Erstmal danke für die Glückwünsche!
Also mittlerweile überwiegt bei mir doch der Stolz über das Erreichte,- so selbstverständlich ist es wirklich nicht, solch einen extrem langen Kanten überhaupt finishen zu können. Und meine Wunsch-Vorstellung von wegen 6:30h-Zielzeit war wohl doch zu überambitioniert,- eigentlich hätte ich es mir schon denken können: Der Hermann als letzte Standortbestimmung vor 4 Wochen lag ja auch schon knapp 7 Min. hinter meiner Zeit von vor 2 Jahren (damals ebenfalls 4 Wochen vorm Rennsteig-Ultra).
Nun die wichtigsten Eindrücke und Erlebnisse während dieser mörderischen Grenzerfahrung vom 25.5.:
Rennsteiglauf 2024 (Supermarathon, 73,9km mit 1870 HM zwischen Eisenach und Schmiedefeld):
Bereits am Vortag war ich per Bahn angereist und holte zunächst im Ortskern von Eisenach die Startunterlagen ab.
Startgebühr war mit 85 € zwar wieder etwas angestiegen, aber wie ich finde immer noch sehr angemessen angesichts des riesigen Orga-Aufwands, den die gut 1700 ehrenamtlichen Helfer zu stemmen hatten. Man musste sich aber zusätzlich noch eine Busfahrkarte für die Rückfahrt von Schmiedefeld nach Eisenach kaufen (15 €).
Auf dem Marktplatz fand abends im Festzelt die traditionelle "Kloßparty" statt. Ich schaute auch noch hinein und machte Bilder,- Stimmung war super, aber auf das Kloßgericht verzichtete ich diesmal, da ich bereits gegen 18.00h meine selbstgemachte grosse Portion Polenta verspeiste. In der Hinsicht bin ich ein Gewohnheitstier.
Zeitig ging es zum 3km entfernten Hotel zurück. Ich fand noch knapp 4 Std. Schlaf und begann bereits gegen 3:30 auf dem Zimmer mit einem leichten Frühstück (zuvor besorgt) in Form von 3 kl. Nuss-Nougat-Hörnchen, die ich zusätzlich noch mit Honig anreicherte. Das Hotel bot zwar auch Frühstück an,- aber erst ab 4:30h,- das wäre zu spät gewesen, da bereits 6:00h Start war. Vor 2 Jahren hatte mir das nicht so gut getan und ich musste dann nach 8km Laufen prompt noch ins Gebüsch ...
Ich traf dann bereits um 5:10h am Startort (Marktplatz) ein und konnte mich so noch in Ruhe warmlaufen. Beine fühlten sich recht gut an und ich war (relativ) gut erholt durch das Tapering. Das Training davor in den gut 16 Wochen war recht umfangreich (Peak-Woche 150km,- aber die meisten Wochen lagen zwischen 90 und max. 135 WKM). Meist 6 Einheiten/Woche.
Die langen Bergläufe im Teuto gingen bis zu 46km, und 4mal war ich zwischen 4 und 4:30h Stunden dort unterwegs,- das war auch Mindest-Voraussetzung (Plan grob nach Andreas Butz, Laufcampus). Wichtig war, die LaLas mit starker Vorermüdung zu laufen.
Im Formbelt hatte ich 5 Gels und einige Datteln dabei,- im Bewusstsein, das die zahlreichen Verpflegungsstellen wieder sehr gut ausgestattet sein würden, denn mein Proviant hätte nicht gereicht für diese Distanz.
Etwas bewölkt und Temperaturen anfangs nur 12 Grad,- sehr angenehm.
Ich reihte mich extra nicht zu weit vorne ins Starterfeld ein, um erst gar nicht in Versuchung zu geraten, mich mitreissen zu lassen und evtl. zu überpacen. Es waren mindestens noch ca. 300 bis 400 Läufer vor mir. Insgesamt 1870 gemeldete Teilnehmer*Innen.
