run_oli hat geschrieben:Nein, hat es nicht? Macht die Fähigkeit, eine Marathonvorbereitung ohne Verletzungen, Schmerzen oder Erkältung zu überstehen, nicht auch einen Teil des Talents aus, ebenso wie die VO2max, das Lungenvolumen oder die Biomechanik? Ich weiss, dass es nach der Legaldefinition bei medizinischer Indikation nicht unter Doping fällt.
Sicher macht das einen Teil des Talents aus. Deswegen hat es aber erstmal trotzdem nix mit Doping zu tun, wenn ein Kranker zum Arzt geht, auch wenn der Kranke zufällig Sportler ist.
run_oli hat geschrieben:
Aber bezüglich der ethischen Dimension bin ich mir nicht sicher.
Wenn man sich ethisch einwandfrei verhalten will, muss man also in der Marathonvorbereitung auf die Behandlung jeglicher Krankheit verzichten? Keine NEMS, Keine Drogen, kein Sex? Ein asketischer Übermensch breitet sich ohne jegliche Hilfe durch medizinische Geräte wie Pulsmesser oder eine nicht medizinisch notwendige Laktatmessung auf die heiligen Weihen des Marathons vor?
Man kann Sport zu einer Religion machen. Muss man aber nicht.
Wieso sollen Sportler das perfekte, "natürliche" Leben führen, als nahezu einzige zu einem richtigen, "natürlichen" Leben im falschen System in der Lage sein? Drogenfreie, ohne "künstliche" Hilfe gesund bleibende Vorbilder führen göttergleich ihre gestählten Körper der natürlichen Bestimmung zu:
Z. B. genau 42,195km am Stück laufen so schnell es geht, 3000m Laufen und alle soundsoviel m über ein Hindernis springen, mit einem Stab aus carbonfaserverstärktem Kunststoff 6m hoch in die Hohe springen und danach auf einer vollkommen natürlich gewachsenen Matte landen etc etc. Alles vollkommen natürlich.
Sport ist in seiner heutigen Form sicher nichts "natürliches". Nichts ist daran natürlich, wenn 22 Männer auf einem pefekt gepflegten Rasen in einem riesigen, Millionen Euro teuren Gebäude einem von pakistanischen Kindern zusammengenähten Ball aus Synthetikleder hinterherjagen. Warum ausgerechnet 11 Leute pro Team? Warum nur 2 Tore, 4 Tore wären doch besser, oder nur ein Tor, dann müsste nicht soviel gelaufen werden.
Der Sport gibt sich Regeln. Manche dienen mehr der Gesundheit der Sportler, andere weniger. Dopingregeln sind ein Teil der Regeln. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
run_oli hat geschrieben:
Die Gesundheit ist halt Teil des Talents und im Wettkampfsport entscheidet neben dem Fleiß auch das Talent.
So banal wie wahr. Da hast du jetzt wirklich was neues entdeckt.
run_oli hat geschrieben:Übrigens ließe sich Talent (theoretisch) nur dann egalisieren, wenn Gendoping erlaubt würde.
Gerechtigkeit gab es im Sport nie und es wird sie auch nie geben. Selbst mit Gendoping wird man das nicht ändern können. Die Dopingregeln sind nur ein Versuch, Fleiß und Talent von Sportlern mehr zu belohnen als die Leistung von Pharmafirmen und Ärzten
Aber es gibt ja auch sonst weder Chancengleichheit noch Gerechtigkeit. Der Sport kann keine komplett ausserhalb von der Gesellschaft stehende Idylle sein, eine Insel der Glückseligkeit, in der niemand betrügt, alle fair zueinander sind und "natürlich" leben und Sport treiben.
Selbst als die meisten Leistungsportler noch echte Amateure waren, gab es schon Betrug. Und je mehr Geld, Macht und Ruhm winkt, desto mehr Betrug gibt es. Das ist im Bankgewerbe genauso wie bei den bilanzfälschenden Politikern oder eben im Sport.
run_oli hat geschrieben:
Medizinische Indikation ist aus meiner Sicht eine nette Umschreibung für legales Doping (was immer das dann auch ist).
Ja. Ich denke auch, wer eine Krankheit nicht natürlich ohne Medikamente, Bestrahlung oder Operation auskuriert und überlebt, soll nie mehr an einem Laufwettbewerb teilnehmen dürfen. Alle Träger von Herzschrittmachern sind auch auszuschließen, da sie sich durch dieses technische Hilfsmittel einen unfairen Vorteil verschaffen. Denn medizinische Indikation ist nur eine nette Umschreibung für Doping.
Gruß
C.