freilaufend hat geschrieben:
Ich find deinen Vergleich "Laufstrecke/heilige Stätte" ganz spannend - würde jedoch daraus komplett andere Rückschlüsse ziehen.
Das ist doch mal eine richtig gute Replik, auf die ich gerne antworte, da sie einen Zugang zum Kern der Problematik eröffnet. Ich will dreigeteilt antworten.
Teil 1:
Alles, was du zum Verhalten in der Kirche schreibst, kann ich uneingeschränkt unterschreiben. So mache ich es auch, obwohl ich schon vor vielen Jahren aus der Kirche ausgetreten bin und seither mein Dasein als Heide friste. Der Respekt anderen gegenüber gebietet es.
Teil 2:
Ich gehe gerne in die Kneipe. Angenommen, diese Stätte hätte für mich eine ganz besondere Bedeutung. Angenommen, ich würde daher nur im Anzug und mit Krawatte diese mir wichtige Stätte betreten. Käme ich dann auf die Idee zu meinen, alle anderen müssten es mir gleich tun? Nein, mitnichten!
Teil 3:
Warum nicht? Nun, es wäre MIR wichtig, aber es gibt keinen gesellschaftlichen Konsens, das so zu handhaben, wie ich es mir ausdächte und wie es für mich eine Bedeutung hätte. Daher kann jeder in die Kneipe kommen, wie er es will. Juckt keinen! Genauso verhält es sich aber beim Laufwettkampf. Ich tummle mich seit mehr als 20 Jahren auf Wettkämpfen herum. Etliche kennen mich und ich kenne sie - vom Sehen her oder weil ich mit manchen auch das eine oder andere Wort wechsle.
Gibt es einen Konsens über Dinge, die man macht oder nicht macht? Die gibt es durchaus:
"Man" verlässt nicht die Laufstrecke, um abzukürzen.
"Man" stellt sich als Schnecke nicht ganz vorne hin und behindert andere.
"Man" fightet im Wettkampf wie wild und gibt dem Konkurrenten im Ziel die Hand.
"Man" sagt anerkennde Worte, wenn einer einen von hinten kommend locker überholt. Undsoweiter.
"Man" regt sich über zu lange Zeit bis zur Siegerehrung auf.
"Man" ärgert sich über schlechte Ausschilderung, kaltes Wasser beim Duschen und diverses mehr.
Dass jemand sich über Auslaufen auf der Wettkampfstrecke auslässt, dass Laufen mit Verkleidung angeprangert wird, das erleb ich hier in diesem Faden zum ersten Mal. Das ist nicht die Gedankenwelt der mehr oder weniger ambitionierten Hobbyläufer. Den gesellschaftlichen Konsens wie beim Kirchenbesuch, den gibt es hier nicht. Das ist DEIN Verständnis eines Wettkampfes und meinetwegen einiger anderer, die hier schreiben. Daher gibt es auch keine Notwendigkeit, sich wie beim Kirchenbesuch zu verhalten.
Das Gros der Läufer, die ich persönlich im Wettkampf erlebe, will den Wettkampf laufen, den auch mit Freude genießen (das schließt Anstrengung ohne weiteres ein), anschließend was essen, was trinken (gerne auch "richtiges" Bier). Für diese Läufer ist der Wettkampf Herausforderung, aber kein Religionsersatz.
Bernd
Das
Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf
www.sgnh.de