U_d_o hat geschrieben:Es hat vielfältige Ursachen. Dabei spielen genetische Vorteile eine wichtige Rolle.
Soweit ich das beurteilen kann, ist dem eher nicht so, siehe z.B.
https://www.researchgate.net/profile/Ya ... nning.pdf:
The only available genetic studies of elite African athletes do not find that these athletes possess a unique genetic makeup; rather, they serve to highlight the high degree of genetic diversityin east African populations and also among elite east African athletes.
So ist z.B. die genetische Vielfalt in einer einzigen äthiopischen Provinz so groß wie diejenige in ganz Mitteleuropa.
U_d_o hat geschrieben:Der Körperbau zum Beispiel
Auch hier ist die Studienlage eher dürftig. Hierzu muss ich aber ein wenig ausholen. Grundsätzlich: je weniger distales (von der Körpermitte entferntes) Gewicht in den Beinen, desto besser, da dieses nunmal bei jedem Schritt bewegt werden muss. Das heißt: dünne Beine sind von Vorteil. Genauso wie
lange Beine wirken sie sich positiv auf die Laufökonomie aus (geringerer Sauerstoffverbrauch). Ganz so einfach ist es aber natürlich auch hier nicht, da z.B. äthiopische Läufer*innen tendenziell muskulöser als jene aus Kenia sind. Aus
https://www.researchgate.net/publicatio ... m_So_Good:
For the Kenyan runners, it appears that their ectomorphic somatotype characterized by long, slender legs might provide advantages in biomechanical and metabolic economy/efficiency, resulting in enhanced performance in middle- and long-distance events. Although the Ethiopian runners tend toward a mesomorphic somatotype, they also demonstrate exceptional physiological economy, but specific mechanisms have not been identified at this time.
Zu den grundsätzlichen Gründen für solche Unterschiede im Körperbau (Aus
The Sports Gene von David Epstein):
That Jamaicans would have a more linear build than Europeans is no surprise, nor is it specific to Jamaicans. As Allen’s rule of body proportions dictates, men and women with recent ancestry from low latitudes [Kenia liegt genau auf dem Äquator] and warm climates generally have proportionally long limbs. Another ecogeographic principle, known as Bergmann’s rule—named for nineteenth-century biologist Carl Bergmann—indicates that humans with recent low latitude ancestry will also tend to be more narrow, with slimmer pelvic bones. Both long legs and narrow hips are advantageous for running and jumping.
Je schmaler man gebaut ist, desto größer ist die Körperoberfläche im Verhältnis zur Körpermasse. Dadurch fällt es einfacher, (überflüssige) Wärme loszuwerden. Im Gegensatz dazu sind z.B. kanadische Inuit eher klein und stämmig, da dies dafür sorgt, dass sie die Wärme besser im Körper behalten können, was wiederum in kaltem Klima von Vorteil ist.
Aus oben genannten Gründen folgt (
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/ful ... /sms.12573):
If slimness and low body mass indeed is important prerequisites for becoming a world elite runner it is probably easier to produce this kind of athletes in Kenya than most other places in the world due to a much higher prevalence of people having this body shape in Kenya.
Ist es nun aber so, dass z.B. Kenianer gegenüber gleich schnellen Europäern einen Vorteil in der Laufökonomie haben? Vermutlich nein, wobei es hier sehr wenige Studien gibt. Ebenfalls aus
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/ful ... /sms.12573:
The Kenyan and European marathon runners [alle mit Marathonzeiten um 2:08] who had a comparable running economy also had similar body dimensions (height, weight, and BMI). In contrast, the study by Saltin et al. (1995b) demonstrated that the Scandinavian elite runners having inferior running economy compared to Kenyan elite runners were taller, heavier and had a higher BMI compared to the Kenyans. This lends support to the hypothesis that body dimensions are crucial for running economy.
Läufer mit ähnlichem Körperbau weisen im allgemeinen also auch ähnliche Werte bezüglich Laufökonomie auf und es scheint im Endeffekt relativ egal zu sein, woher man stammt, solange man über den "richtigen" Körperbau verfügt um Topleistungen erbringen zu können.
U_d_o hat geschrieben:und Unterschiede im Energiestoffwechsel.
Hast du dafür Quellen? Ich habe hierzu nämlich nur eine einzige Studie (
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs ... .tb00038.x) gefunden. Da waren sämtliche diesbezüglichen Werte bei skandinavischen und kenianischen Läufern ähnlich. Einzig ein Enzym (HAD), das wohl einen Schluss auf die Fettoxidation zulässt war bei den Kenianern leicht höher. Wobei ich nicht beurteilen kann, ob das eventuell auch einfach an unterschiedlichem Training lag. Sonst zeigen eigentlich alle Studien sehr vergleichbare Werte für alle Läufer, unabhängig davon woher sie stammen.
Ein weiterer Faktor, der eine Rolle spielen könnte, ist natürlich auch noch die Höhenlage (
https://www.researchgate.net/publicatio ... em_So_Good):
Both the Kenyans and the Ethiopians have lived for millennia at moderate altitude (2000–2500 m) in the highlands of the Great Rift Valley. It is not illogical to assume that this chronic hypoxic exposure has conferred certain as-yet unidentified genetic and phenotypical benefits that allow them to consistently train at altitude at running velocities (vLT and vVO2max) that their non-altitude-based opponents do not seem to be able to achieve without overtraining.
Grundsätzlich gilt es zu diesem Thema jedoch zu sagen (wieder aus
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/ful ... /sms.12573):
Much of what we know about Kenyan runners, from a physiological perspective, is based upon a limited number of studies with small sample sizes and difficulties in study‐design. The pertinent question is; what is the appropriate “control” group? In order to compare Kenyan runners born/raised at modestly high altitude the comparative group must be fully acclimatized across physiological systems (e.g., ventilatory, hematological, metabolic and cardiovascular). We stress that when it comes to conclusions between Kenyan and non‐Kenyan runners it must be considered that most studies may not have made the desired comparison. For example, comparing top‐level European marathon runners with Kenyans with an equivalent marathon time (e.g., 2:08:00) is difficult as the Kenyan runners cannot be characterized as top‐level.
Es gibt also ganz einfach zu wenige Studien – was nicht zuletzt am durchaus heiklen Thema liegt, an dem sich viele Wissenschaftler nicht die Finger verbrennen wollen – und die wenigen die es gibt lassen aufgrund geringer Stichprobenzahlen und methodologischer Gründe nur eingeschränkt Schlüsse zu.
U_d_o hat geschrieben:Aber auch die höhere Motivation durch die Aussicht als Spitzensportler sich und der Familie ein besseres Auskommen zu erlaufen.
Die sozioökonomischen Faktoren scheinen tatsächlich (wie in vielen anderen Sportarten auch) ein Hauptgrund zu sein. Die genetischen und physiologischen Voraussetzungen können im Allgemeinen unter "notwendig, aber nicht hinreichend" zusammengefasst werden. Ich kann allen, die sich für das Thema interessieren, das Buch von David Epstein (The Sports Gene) wirklich nur ans Herz legen. Ich muss das auf jeden Fall mal wieder lesen und mir ein paar ausführliche Notizen machen.