OK, wenn ich hier schon dazu auffordere, mit Informationen und Anregungen zu kommen, sollte ich sicher auch selbst nicht faul sein und was Entsprechendes liefern. Mein eigener Ansatz ist etwas anders. Tut mir leid, daß das jetzt etwas ausführlicher wird, aber ich bin ja eben erst in den Thread eingestiegen und schulde dem Publikum daher noch die ganze Vorgeschichte usw.
Es begann vor knapp zwei Jahren mit den üblichen Anlaufschmerzen. Ich hielt das für eine reine Alterserscheinung. Ab vierzig wird man eben immer knackiger: Heute knackt es hier, morgen dort. Alles ganz normal eben.
Irgendwann blieb es aber nicht bei den ersten Schritten morgens nach dem Aufstehen, sondern die Schmerzen traten auch zu Beginn der Laufeinheiten auf, und schließlich fand ich heraus, daß andere dieses Problem auch haben und wie es heißt. Kennt Ihr ja alles.
Probiert habe ich es zunächst mit Kühlkompressen und Igelbällen. Bezüglich des Alltagsschuhwerks waren die Empfehlungen im Internet widersprüchlich und reichten von "möglichst viel barfuß" bis "bloß nur ganz stark gedämpfte Schuhe". Da ich zuhause ganz normale Sandalen zu tragen pflegte, versuchte ich es mal ohne, aber das brachte auch keinen nachhaltigen Erfolg. Im Gegenteil, die Schmerzen wurden stärker.
Beim Arzt bin ich deshalb nie gewesen (da mir das Problem medizinisch zu wenig beherrschbar schien), habe das Problem aber einmal anläßlich irgendeiner Vorsorgeuntersuchung kurz nebenher angesprochen. Nun ist mein Hausarzt jemand, der mir innerhalb einer Minute eine Diagnose stellt, mir dann zwei Minuten lang erklärt, welche Therapien die Kasse zahlt; dann beschreibt er fünf Minuten lang die möglichen Igel-Leistungen, und zum Schluß erläutert er mir zehn Minuten lang, weshalb er diese Sonderleistungen für überflüssige Geldschneiderei hält. Auch damals hat er sich viel Zeit genommen, mir Folgendes zu erläutern:
Zuerst hat er einen Graphen gezeichnet. Die Kurve stieg zunächst an, dann verlief sie einige Zeit auf recht hohem Niveau, um dann wieder allmählich abzufallen. "So. Die x-Achse ist die Zeitachse, und die y-Achse entspricht der Intensität Ihrer Beschwerden. Hier (er markiert einen Punkt im steigenden Bereich) kommen Sie das erste Mal zu mir. Ich verordne Ihnen Krankengymnastik. Die Beschwerden lassen erst geringfügig nach, dann ist alles wieder wie vorher. Hier (weitere Markierung auf dem Graphen) kommen Sie wieder. Jetzt kriegen Sie Kortison. Es läuft weiter wie nach dem ersten Besuch. Also kommen sie wieder (dritte Markierung). Diesmal probiere ich es mit Röntgenreizbestrahlung. Und wieder entwickelt sich die Sache weiter wie eh und je. Sie kommen wieder (vierte Markierung direkt vor dem Abstieg der Kurve). Diesmal verpasse ich Ihnen Bachblüten. Und - die Beschwerden gehen zurück! Und nun gehen Sie hin und schreiben in Ihrem Blog, daß Bachblüten bei Plantarfasziitis das einzig Wahre sind. Die Symptome wären wohl zu diesem Zeitpunkt auch von allein verschwunden, entweder weil es sowieso gerade dran war oder weil Sie irgendetwas unternommen haben, was Ihnen gar nicht bewußt war und was am Ende für die Abhilfe verantwortlich war. Das ist bei vielen Krankheitsbildern so. Machen Sie also einfach weiter alles, was Ihnen nicht weh tut, dann stimmt das schon (das ist sein Standardsatz, deshalb suche ich ihn ja auch so gut wie nie auf)."
Seit dem Frühjahr habe ich es dann mit einer konzertierten Aktion versucht. Es ging mir nicht darum, den Schmerz zu suchen, wohl aber den Stier bei den Hörnern zu packen und für Abhärtung zu sorgen. Im Nachhinein kann ich natürlich nicht sagen, was genau von alldem, was ich gemacht habe, den größten Nutzen gebracht hat, aber vielleicht kann ja der eine oder die andere mit den Schilderungen für sich etwas anfangen. Gleichzeitig habe ich zwecks Verbesserung meiner 10km-Bestzeit das brutalste Training meines Lebens absolviert: Im Schnitt um die 90 km pro Woche, davon bis zu 15 x 400m und 5 x 2 km Intervalle, die restlichen Läufe meist auch nicht langsamer als 4:30/km. Also genug Gelegenheit, sich zu zerlegen, vor allem da alle diese Probleme um die Ferse herum offenbar eher mit Tempo zu tun haben als mit Umfängen. Trotzdem bin ich weitestgehend beschwerdefrei: keine Anlaufschmerzen, keine brennenden Füße zu Beginn der Trainingseinheiten - man möchte dem Frieden kaum trauen (darf man vielleicht auch nicht, aber wer weiß das schon vorher?).
