Letzten Sonntag war es soweit, nach monatelangem (erfolgreichen) Kampf gegen Schweinehund, Hitze und müde Beine stand der Höhepunkt meines ersten ernsthaften Läuferjahrs an. Ich hatte mich nach einem Trainingsplan von lauftipps.ch vorbereitet (siehe auch http://forum.runnersworld.de/forum/anfa ... athon.html), ich fühlte mich dadurch nicht wirklich gut auf das eigentlich Zeitziel vorbereitet, insofern werde ich in Zukunft auch eher auf andere Pläne zurückgreifen.
Prolog:
Die Vorzeichen vor dem Marathon standen denkbar schlecht. Ich war nahezu die gesamte Vorbereitung verletzungsfrei geblieben, bis ich dann - 2 Wochen vor Tag X - beim letzten "längeren" Lauf (~20km waren angesetzt), einen von der linken Hüfte aus auf das gesamte Bein austrahlenden, bei jedem Schritt wiederkehrenden, stechenden Schmerz verspürte. Etwas derartiges war mir komplett neu, ich musste sofort abbrechen weil mir bei jedem Schritt das linke Bein einfach kraftlos weggeknickt ist.
Die nächsten Tage schien wieder alles in Ordnung, ich trainierte nach Plan weiter. In den letzten 2 Einheiten vor dem Marathon trat das Problem dann wieder auf, wenn auch längst nicht so stark dafür allerdings auch schon auf Distanzen von 5-7km.
Meine Stimmung sank daraufhin auf den Tiefpunkt. Das dachte ich zumindest! Denn als ich dann am Sonntag vom Auto zum Start lief (etwa 10 min gemütlicher Fußmarsch), ging das Spiel wieder von vorne los - ich rechnete daher nicht mehr damit überhaupt ins Ziel zu kommen, da ich aber ja eh schon da war wollte ich einfach mal Laufen und abwarten wie es sich entwickelt.
Hauptteil:
Nach einem letzten Abstecher in die schon von 500m erschnüffelbare Dixi-Hölle reihte ich mich pünktlich in meinen Startblock ein. Laut meinem Trainingsplan sollte ich die erste Hälfte in 6:10, die zweite dann in 6:03 absolvieren - das erschien mir jedoch nach meinem persönlichen empfinden als viel zu ambitioniert. Ich plante daher die erste Hälfte irgendwo im Korridor 6:10-6:20 zu laufen und erst dann weiterzuplanen.
Als schließlich der Start kam musste ich mich zwar auf dem ersten Kilometer immer wieder etwa ausbremsen, danach lief es sich aber wie von selbst in meinem gewünschten Tempo - meine Eingruppierung im Startblock war goldrichtig. Meine größte und während der ersten 20km stets präsente Sorge war natürlich dass das Problem mit der Hüfte wieder auftrat - tat es allerdings glücklicherweise nicht. Nach etwa 3-5km kam auch schon die erste Versorgungsstation (mit Iso, wer bitte braucht nach 5km Iso?), aufgrund der angenehmen Temperaturen (13-16°) griff ich jedoch erst sehr viel später das erste mal zum Wasser.
Der erste HM floss nur so dahin, ich passierte die 21km Marke mit einem Schnitt von 6:12 und fühlte mich dabei noch so frisch und unangestrengt als ob ich gerade erst langsam warm werden würde. Die Sorgen um die Hüfte waren verschwunden, ich plante in etwa dem gleichen Tempo weiterzulaufen.
Schon kurz nach Beginn der 2. Hälfte wendete sich das Blatt jedoch erneut, und das mit einer Geschwindigkeit und Heftigkeit die ich so nicht erwartet hatte. Schon etwa ab km 23/24 fühlte ich mich deutlich schwächer, ich bekam Seitenstechen und musste stetig Tempo rausnehmen. Bis km 27 war meine Pace schließlich auf ~7:00 gesunken, das Seitenstechen war nun zwar wieder weg, dafür aber fühlten sich meine Beine von nun an wie Betonklötze an. Ich fragte mich wie ich das noch 15km lang durchhalten sollte?
Meine Tempo hatte sich zwar bei 7:00 stabilisiert, aber ich musste mich schon sehr stark quälen.
Ich passierte die 30km Marke bei etwa 3:13h, ärgerte mich gleichzeitig extrem über die Zeit - im Training war ich die 30km schon deutlich schneller gelaufen, und das ohne dass sich meine Beine wie Betonpfeiler anfühlten.
Ich quälte mich weiter, kämpfte gegen den stärker werdenden Drang einfach mal ein paar km zu Gehen, jegliche (ohnehin kaum ernsthaft vorhandene) Zeitziele warf ich über Bord. Bis etwa km 39 humpelte ich weiter mit meinen ~7:00 min/km dahin, doch dann wurde es mir doch einfach zuviel, ich wollte mich nicht noch mehr quälen nur damit eine ohnehin schlechte Zeit noch ein paar Minuten "schneller" wird. Ich legte eine ausgedehnte Gehpause von etwa 1.5km ein.
