Dialog_1 hat geschrieben:Seit einigen Wochen habe ich wieder das Laufen angefangen.
Ich laufe ca. 3 mal die Woche für ca. 40-50 Min.
Nach meinen Erkenntnissen soll für ein Training mit ca. 60 % des Maximalpuls erfolgen. Dafür ca. 3 Mal die Woche für mind. 30 Min.
Vorab muss ich sagen, dass mein Pulse her hoch ist.
Gemäß Faustformel 220 abzgl. Alter ergibt sich bei mir ein max. Puls von 165.
Mit einem Leistungstest habe ich für mich aber einen Puls von 190 ermittelt.
Zur Überwachung habe ich mir nun eine Garmin 235 angeschafft.
Ich kann beobachten, dass mein Puls sehr schnell steigt.
So bin ich nach 2-3 Minuten bei Puls 160. Dies obwohl ich so langsam laufe, dass ein guter Geher nehenher mitgehen könnte! Sollte ich noch langsamer laufen, könnte ich nur noch gehen.
Das ist natürlich sehr unbefriedigend und ich bin mit meinem Puls meistens viel zu hoch. Die Auswertungen in der Garmin App zeigen mir auch, dass mein Puls regelmäßig zu hoch ist. Dort finde ich regelmäßig Durchschnittswerte bei ca. 165 und Maximalwerte von bis zu 180!
Die VO2Max Auswertung veränderte sich von anfangs 35 auf nunmehr 29. laut Auswertung gehöre ich damit zu den unteren 10 % meiner Alters- und Geschlechstgruppe. Demnach werde ich immer unfitter!
Hallo Dialog_1,
lass mich bitte vorab feststellen, dass ich dich für ein Opfer halte! Zum Schluss werde ich darauf noch mal eingehen. Und nun zu deinen Darstellungen, die leider entweder fehlerhaft sind, oder wichtige Voraussetzungen nicht berücksichtigen:
Die maximale Herzfrequenz(Hfmax) eines Menschen ist ein individueller, genetisch festgelegter Wert. Deshalb ist eine Faustformel zu verwenden, die vom Alter ausgeht, völlig illusorisch. Das Alter eines Menschen spielt nur insofern eine Rolle, als Hfmax mit wachsendem Alter sinkt, allerdings nur um etwa 1 bpm (beats per minute) pro Lebensjahr. Du weißt folglich nicht, wie hoch deine Hfmax tatsächlich ist. Darüber hinaus schreibst du, dass du erst seit einigen Wochen wieder läufst. Es ist daher möglich, dass deine Herzfrequenz noch
überschießend reagiert. Bis das Nervensystem sich an die Ausdauerbelastung gewöhnt hat, treibt es das Herz mancher Laufeinsteiger zu höheren Schlagfrequenzen als für ein Tempo tatsächlich erforderlich.
Mithin verfügst du über keinen Wert, der die Aussage, dass deine Herzfrequenz zu hoch ist, rechtfertigen würde. Sie ist genauso so hoch, wie es momentan physiologisch für dich erforderlich ist.
Auch der von dir durchgeführte Leistungstest lieferte nicht die tatsächliche Hfmax, da du für einen solchen Test noch zu untrainiert bist. Wobei die gemessenen 190 bpm sicher nicht allzu weit unterm tatsächlichen Hfmax liegen dürften.
Du gehörst offensichtlich zu den Technikgläubigen. Du nimmst jede Zahl, die dein Garmin dir meldet für bare Münze. Vermutlich läufst du relativ langsam, was deine Schilderung, nach der du dich als langsam empfindest, belegt. Selbst bei überschießendem Puls dürften Hf-Werte von 180 bpm reine Fantasie deines Garmin sein. Die könntest du nie und nimmer länger als ein paar Sekunden durchhalten und tatsächlich läufst du gar nicht so schnell.
Für Technikgläubige ist auch typisch alle von der "Uhr" gelieferten Parameter bierernst zu nehmen. Fakt ist: Dein Garmin kann lediglich die aktuelle Herzfrequenz messen. Das tut er mehr oder weniger fehlerfrei. Darüber hinaus bestimmt er per GPS noch Entfernungen (nehme ich jedenfalls an, dass dein Garmin das kann). Diese beiden Parameter Hf und Entfernung werden gemessen. Sonst nichts. Alles andere berechnet, interpoliert, schätzt dein Garmin. Wie hoch deine VO2 max ist, steht in den Sternen genauer als in der Anzeige deiner Uhr. Im Übrigen: Welchen Nektar saugst du aus dem VO2max? Angenommen du wüsstest den exakten Wert: Was würdest du bitte damit anfangen? - Vergiss diese Werte. Weil du sie nicht brauchst und weil sie nicht genau sind.
