Nabend
Eins vorweg: Nein, Martin, das Thema hier hat mit mir nix zu tun. Mir ist ein Umstand aufgefallen und den versuche ich einzusortieren. Da er mir an diesem Tag besonders krass aufgefallen ist, habe ich hier mal ein Thema aufgemacht. Ich mache mir viele Gedanken über Motivation und Trainingslehre - und da passt das genau rein, fand ich.
Ich habe jetzt erst mal einen Tag beobachtet was so an Reaktionen und Ideen kommt und finde das gar nicht so schlecht bisher. Es scheint ja irgendwo eine Idee oder zumindest Interesse am Thema zu geben. Das Bild war natürlich ne halbe Provokation, aber es hat gewirkt. Denn so manch einer hat ja geschrieben "Falsch, aber...". Zugegeben, es könnten auch zwei Themen sein, aber irgendwie halte ich die beiden für zwei Gesichter des selben Phänomens.
Ich kann verstehen, dass Ausrüstung ein nettes Gimmick ist, das einen auch motivieren kann. Ich habe mir vor Jahren ein schönes Rad gekauft, damit ich Spaß habe drauf zu steigen. Funktioniert, ich steige öfter drauf. Für mich ist "Ausrüstung" aber noch etwas mehr:
Zum Einen ist es mit der Prüfungsphase bei Studenten zu vergleichen: sie waschen Gardinen und bügeln Socken. Das eigentliche Thema wird ausgeblendet bzw. ein anderes für wichtig(er) erlogen. Also nicht mal wem anders erlogen, sondern sich selbst zwischen Bauch und Kopf.
Zum Anderen ist auch ein wenig das Showbusiness in den Sport eingezogen. Man muss kein Sportler sein oder Leistung bringen - es reicht fast sich wie einer zu kleiden oder so auszusehen. Deshalb haben z.B. Fitness-Studios auch mehr Zulauf als Sportvereine.
Zwei Freunde von mir habe einen Outdoor-Sport-Laden. Die sagen: "An Sportlern verdienen wir nix. Weder an einer Grönland-Durchquerung, noch an einem guten Kletterer, noch an einem guten Läufer." Die verdienen eher an Lehrern und Menschen, die sich mit Sport-Flair eindecken wollen. Wenn man das ganze umkehrt könnte man auch zu folgender Überlegung gelangen: "Je mehr Schnick-Schnack jemand besitzt, desto weniger kann er damit wirklich anfangen bzw. desto weniger beschäftigt ihn das eigentliche Thema." Ausrüstung ist also mit steigender Menge eher Fanartikel als Ausrüstung.
Das könnte auch mit der Medientauglichkeit von Triathlon und Radsport zusammenhängen. Also dass jene Tauglichkeit dort her kommt. Einmal, weil man mehr potentielle Werbepartner hat und somit die Werbeetats in die Höhe gehen und außerdem, weil man Produkte einfach besser vermarkten kann als Leistungen. Da kann man als Zuschauer mehr Fachsimpeln und es kommt mir fast wie Fußball oder Politik vor, wenn ich Produktsportler über ihre Ausrüstung reden höre. Funktioniert - da stecken ja auch Emotionen drin und mit Emotionen macht man Geld. Wobei ich "Produktsportler" nicht abwertend meine.
Zu "früher und heute" kann ich leider nix sagen, obwohl ich das auch interessant finde.
Aber zu "hier und dort" habe ich eine kleine Geschichte: ich hatte 2004 (?) mit einem Freund eine Wette laufen, wer den schnelleren Marathon läuft. Er hat mich damals immer mit zu Läufen genommen und war so was wie mein großer Laufbruder. Er war im Februar eine gute Zeit gelaufen und ich wollte die im Herbst in Köln unterbieten. Habe ich aber nicht geschafft und musste somit noch meine letzte Chance im Jahr nutzen: Reggio Emilia in Italien. Hat auch nicht geklappt (um 3 Minuten) und ich schulde ihm noch immer eine Pizza. Jetzt kommts: aber(!). In Köln war ich mit 3:05 unter den ersten 1,6% der Läufer. In Reggio Emilia war ich mit 3:01 unter den ersten 15%. Die Italiener waren viel schneller unterwegs als die Deutschen. Das beschäftigt mich bis heute. Hat zwar nix mit Ausrüstung zu tun, aber finde ich trotzdem interessant. Sind nun die Italiener schnell? Sind die Deutschen lahm? Lag es daran, dass Köln eine Massenveranstaltung ist und Reggio Emilia nicht?
Den Aspekt mit dem Übergewicht finde ich auch interessant. Gab es denn "früher" weniger Übergewicht? Oder heute in Norditalien? Das würde zwar nicht das Phänomen mit der Ausrüstung erklären, aber zumindest die Tempo-Frage. Oder ist die Sportartikel-Industrie nur auf den Abnehm-Zug aufgesprungen und hat nun nach x Jahren Gehirnwäsche erste große Marketing-Erfolge?
Meine Vermutung ist, dass sich Menschen eher mit Dingen als mit sich selbst beschäftigen. Das macht sie z.B. weniger angreifbar und nimmt sie ein Stück weit aus der Eigenverantwortung. "War das nicht ein bisschen viel, Herr Müller?" - "Warum denn? Ich habe die OwnZone meiner 200-Euro Uhr so und so eingestellt." - "Und ihr Holzbein?" - "Aber die Uhr hat nicht gepiept!"
Hat denn irgendwer ähnliche Erfahrungen oder Vergleiche mit anderen Zeiten / Ländern vorliegen?
Grüße,
Guido
Am 22. April 2017 in Wuppertal
Zuckerspiel (10/21)
Am 6. Mai 2017 zwischen Wupper und Ruhr
WHEW100 Ultramarathon (100km + Staffeln, 10km, 5km)