so, nun endlich mal Teil 2 zu dem hier:
Tvaellen hat geschrieben:Mein Rennbericht nun auch: nach einem sehr schönen Samstag mit Hamburg Sightseeing (längere Strecke zur Beinschonung aber mit U-Bahn bzw. Schiff), begann der Morgen früh. Ich hatte gut geschlafen, was ich fast für ein schlechtes Zeichen hielt (keine Grundspannung?).
....
Ein festes Ziel hatte ich mir nicht definiert, eher einen Korridor. Traumzeit war 3:09, 3:10 und etwas mehr war sehr gut, ab 3:14-3:15 ging es dann so in den guten Bereich hinein, das zufriedenstellend endete so bei 3:19.59. Als Parameterzeit hatte ich nur die 1:31:30 vom Halbmarathon im März. (Fortsetzung folgt)
Ich stand ganz hinten im Block B und rollte entspannt los. Mein Gefühl in den letzten 2-3 Wochen war nicht gut, das geplante MRT von ca 4.35 kam mir hart vor, zu hart für 42.2 km. Entsprechend überrascht war ich, dass mein "Wohlfühltempo" auf den ersten km von St Pauli nach Altona irgendwo zwischen 4.25 und 4:30 lag. Hatte das Tapering doch noch einen kleinen Schub gegeben?
Ich traute erst mal nicht, sondern bremste mich bewußt auf die geplante Pace von 4:35. Dank der Race Pace Funktion meiner Uhr konnte ich immer sehen, wie ich im Verhältnis auf die Gesamtzeit lag und die Anzeige der Uhr war das ganze Rennen über im Minusbereich, sprich ich war schneller als geplant.
Bei Altona war ich trotz Bremsen schon fast auf eine Minute darunter.
Zwischenzeitlich hatte mich einer der 3:00 h Ballonläufer überholt. Farhad war bei diesem nicht dabei, die anderen hatte ich nur kurz vor dem Start gesehen, da war ich mir nicht sicher. Sicher war ich mir aber ganz schnell, dass das mit diesem Tempo des Ballonläufers für mich keinen Sinn ergibt. Spätestens unten am Hafen wäre ich "explodiert", da wusste ich, dass eine Endzeit im Bereich 3.00-3.05 heute illusorisch ist.
Und dennoch: ich war schneller als geplant, unten am Hafen war die zweite Minute herausgelaufen und auch danach lag ich zwar nur geringfügig, aber stetig unter den geplanten 4:35, ohne dass ich mich sonderlich anstrengen musste. Ich erinnerte mich an die Beschreibung des comfortly hard Tempos von Daniels und dachte "genau so fühlst du dich jetzt". Es ist schon hart, das Tempo, aber es ist noch angenehm, das kannst du lange laufen Dass Daniels damit das Schwellentempo meint und nicht das (langsamere) MRT, unterschlagen wir jetzt mal. Der Puls lag jedenfalls 5-7 Schläge unter der Schwelle, zu schnell konnte das eigentlich nicht sein. Bei km 14 war das erste Drittel geschafft, Zeit 1:03, mmmhhh, das mal drei, ist die sub 3.10 doch drin?
Bei der Halbmarathonmarkierung lag ich bei 1.35, auch das noch voll im Traumkorridor, ein geringfügiger Negativsplit wie letztes Jahr in HH, da war ich in der 2. Hälfte fast 2 min schneller, und es wird ein perfect day.
Um den km 20 herum war dann auch die dritte Minute bei der Race Pace Anzeige heraus gelaufen, okay es fehlt nur noch eine, das wäre doch gelacht. Keine Änderung der Renntaktik, du läufst weiterhin deine 4:30 und alles wird gut. Jetzt kamen auch die ersten Schnellstarter zurück, u.a. eine hübsche Frau vom Asics Frontrunner Team, die schon entlang der Elbchaussee bis zur Binnenalster mit mir lief, dann davonzog und nun aber langsamer wurde. Mit ihr und einer 4er Gruppe aus "Hesse" mit großen Gesprächsbedarf (ich habe nur zugehört, bei Wettkämpfen habe ich keine Luft für sowas und eigentlich auch keine Lust)
lief ich von km 25 bis 30. Dann war auch die vierte Minute herausgelaufen, die Race Pace Anzeige pendelte zwischen 4.15 und 4.30 Vorsprung auf die geplanten 3:14. Passt das?