Dass dein Puls relativ schnell ansteigt ist völlig normal. Das tut er bei jedem von uns. Nur das letztlich bei einem bestimmten Lauftempo erreichte Puslniveau ist unterschiedlich. Und natürlich ist die Rasanz, das "Jähe" des Hf-Anstieges, umso größer je untrainierter jemand ist. Mit der Zeit wird sich das ändern. Was aber lediglich ein Resultat ist, ein Indiz und nicht der Grund warum man läuft.
Nun zu den von dir genannten Trainingseinheiten: Es ist durchaus richtig, dass Laufeinsteiger dreimal die Woche trainieren sollten. Wie lange, hängt davon ab, was sie zu Beginn drauf haben. Wer kann sollte durchaus mit 3x30 min anfangen, dann vorsichtig von Woche zu Woche steigern, nicht mehr als 10% Dauer/Länge, auf eine Woche gerechnet. So weit, so gut. Das mit den 60% von Hfmax ist dagegen nicht haltbar. Langsamer Dauerlauf bei trainierten Menschen bewegt sich im Bereich 65 bis 75 % von Hf max. Was aber viel wichtiger ist: Du wusstest zu Beginn nicht, weißt jetzt nicht und wirst auch mittelfristig nicht wissen wo dieser Wertebereich 65 bis 75 % in bpm ausgedrückt bei dir liegt. Wie oben dargestellt, weil dir Hfmax fehlt und möglicherweise dein Herz noch "übersteuert".
Bringt mich zu der wichtigsten Feststellung: Der Laufeinstieg mit Pulsmesser ist nicht praktikabel. Für niemanden. Nicht praktikabel und nicht notwendig. Es gibt nicht den mindesten Grund den Parameter Herzfrequenz beim Laufen zu überwachen. Und zwar so lange nicht, bis du eines Tages entscheidest, dass du Trainingspläne umsetzen möchtest, etwa für 5-, 10-km-Läufe oder länger, die auf Basis von Herzfrequenzbereichen ausgelegt sind. NUR DANN. Ansonsten ist ein Pulsmesser das überflüssigste Utensil, das sich ein Läufer zulegen kann. Und ein verwirrendes dazu, so lange man keine Ahnung über die Zusammenhänge und Hintergründe des "Laufens mit Pulsmesser" hat.
Und da ich nun fachlicherseits durch bin, frage ich dich: Warum läufst du nicht ohne Pulsmesser? Wieso verlässt du dich nicht auf den Laufgefühl, das dir ganz klar sagt, ob ein Tempo schnell oder langsam ist. Wieso schaust du auf deine Herzfrequenz, deren Höhe vom Nervensystem völlig autark und vor allem höchst verlässlich gesteuert wird?
Ich sage dir warum: Weil du ein Opfer bist! Ein Opfer der Zeit, in der wir leben, wo man meint alles optimieren und überwachen zu müssen. Sogar das, was unser wunderbarer Körper vollautomatisch selber regelt.
Du bist auch ein Opfer, weil dir alle möglichen Leute oder Publikationen vorgaukelten, dass du so ein Pulsdings unbedingt für den Laufanfang brauchst. Das ist nicht so.
Mit diesen Zusammenhängen beschäftige ich mich fast schon so lange, wie mit den Grundlagen des Einsatzes von Herzfrequenzmessern (viele Jahre lang habe ich mein Marathontraining mit dem Pulsmesser gesteuert). Vor ein paar Tagen habe ich auf unserer
Laufseite dazu ein paar Gedanken online gestellt. Titel: Du kannst laufen! - Bedenkenswertes, nicht nur für Laufeinsteiger". Es könnte nicht schaden, wenn du dir das anschaust.
Fazit: Lass den Brustgurt in der Schublade und laufe nach Gefühl. Hat auch den Vorteil, dass du dabei etwas so wichtiges wie ein "Laufgefühl" entwickelst.
Alles Gute
Gruß Udo