnell oder schneller als sein Schwellentempo, er läuft den Hm unter 1h. Für den 4:30 Marathoni ist Hm-Tempo das Tempo, was er gut 2h durchhält. Sein Schwellentempo liegt deutlich näher am 10km WK-Tempo als am HM-Tempo.
30min in dem Tempo, was jemand maximal 30min durchhält, sind für alle hart, ob jemand in der Zeit 5km schafft oder 10. (Wobei das für den, der 10km in der Zeit schafft, auch etwas härter sein dürfte, einfach weil der näher an seinem Limit ist und sich besser ausbelasten kann.). Vergleichen kann ich Belastungen also am besten anhand der zeit, die der Läufer das Tempo maximal durchhalten kann.
Wir müssen uns also an der Belastungszeit im Training im Vergleich zur Belastungszeit im WK orientieren, um die Trainingsintensität richtig zu wählen. Denn es geht immer in erster Linie um die passende Intensität.
Formeln wie
Grundausdauer (easy) tempo = MRT + 20 % funktionieren nur in einem begrenzten Leistungsbereich richtig, und selbst in dem sind sie hochgradig ungenau, weil da Faktoren wie Grundschnelligkeit , Laufökonomie, Umfang und "Gesamthärte" des Trainings zu wenig Berücksichtigt werden
Wenn man davon ausgeht, dass solche und ähnliche Formeln eher aus dem Spitzensport kommen und für schnellere LHobbyäufer noch gut passen, kommt man zu der Erkenntnis, dass sich das normale Dauerlauftempo dem Marathontempo um so mehr annähert, je langsamer der Kandidat ist. Ein weiteres Argument dafür ist, dass man sonst irgendwann in einen Tempobereich kommt, in dem der Laufstil meist lausig wird und Gehen effizienter wäre.
Bei einem 5:30h Marathoni wie Elton besteht dann eigentlich kein Unterschied mehr - der ist auch in seinem "Training" fast immer in etwa sein Marathontempo gelaufen. Nicht das Eltons "Training" besonders beispielhaft oder ambitioniert gewesen wäre - aber er hatte gute Berater, die seltsamerweise genau auf diese Schiene gekommen sind.
Langer Rede, kurzer Sinn: Wenn ein 3h Marathonläufer im Training ständig das Tempo läuft, was er etwa 4,5h durchalten könnte, könnte eine solche Belastung auch für die 4:30 Marathonläuferin öfters sinnvoll sein.
Gruß
C.