Hallo
Mein erster und hoffentlich einziger privater Supermarathon (74 Km)
Da ich kein Freund von halben Sachen bin, habe ich meinen Rennsteiglauf@home --- Supermarathon 2020 (74 Km) einfach mal um eine Woche vorgezogen und auch absolviert (Hintergrund, ist wie so oft bei mir, die wenige arbeitsfreie Zeit).
Offizieller Startschuss sollte ja am 16.05.2020 06.00 Uhr auf dem Marktplatz in Eisenach sein, aber der Lauf wurde wegen Corona abgesagt und statt dessen die Aktion Rennsteiglauf@home ins Leben gerufen. Alle, die auf dem Rennsteig laufen wollen, können in ihrem Heimatlaufrevier (unter Beachtung der Auflagen des jeweiligen Bundeslandes von wegen Hygiene und Abstand und so und innerhalb von vier Wochen), die von ihnen selbst gewählte Strecke absolvieren, die Daten beim Rennsteiglaufverein einreichen und würden nach Prüfung ihre Urkunde, Medaille und T-Shirt zugeschickt bekommen.
Da ich ja bereits im Januar diesen Jahres ins Training für diesen Lauf eingestiegen bin, wollte ich mir die Chance für die dritte Urkunde, die dritte Medaille und den dritten T-Shirt vom Rennsteig-supermarathon nicht entgehen lassen. Also meldete ich mich am 04.05.2020 per Internet für den Lauf an, bekam die selbst ausgesuchte Startnummer per Mail zugeschickt und die Vorbereitungen für die Ausstattung des Verpflegungsstandes begannen. Da ich ja so einen VP noch nie selber bestücken musste, eröffnete ich hier im Forum einen Faden zu diesem Thema (
forum/threads/128343-Ausstattung-eines- ... ngspunktes) und bekam auch wertvolle Tipps und Hinweise, die ich sogleich auf meine Liste schrieb. Der VP sollte direkt an der Laufstrecke stehen und ich fragte meine Frau, ob sie diesen VP betreuen und beaufsichtigen würde. Sie sagte wortwörtlich: „ JA, ICH WILL!!!“ :-) :-) :-)
So hatte ich innerhalb weniger Tage mehrere Probleme gelöst und brauchte „nur“ noch 74 Km zu laufen. Die Streckenwahl fiel mir sehr leicht, einfach meine kleine Haus- und Hofrunde (8 Km) neunmal ablaufen und ein kleines Schwänzchen dranhängen und schubdiwupps hatte ich 74 Km in den Beinen. Wenn es denn nur so einfach wäre, aber nein, das wurde es nicht. Nach Absprache mit meinem Arbeitgeber, von wegen welchen Samstag ich frei bekommen könnte, nutzte ich gleich den ersten freien Samstag, um den Lauf zu absolvieren. Gesagt und getan, Wecker auf Samstag 04.20 Uhr gestellt und natürlich wieder vor dem Wecker munter geworden, wie die ganze Woche schon. Das störte mich aber überhaupt nicht, je eher ich loslaufen konnte , um so besser für mich, so würde ich nämlich den Kontakt mit den angesagten über 20 Grad plus weitestgehend vermeiden können (ich bin nicht der Hitzeläufer). Also bin ich 03.50 Uhr raus aus den Federn, Kaffee gekocht und getrunken, Müsli gegessen, Trinkblase aufgefüllt, Bad besucht und die gefährdeten Stellen sehr gründlich mit Vaseline eingeschmiert. Die Laufklamotten hatte ich schon am Abend zuvor zusammengesucht und der Kram für den VP war auch schon im Auto verstaut (meine Frau wollte dann nur noch Kartoffeln kochen, Äpfel schneiden und Bananen schälen). Dadurch konnte ich ca. 45 Minuten vor meiner eigentlich geplanten Startzeit bereits loslaufen.