Jetzt zu den Maßnahmen:
1. Ich gehe erstmal davon aus, daß der Sehnen- und Muskelapparat beiderseits der Ferse (d.h. von den Zehen bis zum Rücken) ein Kontinuum ist, das ich als Ganzes betrachten muß. Das zeigt auch der Fall Ryan Hall, den ich die ganze Zeit über intensiv mitverfolgt habe. In letzter Zeit sind über ihn ein paar sehr interessante zusammenfassende Artikel erschienen (
hier und
hier). Außerdem steht eine verkürzte Wadenmuskulatur im Verdacht, für Plantarfaszienprobleme mit verantwortlich zu sein.
Für mich hieß das: Sprengung vermeiden und das besagte Kontinuum einer leichten Dauerdehnung aussetzen. Also nach und nach weg von Hausschuhen, und für draußen habe ich mir zum Geburtstag ein paar
Halbschuhe schenken lassen, die durch die weitgehende Abwesenheit jeglichen Materials glänzen. Diese Dinger sind herrlich! Am liebsten würde ich sie mit ins Bett nehmen.
Beim Laufen dürfen es ein paar mm mehr sein. Mein absoluter Favorit sind Saucony Mirage 2 und Fastwitch 5 (je 4 mm und mit leichter Pronationsstütze, die ich i.d.R. benötige). Dazu habe ich mir noch ein paar Inov-8 Road X-Lite 155 besorgt (sehr minimalistisch, 3 mm, keine Stütze).
2. Morgens nach dem Aufstehen gehe ich erst einmal durchs Haus. Angefangen habe ich mit wenigen 100 Metern, inzwischen bin ich bei ca. einem km. Das ist der Umfang, den ich angepeilt hatte.
Diese Strecke verteilt sich zu gleichen Teilen auf: Warmgehen, Gehen mit angezogenen Zehen, Fußgelenksarbeit, Gehen auf den Ballen, Außenkantengehen, Innenkantengehen, Gehen mit gestreckten Knien mit festem Fersenaufsatz und langsamem Abrollen und zwischendurch immer mal einigen Schritten reinen Fersengehens. Zwischen den Gangarten jeweils einige Meter normaler Gang. Alles natürlich ohne Schuhe.
Vor allem letzteres (also kleine Trippelschritte mit ausschließlichem Fersenaufsatz) ist anspruchsvoll, und derzeit fangen nach spätestens 20 Schritten die Fersen an zu schmerzen. Dann höre ich auf und rolle weiter normal über die Ferse ab.
Dabei habe ich beobachtet, daß sich im Lauf des Innenkantengehens ein unangenehmes Ziehen unter dem Fersenbein einstellte. Vermutlich rief sich da die Faszienreizung in Erinnerung. Ich bin dann jeweils zu normalem Gehen und dann zur nächsten Gangart übergewechselt. Inzwischen treten die Beschwerden nicht mehr auf. Interessant (aber nicht verwunderlich) daran ist, daß dieses Absenken der Innenkante ja genau das ist, was meine pronationsgestützten Schuhe sonst abfangen. Ich werde es also auch im Training behutsam, aber zunehmend mit Neutralschuhen versuchen.
Ich könnte mir denken, daß alle, die dieses Programm ausprobieren, an irgendeiner Stelle auf derartige Probleme stoßen. Wahrscheinlich ist das individuell sehr verschieden, und möglicherweise ist dann dieser Punkt die größte Schwachstelle, an der es sich anzusetzen lohnt.
3. Mir scheint, daß meine Waden- und hintere Oberschenkelmuskulatur stark verkürzt ist. Wenn ich versuche, ein gestrecktes Bein nach vorn zu heben, erreiche ich keine 90°. Wahrscheinlich über Jahrzehnte hinweg zu viel gesessen. Beste Voraussetzungen also für die Ausbildung von Problemen um die Ferse herum.
Dem versuche ich mit den einschlägigen Dehnübungen beizukommen. Dazu gehören natürlich auch
diese beiden, die ich für meine Zwecke geringfügig abwandle: Zuerst stütze ich den vorderen Fuß so gegen die Wand, daß ich mit nach oben gekrümmten Zehen auf dem Boden stehe. Dann nehme ich die Position für die Dehnübung ein. Auf diese Weise wird nebenher noch die Plantarfaszie stark gedehnt.
So weit meine Geschichte und Gegenwart. Bin zumindest momentan sehr zufrieden, auch wenn ich immer wieder mal daran erinnert werde, daß das Problem weiterhin im Hintergrund lauert.