So ging es um Punkt 6:00h auch ganz gemütlich los im normalen DL1-Tempo. Mehr als 75 bis 78% durfte die HF auch nicht hochgehen,- das ist passendes Ultra-Tempo mit genug Puffer nach oben für die spätere Phase.
Nachdem wir durch die Fussgängerzone liefen, ging es erstmal gut 5km bergauf in Richtung Rennsteig und daher war mehr als 6er-Pace ganz normal und passend.
Allmählich überholte ich mehr und mehr Läufer und blieb auf flachen Abschnitten (KM 6 & 7) auch zum ersten mal knapp unter 5er-Pace,- aber das änderte sich schnell, da es wieder länger bergauf ging.
Ab ca. KM 13 passierte dann plötzlich das, womit ich schon immer rechnen musste: Ich bekam plötzlich Nasenbluten! Im Training war mir das schon öfters passiert, aber noch nie in einem WK. Taschentuch hatte ich vorsorglich dabei und presste damit während des Laufens fest auf den Nasenflügel,- aber es dauerte mehr als 3km, bis die Blutung endlich gestillt war. Sehr ärgerlich,- aber einen besonders grossen Paceverlust hatte ich dabei eigentlich nicht.
Weiter überholte ich nun Läufer und meistens lief es nach wie vor bergauf bis hoch zum Inselsberg bei KM 25,5. Hier lag ich bereits unter den ersten 100 und mit 2:21,20h gut 2 Min. unter meiner Zwischenzeit von vor 2 Jahren. Aber das sollte noch nichts heissen.
Bald war ich meist in kleineren Gruppen unterwegs, und mit einem Läufer lieferte ich mir ein ständiges Wechselspiel des Überholens,- irgendwie lief er sehr unrhythmisch und kam doch immer wieder heran und vorbei, wenn ich schon meinte, ihn distanziert zu haben.
Vom Inselsberg lief es dann erst sehr steil bergab zunächst über Treppenstufen,- da musste man extrem konzentriert bleiben.
Die langen Passagen durch den Wald hatten auch so ihre Tücken,- waren zum Teil steinig und einmal lief es sogar über mehr als 1 KM über einen engen Wurzelweg, der seinesgleichen suchte. Wirklich ein unglaublich engmaschiges Netz aus Baumwurzeln, die aus dem Waldboden ragten. Zudem auch manchmal noch grössere Pfützen und viele rutschige Stellen mit Sturzgefahr.
Ich trank an fast jeder Verpflegungsstelle (Wasser, ISO, Tee, Cola),- zudem auch Bananenstücke verzehrt und später sogar den einzigartigen "Schleim", der in Bechern gereicht wurde. Ein kleines Risiko,- aber mein Magen machte keine Probleme und, was mich gewundert hatte: Ich brauchte während des langen Laufs keine einzige Pinkelpause, obwohl ich so viel getrunken hatte.
Einmal fluchte ich heftig, weil ich mit feuchten Fingern ein Gel nicht auf bekam.
Bis ca. KM 50 lief es noch sehr ordentlich und ich lag auf Kurs zumindest unter 6:45h; aber dann wurde es doch zunehmend zäher und ich spürte, das jetzt die schwerste Phase naht. Die Beine begannen stärker zu schmerzen; rein muskulär wurde es nun so richtig heikel. Aber fast schon normal bei einem so fordernden Ultra.
Bei KM 54 am "Grenzadler" gab es die Option, vorzeitig auszusteigen, aber das kam nicht in Frage. Jetzt war das Motto nur noch durchzuhalten und kämpfen. Ich lag hier nun schon über 2 Min. über meiner Zwischenzeit von vor 2 Jahren und ich ahnte, dass es jetzt nicht besser werden und der Rückstand sich vergrössern würde.