05.16 Uhr fiel dann mein lautloser Startschuss auf dem Parkplatz am Brandt zwischen Wattenbach und Wellerode. Nach ca. drei Kilometern bin ich schon das erste Mal erschrocken. Die im Wald installierte Wildkamera machte doch tatsächlich ein Foto von mir und das auch noch mit Blitzlicht. War ich etwa zu schnell oder zu schön? Ich schreibe mal N E I N !!! Ich wollte gleich innerhalb der ersten Runde die o.g. zwei Zusatzkilometer absolvieren und lief deswegen nicht um die Warpelhütte (mein Wendepunkt) rum, sondern links an ihr vorbei noch einen Kilometer in den Wald rein und auch wieder raus und das Schwänzchen war bereits im Speicher der Uhr verewigt. Die nächsten 3,5 Km ging es dann fast nur auf Schotter (sehr schlecht zu laufen) und aufwärts Richtung Parkplatz am Brandt. Nach ca. 70 Minuten war ich dann das erste Mal an meinem heutigen geplanten Ziel, von einem Zielbogen und einem VP war weit und breit N I C H T S zu sehen. Das war aber so geplant, meine Frau sollte ein paar viele Minuten länger schlafen, damit sie mich dann in schlechten Phasen „vom Boden“ aufheben hätte können. Ich schnappte mir meine vor dem Start im kleinen VP (grosse Flasche Wasser als Reserve und kleine Banane) gebunkerte Banane und lief gemütlich kauend zum zweiten mal in den Wald hinein. Wieder wurde mir klar gemacht, dass ich nicht allein um diese Uhrzeit auf der Welt bin, ein Kleintransporter mit MKK-Kennzeichen überholte mich und staubte mich kräftig ein. Was der wohl im Wald zu tun hatte? Ich konnte den Fahrer leider nicht fragen, der fuhr viel zu schnell an mir vorbei und ich sah ihn auch nicht wieder. Egal, weitermachen mit der Bewegung der Beine und dem Rest des Körpers, es waren schliesslich noch fast 7,5 Runden. Ruckzuck, nach einer knappen Stunde war ich wieder am Parkplatz und begann meine dritte Runde. Da ich mit meiner Frau keine Zeit für die Eröffnung des VP`s ausgemacht hatte, nahm ich mir jetzt meinen ersten Riegel vor und lief wiederum quietschvergnügt und kauend in den Wald rein. Zu Trinken hatte ich noch reichlich in der Trinkblase des Rucksackes (zwei Liter hatte ich zu Hause eingefüllt), ich hatte mir selber auferlegt, mind. jeden zweiten Kilometer zwei ordentliche Schlucke den Hals hinunterlaufenzulassen. HAB ICH EINGEHALTEN!!! Während der dritten Runde traf ich dann meinen Nachbar, knapp 70 Jahre jung, der, wie immer am Wochenende, zügig gehend seine Runde absolvierte. Wir wechselten ein paar Worte bzgl. meines Vorhabens und wie lange ich schon unterwegs bin und so weiter und so fort. Er war sehr erstaunt wegen der Kilometerzahlen, die ich ihm nannte. Also war auch die dritte Runde nicht langweilig. Auf der vierten Runde machte ich mir dann Gedanken, wann und wie der VP eröffnet wurde. Ich hatte zwar noch Riegel und Trinken dabei, aber ich wollte mal was Anderes zwischen die Zähne bekommen. Hach, was soll ich sagen, ach nee schreiben, nach der vierten Runde (Km 35) war der VP mit Betreuerin dann da. War das ein freudiges Wiedersehen (mit meiner Frau und dem Essen und dem Trinken und dem Bommel). Natürlich habe ich mir erstmal die Hände und das Gesicht abgewaschen (GROSSEN DANK an Mike für den Tipp) und dann gleich gründlich zugegriffen (Kartoffeln mit Salz, Cola, Moutain Dew, gesalzene Erdnüsse). Kein Wunder, dass ich für diesen Kilometer 12:24 Minuten brauchte. Das war mir aber sowas von egal, von wegen Zeit und so. Ich hatte mir eine Laufzeit von unter zehn Stunden (8 min/Km) vorgenommen und hatte zu dieser Zeit immer noch eine ganz kleine 7 im Schnitt auf der Uhr stehen, war also sehr gut unterwegs. Frisch gestärkt und gut gelaunt, machte ich mich dann auf zur fünften Runde, an deren Ende ich dann den Marathon in den Beinen haben wollte. Nach der Hälfte der Runde hatte ich dann eine Begenung der besonderen Art. Nee nee nix mit Ausserirdischen und Alf und so, nein ein Mountainbiker sprach mich an, ob ich der Läufer sei, der hier den Ultra laufen wollte. Ich bejahte und erzählte mir, wenn er das gewusst hätte, wäre er mitgelaufen. Er wollte seine beiden Jungs nach Hause bringen und dann wieder zurückkommen, um mit mir eine Runde mitzulaufen. Ich war natürlich hocherfreut über die angedachte Begleitung, aber leider wurde nichts daraus. Ich sah ihn nie wieder. Meine Frau erzählte mir dann bei meinem nächsten VP-Stop, dass er nochmals dagewesen wäre, aber leider keine Zeit hätte. Er hat seine Handynummer dagelassen und wollte