Irgendwo zwischen km 40 und 41 blickte ich mal wieder auf meine Uhr - wenn ich es schaffen würde nochmal in Gang zu kommen könnte ich noch die 4:45h unterbieten, reine Zahlenkosmetik aber was solls?!
Ein Fünkchen Ehrgeiz ward in mir geweckt, ich kratze alle Energie zusammen die noch irgendwo im Körper gespeichert war. Nichts ist mir an diesem Tag so schwer gefallen (abgesehen von Kampf gegen das Kotzgefühl in der Dixi-Hölle) wie dieses, nach über 40km und 4.5h, Wiederanlaufen. Doch als ich erstmal in Bewegung war ging es erstaunlich gut, die letzten 1.5km wurden meine schnellsten im ganzen Lauf, ich schaffte sie in einer für mich zu diesem Zeitpunkt eigentlich undenkbaren Pace von 5:07, die 4:45h wurden locker unterboten und ich freute mich im Ziel erstmal über zum Glück noch reichlich vorhandenes alkoholfreies Bier.
Epilog:
Abschließend kann ich resümieren dass es unter den gegebenen Umständen deutlich schlimmer hätte kommen können, insofern bin ich froh überhaupt im Ziel angekommen zu sein. Natürlich ärgert es mich dass ich in der zweiten Hälfte so früh und stark eingebrochen bin, im Training hatte ich dieses Problem nie. Dennoch bin ich angesichts meiner doch sehr kurzen Vorbereitungszeit alles in allem durchaus zufrieden mit dem Resultat.
Ich habe definitv Blut geleckt, der nächste Marathon folgt im Mai 2016 - diesmal mit ausreichender Vorbereitung, besserem Trainingskonzept und nochmals gesteigerte Motivation.
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Danke für den Bericht und viel Erfolg beim nächsten!
Irgendwie aber schon sehr seltsam, dass du im Wettkampf langsamer warst als im Training - hast du was ausgebrütet oder sonstwie eine Erklärung?
Irgendwie aber schon sehr seltsam, dass du im Wettkampf langsamer warst als im Training - hast du was ausgebrütet oder sonstwie eine Erklärung?
"Only that day dawns to which we are awake." - H.D.Thoreau
Meine Wettkämpfe in der km-Spiel Tabelle
Meine Lauf-Fotoalben (mit vielen Tiroler Laufstrecken)
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Erstmal Glückwunsch zum ersten Marathon. Das ist eine tolle Leistung und da kannst du zurecht stolz drauf sein!
Zum Einbruch: Ich habe kurz deinen anderen Post überflogen. Für mich bist du zu wenige und zu kurze lange Läufe im Training gelaufen. Ich kann nur aus eigener Erfahrung sagen, dass die langen Läufe mir sehr viel für den zweiten Teil des Marathons bringen.
Und zu deinem Kommentar bezüglich des Iso-Getränks bei KM 5. Vielleicht wäre das für dich extrem hilfreich gewesen. Die gesamte Strecke Iso oder Gels als Ergänzung zu sich zu nehmen. Denn durch deine fehlenden langen Läufe ist der Fettstoffwechsel vermutlich sowieso nicht besonders gut trainiert.
Dein "Schlussspurt" hat dir gezeigt, was auch nach KM40 noch geht. Also die positiven Sachen aus deinem Debut mitnehmen, gezieltes Aufbautraining über den Winter, Anfang 2016 ein kurzes Rennen zur Tempobestimmung und dann mit dem passenden Trainingsplan den zweiten Marathon angreifen !
Zum Einbruch: Ich habe kurz deinen anderen Post überflogen. Für mich bist du zu wenige und zu kurze lange Läufe im Training gelaufen. Ich kann nur aus eigener Erfahrung sagen, dass die langen Läufe mir sehr viel für den zweiten Teil des Marathons bringen.
Und zu deinem Kommentar bezüglich des Iso-Getränks bei KM 5. Vielleicht wäre das für dich extrem hilfreich gewesen. Die gesamte Strecke Iso oder Gels als Ergänzung zu sich zu nehmen. Denn durch deine fehlenden langen Läufe ist der Fettstoffwechsel vermutlich sowieso nicht besonders gut trainiert.
Dein "Schlussspurt" hat dir gezeigt, was auch nach KM40 noch geht. Also die positiven Sachen aus deinem Debut mitnehmen, gezieltes Aufbautraining über den Winter, Anfang 2016 ein kurzes Rennen zur Tempobestimmung und dann mit dem passenden Trainingsplan den zweiten Marathon angreifen !
www.sportpassion.de - Sport ist meine Leidenschaft
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Danke Euch!