Ich lief mühsam hinauf mit Gehphase (aber da war ich hier nicht der Einzige!) zum höchsten Punkt der Strecke, dem "Großen Beerberg" bei KM 60. Aber es sollten danach noch weitere schwierige Phasen folgen und ich sehnte jeden KM herbei.
An der "Schmücke" bei KM 65 lag ich bereits über 8 Min. zurück und PB war nun völlig ausser Reichweite geraten.
Bei einer Verpflegungsstelle nahm ich auch angebotenes Salz zu mir, um Wadenkrämpfen vorzubeugen (natürlich mit Trinken). Von Krämpfen blieb ich zum Glück denn auch verschont und kam auch sturzfrei durch. Nur ab und zu mal leichte Seitenstiche.
Nach einer Bergab-Passage kurz vor KM 70 setzte es dann auch noch einen üblen längeren Anstieg und das Ziel wollte und wollte einfach nicht kommen, obwohl man in der Ferne vom Kamm herunter schon Schmiedefeld erkennen konnte.
Ich überholte nun viele Wanderer, die uns oft anfeuerten und applaudierten: Das brachte doch nochmal Motivation und ich dachte Sachen wie: "Jetzt muss ich irgendwie noch die autonome Reserve aktivieren ..." Denn ich war am absoluten Anschlag und kämpfte fast schon verzweifelt gegen den Einbruch. Die Strapazen musste man mir von aussen sicher mehr als deutlich anmerken. Aber laufen konnte ich immerhin noch,- als es wieder etwas abschüssiger wurde, sogar noch 1km knapp unter 5er-Pace. (von den gesamten knapp 74km lagen immerhin 17km-Splits mit einer 4 vorne (schnellster KM 4:15). Bei den ganz harten Anstiegen auch 3mal eine 7 u. einmal eine 8 vorne (am Beerberg).
Und endlich erreichte ich dann den langen Zielkanal, wo schon Volksfest-Stimmung herrschte. Ich schaute aber schon länger nicht mehr auf die Uhr und staunte nicht schlecht, wie knapp ich dann nur unter der 7Std.-Marke geblieben war (6:59,32h netto).
Gut, immerhin,- aber eine etwas schnellere Zeit hätte ich mir doch gewünscht. Da sah man mal wieder, wie schwer ein solch langer Kanten zu berechnen ist und man mit allem rechnen muss.
Ich konnte mich auch erst gar nicht freuen, so dermassen platt und entkräftet war ich,- irgendwie kam mir das noch härter vor als wie vor 2 Jahren bei der ersten Teilnahme.
Erst nach reichlich Auftanken, Umziehen und ständig mit unfassbar schmerzenden, steifen Beinen umher gehen kam dann doch so etwas wie Stolz auf und die Erleichterung, es überhaupt gepackt zu haben.
Also das bekannte "Warum tut man sich das eigentlich an?" verflog dann auch wieder (etwas).
In der Festhalle war dann noch super Party-Stimmung und ich verfolgte auch noch die Sieger-und AK-Ehrungen auf der grossen Festwiese.
Dann fuhren wir mit dem Shuttle-Bus die gut 95 Min. zurück nach Eisenach ...
Ergebnis: Gesamtplatz 68; AK-Platz 6 (von 193 der M-55)
Übrigens reichte für Platz 1 in der AK 60 eine 7:14h,- in diese AK komme ich bald ...
Aber ich glaube, einen Ultralauf werde ich mir nur alle 2 Jahre antun,- allein das Training dafür ist doch extrem aufwendig und geht auch unweigerlich etwas auf Kosten der reinen Grundschnelligkeit. Und rein orthopädisch ist es ohnehin grenzwertig.
Am Folgetag machte ich dann mit heftigem Muskelkater noch eine lange (aber zwangsläufig sehr langsame!) Wanderung durch den famosen Thüringer Wald; durchschritt u.a. die Drachenschlucht und besuchte die berühmte Wartburg, ehe es am nächsten Tag per Bahn zurück gen Heimat ging.