das Ergebnis wissen, welches ich ihm dann auch am späten Samstagnachmittag per WhatsApp mitteilte. Wegen essen und trinken und schwatzen und so, brauchte ich dann 11:31 Minuten für den Kilometer 43. Ich war jetzt also bereits im Ultrabereich und immer noch guten Mutes, dass ich den Lauf erfolgreich beenden würde. Auf zur sechsten Runde. Es wurde zusehends wärmer und es waren immer mehr Leute unterwegs. Laufend musste ich Auskunft geben, was ich hier machen würde und warum und wieso und weshalb. Sie hatten die Schilder am VP, die meine Frau gebastelt hatte, gesehen und gelesen und waren natürlich neugierig geworden. An flüssiges Laufen war nicht mehr zu denken, aber wie schon geschrieben, war mir die Endzeit egal, ausser dass die Stundenzahl einstellig sein sollte. Am Ende der sechsten Runde hatte ich dann eine sehr sehr sehr schöne Begegnung. Da kam mir doch tatsächlich meine Enkeltochter (5 Jahre jung) entgegengelaufen, drehte sich auf meiner Höhe um und lief mit mir, natürlich in gebührenden Abstand, dem noch nicht vorhandenen Ziel entgegen. Ich musste dann doch ein paar Mal kräftig schniefen und hatte eine dicken Kloss im Hals. WAR DAS SCHÖN!!! Jetzt spürte ich nichts mehr von aufkommender Müdigkeit. Am VP alberten wir dann ein paar Minuten rum. Ich ass und trank wieder etwas von den ausgelegten Köstlichkeiten (hauptsächlich die Kartoffeln mit Salz fand ich sehr lecker/ Trinkblase aufgefüllt / 11:43 min/Km) und dann machte ich mich auf zur siebten Runde. Von dieser Runde ist mir von unterwegs nichts Wichtiges im Kopf hängengeblieben. Nur ein paar hundert Meter vor dem imaginären Ziel hörte ich schon lautes Rufen, als ob ich schon den Lauf beenden könnte. Ein ehemaliger Arbeitskollege mit Frau und unsere ehemaligen Mitmieter mit Kindern waren doch tatsächlich zum Anfeuern auf dem Parkplatz erschienen. War das ein freudiges Wiedersehen (Dank an meine Frau, sie hatte meinen Lauf per WhatsApp verbreitet). Schon wieder war ich am Schwatzen, Essen und Trinken (Km 59 15:40 min/Km) und dann auf zur vorletzten Runde. Jetzt wurde es mir dann doch schon zu warm. Ich hatte zwar vom Start weg kurz/kurz an, aber die Sonne stand nun ziemlich hoch am Himmel und brutzelte mich mit gefühlten 25 Grad. Nun begannen sich auch langsam die fehlenden Kilometer in der Vorbereitung bemerkbar zu machen (2017 ca. 1350 Km, 2020 nur 965 Km, dieses Jahr nur drei Marathon`s und ein Lauf über 50 Km). Der Muskel im linken Oberschenkel wollte immer wieder krampfen und ich musste ihn während der Gehabschnitte lockern, was mir einigermassen gut gelang. Am Ende der Runde kam mir wieder meine Enkeltochter entgegngelaufen und wir plünderten wieder gemeinsam den VP, sie schnappte sich die Gummibärchen (um meine Frau vor zu vielen Kalorien zu retten) und ich aß Kartoffeln mit Salz und trank alles Flüssige, was da so stand (Km 67 15:50 min/Km) und dann auf zur letzten Runde, die etwas kürzer war (ich brauchte nicht mehr um die Warpelhütte rumlaufen, sondern konnte schon ca. 150 Meter vorher rechts abbiegen und mich auf dem stark geschotterten Weg Richtung Ziel bewegen. Obwohl es mir in den letzten beiden Runden schon zu warm war und mir allerlei fliegendes Viehzeug um die Nase flog (das nervte voll), hatte ich immer noch eine mittlere 7 im Km-Schnitt auf der Uhr stehen, von einer 8 vorne war weit und breit nichts zu sehen, ich würde also sehr weit unter meinem selbst gesteckten Ziel (9:59 h Laufzeit) bleiben. Ich riskierte jetzt nichts mehr, bzgl. linker Oberschenkel und legte auf den restlichen Kilometern mehrere Gehpausen ein, um auch ja auf meinen eigenen Beinen in dass, für heute schönste Ziel der Welt, NICHT Schmiedefeld, sondern Brandt-Parkplatz, einzulaufen.
Es gelang mir nach 9:20:36 h
Meine Frau hatte kurz vor dem Zielband meine Startnummer und mein Maskottchen Bommel abgelegt. Ich nahm beides auf und lief die letzten 100 Meter und zerriss das Band. Glücklich und zufrieden und nur kaputt, aber nicht am Boden zerstört, beendete ich den Lauf nach 74,35 Km.
Fazit zum Verbrauch:
ca. 4 Liter Super Plus
ca. 1,5 Liter Cola
ca. 0,75 Liter Mountain Dew
ca. 0,5 Liter schwarzer Tee
ca. 20 kleine Kartoffeln
ca. 10 Kg Salz :-) :-) :-)
ca. 50 Salzstangen
ca. 100 gr gesalzene Erdnüsse
2 Clif Bar
2 Bananen
1 Apfel
EIN RIESENGROSSES DANKESCHÖN AN MEINE FRAU FÜR IHRE HILFE UND UNTERSTÜTZUNG BEI MEINEM DOCH SEHR ZEITAUFWÄNDIGEM HOBBY!!!
Gruss Stefan
PS: Bilder folgen