Kygo hat geschrieben:Wie dem auch sei denke ich (bzw. ich hoffe es), dass sich in den nächsten Wochen rausstellen wird, was genau mich derart beeinträchtigt. Deswegen meine eigentliche Frage: Wurde bei euch schon einmal ein LWS-Syndrom diagnostiziert? Wie ging es bei euch weiter und könnt ihr nun wieder schmerzfrei laufen gehen?
Hallo Kygo,
vorab das: Schon als junger Kerl in meinen Zwanzigern hatte ich von Zeit zu Zeit "Probleme", die von der Wirbelsäule ausgingen. Damals begann es in Höhe der Halswirbelsäule und arbeitete sich über die Jahre nach "unten" bis zur LWS und auch die ISG (Illiosakralgelenke) beteiligen sich gelegentlich an der Neckerei. Ich habe also Rücken. Heute, jetzt, gerade wieder, gestern ein akuter "Anfall". Ich schicke das voraus, damit du siehst, dass ich weiß, wovon ich schreibe. Und ich schicke es auch deshalb voraus, weil du dir ansehen solltest, was ich läuferisch trotz (teilweise sogar gerade deswegen) dieser zeitweisen Einschränkungen auf die Reihe bekommen habe und noch immer bekomme. Ich bin Ultraläufer mit derzeit 207 Marathons und Ultras seit 2002. Ich kann also meistens schmerzfrei laufen und du wirst das wahrscheinlich auch wieder können.
So, erst einmal ein bisschen Hoffnungen geweckt. Nun kann ich dich umso befreiter enttäuschen. Du solltest nicht davon ausgehen, dass sich in den nächsten Wochen "rausstellen wird", was dir diese Rückenschmerzen verursacht. Danach forschte und forscht man bei mir ohne sicheren Befund. Es gibt Anhaltspunkte, wahrscheinliche Ursachen, die z.B. anlässlich bildgebender Verfahren wie Röntgen und MRT festgestellt wurden. Doch niemand kann sicher sagen, das kommt davon oder davon. Darüber hinaus - hier las ich gerade einen Artikel in der "Leistungslust" (Fachzeitschrift für Sport- und Fitnesstrainer Ausgabe02/2016) - geht die Forschung inzwischen davon aus, dass Rückenschmerzen, wie auch Beschwerden, die man vom Laufen bekommt, von "Ungleichgewichten" im muskulären Entwicklungszustand ausgelöst werden können.
Noch vor ein paar Jahren hatte ich immer wieder und recht häufig Rückfälle zu beklagen. Gottlob war es immer so, dass ich es nur irgendwie in die Laufschuhe schaffen und die ersten qualvollen Minuten überwinden musste, dann schwanden die Schmerzen, oft bis unter die Wahrnehmungsgrenze. Ich habe seinerzeit einen renommierten Orthopäden befragt, ob ich mich auf meinen Körper verlassen darf, der ja durch nachlassende Schmerzen signalisiert, dass Laufen mir guttut. Er hat mir das bestätigt. Schmerz wird weniger = richtiges Verhalten. Schmerz wird intensiver = falsches Verhalten - jedenfalls grundsätzlich.
Ich ließ natürlich alle möglichen Behandlungen über mich ergehen, Massagen, manuelle Therapie, Krankengymnastik am Gerät und gehe regelmäßig (ganzjährig mindestens einmal pro Woche) in die Sauna. Was letztlich durchgreifenden Erfolg hatte, war die Krankengymnastik am Gerät, man könnte auch sagen: Krafttraining. Seit vielen Jahren marschiere ich nun schon ein- bis zweimal pro Woche in den Kraftraum, mache meine Übungen und dehne mich abschließend. Im Ursprung wurden mir die Übungen von Therapeuten verordnet. Einige davon mache ich heute noch, ergänzt um solche, die ich als Ultraläufer für einen stabilen Laufapparat brauche. Monatelang bin ich auf diese Weise ohne nennenswerte Rückenschmerzen geblieben. Ich kann mich zum Beispiel nicht mehr daran erinnern, wann ich zuletzt so gebeutelt wurde wie gerade jetzt. Zwei Jahre bestimmt.
Es ist natürlich nicht so, dass meine LWS-Geschichte auf andere Läufer 1:1 übertragbar ist. Womöglich schaffst du nun Abhilfe und hast dauerhaft Ruhe. Bei mir ist die Wirbelsäule nun einmal der Quell für viele Schwierigkeiten. Ich habe meinem Sportarzt mal in den Mund gelegt, dass ich wahrscheinlich weniger Probleme hätte, wenn ich nicht so umfänglich und hart trainieren und wettkämpfen würde. Da hat er mir widersprochen und lapidar festgestellt, dass ich wahrscheinlich härter gebeutelt würde, wenn ich nicht so viel laufen würde, weil das letztlich auch stabilisierende Wirkung auf die Muskulatur rund um die Wirbelsäule hat. Nachdem ich mehrfach erlebte, dass nach jedem "Anfall" doch wieder gute Leistungen möglich waren, überfällt mich auch keine Panik mehr, wenn ich wieder einmal "Rücken habe". Ich kämpfe mich dann eben wieder frei, was in der Regel einige Wochen dauert, bis es völlig überwunden ist.
Ich hoffe, ich konnte dir die Problematik "ich habe Rücken" ein wenig verdeutlichen, aus der Warte von einem, der gelernt hat damit zu leben. Ebenso hoffe ich, ich konnte dir ein wenig Mut machen.
Alles Gute
Gruß Udo