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von LaufSteff
Hier ist ja ganz schön Dampf auf dem Kessel.
Und das alles nur, weil Deutschland bei der WM in Budapest bei den Medaillen leer ausging ?
Oder doch eher, weil der Wunsch nach einer strikten Trennung zwischen Sport und Politik schon per definitionem ein frommer bleiben muss ?
Man kann doch schon hier anschaulich verfolgen, dass diese Trennung schwierig ist, da der Mensch eben durch und durch ein Zoon politikon ist.
Auch wenn die sportwaschenden arabischen Staaten und ihre Nutznießer ironischerweise behaupten, dass man Sport und Politik trennen sollte, ist das in der Praxis gerade bei Großereignissen kaum möglich.
Gut, hier is' Forum, da is' uffe Platz und man kann natürlich argumentieren, dass nur das Drumherum politisch ist, aber die Sportler in ihren Wettkämpfen davon nicht direkt betroffen sind,
aber auch der Wunsch, dass der Sport Brücken baut, niemanden ausschließt, eine Stätte der Begegnung, vielleicht der Annäherung und des Austausch sein kann, ist ein politischer.
Die Frage, bei Eurosport so ähnlich gehört, ob wir weniger auf den DLV schimpfen und uns alle, als Gesellschaft, vielmehr Gedanken machen sollten, was vielleicht in der Sozialisation unserer Kinder dazu führt, dass wir international in der Leichtathletik so schlecht abschneiden, ist auch politisch.
Die implizite Frage nach der Grenze zwischen Patriotismus und Nationalismus beim Sport und wer wen wo einordnet, ist politisch.
Die Frage danach, wen man aus welchen Gründen von welchen Veranstaltungen ausschließen sollte, ist politisch.
Die Forderung nach Trennung von Sport und Politik ist daher mMn utopisch.
Um dann auch mal noch (sport-)politisch Stellung zu beziehen:
Keine Medaillen, weil die Kinder nur noch am Handy hängen oder von den Eltern mit dem Auto zur Schule gebracht werden ? Dann wäre das also ein vorwiegend deutsches Problem ? Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Nicht, dass ich hier nicht ein großes gesellschaftliches Problem sehen würde, aber als Erklärung, gerade für die aktuelle Lage der LA, scheint es mir weniger geeignet zu sein. Fehlt nur noch, dass das Medaillendesaster 2023 mit Abschaffung der Bundesjugendspiele im gleichen Jahr als Grund angeführt wird.
Nationalistische Tendenzen, weil man, meinetwegen sogar ausschließlich, deutsche Sportler anfeuert ? Wenn man Konkurrenten bspw. als „Kameltreiber“ (P.Moster) verunglimpft, ist das natürlich was anderes, aber ansonsten ist das doch absurd.
Ein Mitfiebern mit den deutschen Athleten kann natürlich ggf. patriotische Gründe haben, bei mir ist es traditionell bedingt. Ist halt mein Team. Ich fiebere aber auch noch mit anderen Nationen, zu denen ich einen besonderen Bezug habe, mit und sonst auch mal gerne mit Sportlern, die mir einfach sympathisch sind. Mein Sohn feuert meistens die mit den blauen Shirts an und meine Tochter die, die so freundlich lächeln.
Knifflig finde ich die Frage nach der möglichen Teilnahme von russischen Sportlern unter neutraler Flagge bei internationalen Sportereignissen. Ich denke, dass man Sportlern, die sich klar vom russischen Angriffskrieg distanzieren und nicht (mehr) von einem russischen Verband gefördert werden, die Teilnahme unter neutraler Flagge ermöglichen sollte. Mir ist klar, dass so eine Distanzierung schwerwiegende Repressalien, nicht nur für den Sportler selbst, sondern auch für Familienangehörige, bedeuten kann und sich manche Sportler dies nicht erlauben können, obwohl sie eigentlich klar gegen den Krieg sind. Natürlich ist diese Sippenhaft nicht gerecht und die Relativierung mit dem großen Leid der Ukrainer, lässt sich von jemandem, der nicht in der Lage ist, auf das, was ihm im Leben vielleicht am wichtigsten ist, verzichten zu müssen, leicht anführen.
Wenn sich russische Sportler unter neutraler Flagge aber nicht klar gegen den Krieg aussprechen, wäre mir das Risiko zu hoch, dass sie doch mit einer russischen Flagge und schlimmstenfalls einem Z auf der Brust ihre Ehrenrunde drehen.
Auch der Zwischenfall bei der Fecht-WM zwischen Olha Charlan und Anna Smirnova, bei dem sich die FIE, regeltechnisch zwar wohl korrekt verhalten, sich aber wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert hat, dient mir als weiteres Beispiel dafür, dass es ohne eine klare Verurteilung des Krieges keine Teilnahme für russische Sportler an internationalen Wettkämpfen geben sollte.
Natürlich ist mir bewusst, dass dies ein westlicher Standpunkt ist und man sicher auch bei einigen anderen Nationen in der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft diskutieren kann, ob man sie nicht ausschließen hätte müssen bzw. sollte. Ich halte es zwar für falsch alle anderen derzeit geführten Kriege aufgrund irgendwelcher selbstgewählten Kategorien per se als weniger schlimm einzustufen, aber genauso halte ich die relativierende Argumentationslinie für Whataboutism (England vs. Irland ist hier mein Favorit).
Um abschließend nochmal auf die historische Medaillenausbeute zurückzukommen:
In wenigen Jahren wieder unter die Top 5 scheint derzeit eher illusorisch. Aber wenn die Kinder ab sofort nichts Süßes mehr essen, alleine, am besten barfuß zur Schule gehen, keine soziale Medien mehr nutzen und vor allem kratzige Baumwollshorts ohne Innenslip und ohne Unterhose tragen, dann sollte es eigentlich ein Selbstläufer werden.