Hier ist der letzte Teil unseres Irontrail-Trainings (etwas in nicht-chronologischer Reihenfolge - sorry dafür):
Dienstag, 5. 6.
Lenzerheide Höhe 1.476) – Rothorn (Höhe 2.861) und zurück
Ca. 1.350 HM, ca. 15,5 km
Morgens ist es leicht nieselig bei kuscheligen ca. 5°, die Wettervorhersage versprach maximal 12°. Nebel all-überall.
Der Plan heute ist es so weit auf’s Rothorn hochzulaufen wie nur irgend möglich. Vielleicht sogar darüber?
Gegen 8 Uhr geht's los, anfänglich noch etwas verzögert durch meine Unentschlossenheit in Sachen Bekleidung. Ich erspar euch die Details, aber letztlich habe ich auf ein dünnes Unterhemd von „Fuse“, eine Salomon Softshell-Jacke mit Kapuze und eine dünne Montane Regenjacke und leichte Handschuhe „umgerüstet“ und eine ¾ -Hose sowie SpeedCross 3 mit maximalen Stollen angezogen.
Die Anderen sind ähnlich warm ausgerüstet – und zu Recht. Es ist anfangs ganz schön „frisch“, die ersten ca. 500HM "kurieren" das aber zügig

. Es geht anspruchsvoll steil aber nicht wirklich technisch auf teils rutschigen Pfaden sehr schön durch Wald und einige Wiesen nach oben, gelegentlich kreuzt man auf dem Trail „Waldautobahnen“.
Der Trail ist mit weiß-rot-weißen Farben mehr oder weniger sichtbar und in unregelmäßigen Abständen gekennzeichnet. Zusätzlich gibt es gelegentlich Hinweisschilder. Wir laufen nicht immer alle 4 zusammen, je nach Gesprächslage und körperlicher Befindlichkeit ergibt sich schon mal, dass man alleine außer Sichtweite der Anderen oder in einer Zweiergruppe unterwegs ist. Sollte man nicht machen, wenn ICH dabei bin. Mein mangelnder Orientierungssinn ist bekannt

. An einem Wegweiser mit vielen Pfeilen mit vielen Destinationen gehen die weiß-rot-weißen Markierungen nach links, ich auch, Birgit folgt mir, und etwas weiter hinten laufen die beiden anderen nach rechts. Der kleine Faux-pas meinerseits führt dazu, dass wir beide so ca. 1 km in die falsche Richtung laufen, warten ob die Anderen nachkommen, ein bisschen telefonieren – und dann zurücklaufen. Zum Glück war an dieser Stelle fast alles flach, aber Eric und Mayke mussten leider etwas auf uns warten. Sorry guys. Sie haben sich allerdings eine sehr schöne Stelle an einem Wasserfall ausgesucht ;D.
Wie entsteht ein Wasserfall?
Richtig – wegen einem Bach (Ich weiß – der Genitiv ist dem Dativ sein Tod

). In diesem Fall wegen einem recht zügig dahin fließenden, nicht allzu schmalen Bach, den wir schon eine Weile zu unserer Rechten auf einem recht steilen Abhang entlanglaufen. Der Weg führt immer weiter zum Bach hinunter und es lässt sich nicht vermeiden, dass wir hinüber müssen.
Es gibt eine sehr nette Holzbrücke – die leider in der Mitte V-förmig völlig durchgebrochen und an dieser Stelle auf vielleicht 1,5m von reißendem Wasser überspült ist. Das Gefälle der beiden Brückenteile wäre unproblematisch wenn denn alles trocken wäre. Spritzwasser und die Neigung des Holzes zusammen lassen es aber nicht ratsam erscheinen das Überqueren mit einem Sprung zu versuchen. Rutscht man da aus und fällt ins Wasser wird man unweigerlich weggespült und knallt gegen Felsen. Ganz abgesehen davon, dass das Wasser eisig ist und völlig nass zu sein in der Höhe und bei leichtem Wind sogar bei sofortigem Zurücklaufen zum Start sehr haarig sein würde. Hier kommen wir also nicht hinüber.
Wir erkunden auf und ab welche Stelle für die Überquerung wohl am Besten geeignet wäre und entscheiden uns unterschiedlich.
Ich gehe etwa 30 m von einem angeschwemmten und verkeilten Baum bergauf, suche an einer relativ schmalen Stelle Steine die tragfähig aussehen aber leicht überspült sind und platsche zügig hinüber. Ich weiß, dass ich mit nassen Füßen, Socken und Schuhen keine Probleme habe, außer temporär ein leicht eisiges Gefühl

