Man muss immer ein wenig vorsichtig sein mit den aktuellen Erkenntnissen. Das Beispiel mit dem "bösen Buben Laktat" sollte uns lernen, der Wissenschaft auch zu misstrauen. Wir wissen längst nicht alles über unseren Stoffwechsel.
Das best practice Argument spricht imo allgemein gegen die reguläre KH-Gabe im Training. Die meisten schnellen Kenianer nehmen afaik im Training im Normalfall auch nur Wasser. Die Läufer aus der alten (schnelleren) deutschen Generation, die ich persönlich kenne, schwörten teilweise eher auf deftiges Essen am Vortag als auf Gels.
Es ist einfach ein Unterschied, ob man die Szene vor den letzten Kommerzialisierungswellen kennen gelernt hat oder nicht. Ich denke, wenn man dabei war, hat man eine ganz andere Grundskepsis. Deswegen reagiere ich da vielleicht auch anders als viele, die die Laufszene erst später kennen gelernt haben.
runningdodo hat geschrieben:
Mit Gueng-Logik könnte man auch sagen: Die Laufschuhhersteller machen Millionen, also ist das Unsinn.
Das ist ja mal ein ganz schwaches Argument.
Die Laufschuhhersteller machen mit Unsinn genauso Geld wie mit sinnvollen Features. Wobei sich da in den letzten 30 Jahren sehr lange sehr wenig Fortschritt gezeigt hat (fast alle wirklich entscheidenden Veränderungen am üblichen Laufschuh sind länger als 30 Jahre her), aber das ist ein anderes Thema. Heute bringt man Läufer dazu, sich zusätzlich „Barfußschuhe“ zu kaufen.

(Das best practice argument spricht übrigens für Laufschuhe, wobei es wohl extrem viele mögliche Bauweisen gibt, die einen relativ großen Läuferkreis zufrieden stellen können).
Es geht darum, inwiefern Argumente durch Geschäftsinteressen, die dahinter stehen an Wert verlieren. Es geht um die klassische Frage: Cui bono?
Die LäuferInnen sind hier im Schnitt schnellere Zeiten gelaufen, als die Auswahl an Gels und Sportgetränken erheblich kleiner war, Laufgels gab es vor 25-30 Jahren glaube kaum, habe ich in den 80ern jeweils nix von mitbekommen. Dringend notwendig scheinen diese also kaum zu sein.
Es geht darum, gut aufzupassen, woher die Argumente für die Nahrungsaufnahme in Training und WK kommen. Es gab sogar kürzlich eine Fernsehwerbung von einer bekannten Saftfirma, da wurden Jogger mit den entsprechenden Flasche gezeigt, die sahen aus, als wären sie gerade 3km unterwegs, mussten dann aber das Spezialgetränk trinken, um einen kleinen Anstieg zu schaffen oder so ähnlich

. Die Zielgruppe sind ja nicht nur Läufer, die sehr lange Läufe machen.
Auch Kinder müssen heute schon direkt nach dem Einlaufen was trinken. Aber müssen sie das wirklich? Trinken sie beim Spielen draußen auch so häufig?
Im Bereich der Sportgetränke habe ich jetzt nicht so viel gegraben, habe mich da teilweise auf Argumente von Noakes verlassen, der die Sportgetränkeindustrie relativ deutlich angegangen hat.
Und das die Nahrungsmittelindustrie bzgl. schlechter und irreführender Argumente und seltsamer Geschäftspraktiken erst einmal kaum unverdächtig sein dürfte, sollte nicht erst seit dem Pferdefleischskandal jedem klar sein.
Bei Hottenrott und Neumann z. B,. sehe ich nicht die nötige Distanz zu Polar. Ein Artikel von Hottenrott wurde sogar in einem Polar Werbeblättchen abgedruckt. Die Argumente von diesen Leuten zu pulsgesteuertem Training sind für mich wertlos – anderes was sie geschrieben haben nicht.
Genauso verteidigt eine gewisse Gruppe von Leuten eben das Schwellenmodell, weil das für sie eben wichtig ist, entweder direkt wirtschaftlich gesehen oder eben, weil ihre Forschung dieses Modell für Ausdauermessungen benutzt (hat).
Auch wenn man durchaus den alten Amateurzeiten hinterhertrauern darf, wenn man das möchte, so tue ich das nicht,. Ich habe kein Problem damit, dass im Laufsport viel Geld verdient wird. Aber es kommt schon darauf an, wie und womit: Wenn Ängste geschürt werden, um Geld zu machen, halte ich das in vielen Bereichen für fragwürdig (klar, einige Brachen müssen davon leben, im Sport ginge es aber auch ohne solche Praktiken.) Wenn völlig offensichtlich ist, dass eine angeblich gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis dazu dienen kann, Produkte zu verkaufen, die vorher lange Zeit niemand brauchte, ist Skepsis angebracht.
Gerade in der Medizin und in der Sportwissenschaft gibt es immer wieder eher kurzlebige "wissenschaftliche Wahrheiten" ... in Punkte Trinken haben ja die meisten seriösen Ratgeber nach den Extremen zurückgerudert, wir werden sehen, wie sich das mit der Nahrung entwickeln wird.
Gruß
C