Es passte nicht.
Mein Motor wäre zwar in dem Tempo weiter gelaufen, aber das Fahrwerk war am Limit. Erste krampfartige Zuckungen in den Waden begannen etwa bei km 33 und wurden dann von km zu km schlimmer. Mal zuckte es links, dann rechts, dann wieder links, heftiger wurde es dann ab der Verpflegung bei km 37. Spätestens da war mir klar: das Tempo hältst du nicht bis ins Ziel, irgendwann explodieren dir die Waden. Laufzeit, Pace, Herzfrequenz interessierte jetzt nicht mehr, jetzt musste ich nach Gefühl laufen. Gefühlt 10% Tempo nahm ich raus, aber es half nicht viel, die Krampfansätze gingen nicht weg.
Direkt beim Überlaufen der 40 km Schwelle tat es dann plötzlich einen Schlag. Mein linker Wadenmuskel war fest.
Ich dachte mir, das war es jetzt, den Rest kannst Du wandern oder kriechen.
Ich nahm massiv das Tempo raus und versuchte ganz locker mit dkf Schritten ;) weiter zu traben. Sieh an: es wurde wieder besser, nicht viel, aber besser. Bei km 41 hatte sich das Ding da unten so weit erholt, dass ich dachte, okay Endspurt.
Die Quittung kam auf dem Fuss, bingo, wieder Wade fest, okay Mittelding beim Tempo, geht das? Die Schmerzsituation erinnerte mich an den Behandlungsstuhl beim Zahnarzt ohne Betäubung, aber 1 km lang hält man das noch durch.
Der letzte km hatte als besondere Nettigkeit einen leichten Anstieg (normalerweise hätte ich die 0.5% Steigung vermutlich nicht gespürt, aber mit Krampf und 41 km in den Beinen kam sie mir vor wie die letzten km vom Grossen Inselsberg) sowie heftiger Gegenwind. Dennoch kam das Ziel immer näher, der rote Teppich war erreicht, 3 m vor mir war noch einer, den habe ich im Schlussspurt sogar noch kassiert und Finish!!
Plötzlich kommen irgendwelche Kameras auf mich zugerollt und ich denke mir: "oh Gott, was hast Du verbrochen?"
Nein, die Herrschaften wollten nichts von mir, unmittelbar vor mir war der Tagesschau Moderator Thorsten Schröder vom NDR ins Ziel eingelaufen und der "durfte" dann gleich seinen Kollegen ein Interview geben
(Erfurter Freunde haben die Szene im Fernsehen gesehen, ich muss wohl gut zu erkennen sein, habe die Stelle in der Mediathek des NDR allerdings noch nicht gefunden)
der Reporter, der den Moderator interviewte, faselte etwas von superschneller Laufzeit, das ging natürlich jetzt runter wie Öl, denn ich war gerade mal 3 sec hinter ihm im Ziel (Ergänzung: netto war ich sogar 20 sec bzw. 23 Plätze besser als er, weil er vermutlich in der ersten Startreihe bei den Promis stand und nicht wie ich im Block B ganz hinten
)
Von den herausgelaufenen 4 Minuten war am Ende nur noch eine halbe übrig, aber die Wunschzeit war geschafft, die Quali für New York 2017 wäre geschafft (auch wenn es momentan sehr fraglich ist, ob ich dann dort laufe) und ich war sehr zufrieden, obwohl mein Gang aufgrund der Krämpfe mitleiderregend war, das sah ich an den vielen Mitläufern, die mir Trost spendeten.
Was bleibt? Ein tolles Rennen, eine tolle Laufzeit, tolle Freunde hier aus dem Forum, sowie
-last but not least-
das Gefühl, dass mit 51 Jahren das Ende der Fahnenstange noch (lange?) nicht erreicht ist. Ich hatte eine 3.09 am Sonntag im Prinzip drauf. Wenn ich weiter so trainiere (dank an den alten Whiskybrenner in den USA für seine Trainingspläne) und meine Laufmuskulatur noch ein bisschen stabiler wird, ist auch dieser Schritt drin.
Darauf einen Jack Daniels!