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Die Anderen entscheiden sich auf dem mit Ästen relativ kompakt aussehenden Baum bis knapp über die Mitte zu balancieren und dann mit den Stöcken als Stütze und einem tieferen Schritt auf mehrere Steine hinunter und auf ihnen hinüber zu steigen.
Ganz so leicht begehbar ist der Baumstamm wieder nicht, aber Eric macht das natürlich souverän. Die Mädels gucken skeptisch. Also betätigen Eric und ich uns als Bauingenieure, suchen Steine zusammen und versenken sie im Wasser um einen kleinen Damm zu errichten, der den Weg erleichtern soll. Man würde annehmen, dass es im Gebirge an Steinen nicht gerade mangelt. Nicht unbedingt. Entweder sind sie zu groß um sie zu bewegen, zu klein und versinken oder werden sofort weggespült oder kullern vom Hang an die falsche Stelle. Es dauert also eine Weile bis wir unser statisch fragwürdiges, optisch katastrophales aber funktional ausreichendes Werk beendet haben und die Damen trockenen Fußes übergesetzt haben.

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Ein paar hundert Meter weiter stellt sich lustiger Weise heraus, dass wir wieder auf die andere Seite müssen. Total unproblematisch an dieser Stelle. Theoretisch hätten wir uns also am selben Ufer den Hang entlang kämpfen können. Weil dieser hier aber recht steil und das Geröll rutschig und locker ist wäre das auch nicht leicht und vermutlich nicht schneller gewesen.
Inzwischen haben wir einen fast wolkenlosen Himmel über uns, übermäßig warm ist es trotzdem nicht. Leicht bergauf geht es weiter, sehr schön. Wir kommen an einer Hütte vorbei (natürlich geschlossen).
Längst haben wir die Baumgrenze hinter uns gelassen und es geht über die ersten kleineren Schneefelder. Mehrere kleine Bergseen liegen still und bläulich-grau links und rechts von uns. Man hört das aufgeregte Fiepen von Murmeltieren, deren Spuren wir schon gesehen haben und die sich wegen der unerbetenen Eindringlinge in ihre Welt gegenseitig warnen. Zu sehen sind die Tierchen, bis auf eines welches einmal rasch vor uns weghuscht, nicht.
Das Rothorn ist schräg links über uns – getrennt davon sind wir allerdings von mehreren hundert Höhenmetern und einer inzwischen geschlossenen Schneedecke. Eric und ich stapfen abwechselnd eine „Autobahn“ für die Damen, die erst zögerlich, etwas später leicht unwillig und kurz danach erst Mayke und danach Birgit gar nicht mehr folgen. Eric und ich beschleunigen unsere Schritte aber es ist absehbar, dass wir es nicht zum Pass schaffen werden.
Über uns ist plötzlich ein schnell anschwellendes Heulen und Dröhnen zu vernehmen, das sich rasch zu einem tiefen Grollen entwickelt welches man bis in den Bauch spüren kann. Zwei Northrops der Schweizerischen Luftwaffe kommen im Tiefflug mit Nachbrennern an in einem Höllentempo mit unglaublicher Geräuschentwicklung über den Gebirgszug gefegt, entfernen sich und kommen etwa in 90° Winkel zu ihrer ersten Flugrichtung noch mal zurück. Ein sehr beeindruckendes Schauspiel.
Es wird jetzt deutlich schwerer vorwärts zu kommen. Wir sinken tiefer ein, natürlich ist schon lange kein Weg mehr zu sehen, gemäß Eric’s GPS sind wir aber mehr oder weniger „on track“. Trotzdem entscheiden wir uns, die Markierung des Passes einige hundert Meter vor und über uns sichtbar, dafür umzukehren. Weil die Gruppe auseinander ist hätte es ohnehin nichts genützt bis oben hin zu kommen, außer unsere Neugier zu befriedigen zu erfahren wie es „auf der anderen Seite“ aussieht.
Nur damit sich niemand wegen meines lockeren Ton der Schilderung täuschen läßt sei erwähnt: Für den letzten Kilometer haben wir knapp EINE Stunde gebraucht…..
So drehen wir um, laufen auf Birgit auf die uns fast bis zuletzt tapfer gefolgt ist und lrennen zu Dritt zügig zu der vorhin erwähnten Hütte zurück, wo wir Mayke treffen und wir in der dort doch wärmenden Sonne eine Rast einlegen, Brote und Riegel futtern und dann geht’s ganz unproblematisch zurück nach Lenzerheide wo wir ein sehr leckeres lokales Weißenbier namens „Sonnenbräu“ genießen.
Walter