Der erste Trainingslauf nach dem Marathon lief leider überhaupt nicht gut, das Hüftproblem hat sich wieder deutlichst bemerkbar gemacht und ich musste frühzeitig abbrechen. Nach kurzer Internetrecherche würde ich auf eine Schleimbeutelentzündung tippen, jetzt gehts erstmal ab zum Sportarzt und hoffen dass ich nicht lange pausieren muss, ich wollte im Oktober eigentlich nochmal bei einem HM mitlaufen.
Ich hatte einige Tage vorher Magen-/Darmprobleme, möglicherweise waren deshalb die Speicher nicht wieder vollständig gefüllt.GeorgSchoenegger hat geschrieben:Danke für den Bericht und viel Erfolg beim nächsten!
Irgendwie aber schon sehr seltsam, dass du im Wettkampf langsamer warst als im Training - hast du was ausgebrütet oder sonstwie eine Erklärung?
Richtig, ein wichtiger Einwand. Ich hatte die langen Läufe im Vergleich zum Mustertrainingsplan schon etwas ausgedehnt, mehr war einfach (körperlich) nicht drin, ich habe schließlich erst Ende Mai mit Läufen >>10km begonnen.Joe_Sakic hat geschrieben:[...]
Zum Einbruch: Ich habe kurz deinen anderen Post überflogen. Für mich bist du zu wenige und zu kurze lange Läufe im Training gelaufen. Ich kann nur aus eigener Erfahrung sagen, dass die langen Läufe mir sehr viel für den zweiten Teil des Marathons bringen.
[...]
Der erste Trainingslauf nach dem Marathon lief leider überhaupt nicht gut, das Hüftproblem hat sich wieder deutlichst bemerkbar gemacht und ich musste frühzeitig abbrechen. Nach kurzer Internetrecherche würde ich auf eine Schleimbeutelentzündung tippen, jetzt gehts erstmal ab zum Sportarzt und hoffen dass ich nicht lange pausieren muss, ich wollte im Oktober eigentlich nochmal bei einem HM mitlaufen.
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Gaussian hat geschrieben: Richtig, ein wichtiger Einwand. Ich hatte die langen Läufe im Vergleich zum Mustertrainingsplan schon etwas ausgedehnt, mehr war einfach (körperlich) nicht drin, ich habe schließlich erst Ende Mai mit Läufen >>10km begonnen.
Hm, das erscheint mir sowieso etwas optimistisch. Aber gut, du hast den Marathon ja zumindest beendet.
Gaussian hat geschrieben: Der erste Trainingslauf nach dem Marathon lief leider überhaupt nicht gut, das Hüftproblem hat sich wieder deutlichst bemerkbar gemacht und ich musste frühzeitig abbrechen. Nach kurzer Internetrecherche würde ich auf eine Schleimbeutelentzündung tippen, jetzt gehts erstmal ab zum Sportarzt und hoffen dass ich nicht lange pausieren muss, ich wollte im Oktober eigentlich nochmal bei einem HM mitlaufen.
Äh Trainingslauf? Sonntag Marathon und dann heute Trainingslauf? Wie lange und wie schnell wolltest du denn laufen? Ich bin Sonntag meinen neunten Marathon gelaufen, und werde wohl morgen vielleicht mal 3-5 KM anlaufen, aber wirklich langsam. Wenn du es jetzt übertreibst, dann kannst du dir wirklich richtig böse Verletzungen holen. Erhol dich, gönn dem Körper eine Pause!
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Bemerke das Datum, da war ne Woche dazwischen :-)
Ich hatte schon öfters Phasen in denen ich "viel" Laufen war (ohne Wettkampfambitionen), das hat leider nie lange gehalten. Ich brauchte einfach das große Ziel Marathon vor Augen um die Motivation aufrecht zu erhalten - wenn ich mir das erst für 2016 zum Ziel gemacht hätte, wäre ich nie im Leben die ganze Zeit so konsequent gelaufen, bzw. hätte viel später begonnen.
Mittlerweile ist meine Motivation deutlich intrinsischer Natur, insofern war der Marathon mein Mittel um die Anfangslethargie zu durchbrechen
Ich weiß dass es sehr(/zu) optimistisch war, daher hatte ich mir auch keinen wirklichen Zeitziele für den Marathon gesetzt.Joe_Sakic hat geschrieben:Hm, das erscheint mir sowieso etwas optimistisch. Aber gut, du hast den Marathon ja zumindest beendet.
[...]
Ich hatte schon öfters Phasen in denen ich "viel" Laufen war (ohne Wettkampfambitionen), das hat leider nie lange gehalten. Ich brauchte einfach das große Ziel Marathon vor Augen um die Motivation aufrecht zu erhalten - wenn ich mir das erst für 2016 zum Ziel gemacht hätte, wäre ich nie im Leben die ganze Zeit so konsequent gelaufen, bzw. hätte viel später begonnen.
Mittlerweile ist meine Motivation deutlich intrinsischer Natur, insofern war der Marathon mein Mittel um die Anfangslethargie zu durchbrechen
