sonrisa hat geschrieben:Die Grenzen sind meines Wissens nach komplett dicht.
Das hatte ich andeuten wollen.
Dennoch leben in Israel gewiss noch ausreichend Palästinenser (und Israelis), die sich an einem Peace- und Antidiskriminierungs-Run beteiligen könnten.
Das ist völlig richtig und wichtig, und dieses Segment wird ja auch bereits bedient, z.B. durch den Jerusalem-Marathon, und bestimmt gibt es noch mehr Veranstaltungen dieser Art.
Leider ist das kein adäquater Ersatz für einen Wettkampf in den Palästinensergebieten selbst. Minipunk deutete es ja schon an: Was die Menschen dort brauchen, ist ein Kulturprogramm dort, wo sie leben. Eins, an dem sie teilnehmen können, bei dem sie selbst auch mal im Mittelpunkt stehen und bei dem sie vielleicht endlich mal jemand besuchen kommt. Das ist ja auch einer der wichtigsten Gründe dafür, daß es z.B. sowas wie einen Knastmarathon gibt.
meiner Meinung nach sollte man eben so eine konkrete Diskriminierungspolitik wie die im Artikel geschilderte unmittelbar mit einer Gegenaktion beantworten
Da bin ich völlig Deiner Meinung. Gerade die Frauen stehen in der israelisch-palästinensishen Gemengelage ziemlich am unteren Ende der Hierarchie. Daß es da nicht nur die "offiziellen" Konfliktparteien gibt, sondern ein viel komplizierteres Gefüge aus Tätern und Opfern und daß die meisten beides zugleich sind, entgeht normalerweise unserer Aufmerksamkeit. Gerade weil im Gazastreifen die sogenannten Machthaber selbst ziemlich machtlos sind, ist bei ihnen die Versuchung groß, sich auf Kosten der noch Machtloseren kurzlebige Illusionen von Macht zu verschaffen. Und es ist eine Riesensauerei, daß dieses Problem ausgerechnet durch einen solchen Skandal ins allgemeine Bewußtsein rückt (und von dort wahrscheinlich ziemlich bald wieder verschwindet).
Die Frauen hätten diesen Marathon also eigentlich dringend gebraucht, und in der jetzigen Lage wäre ein angemessener Ersatz auch wichtig. Das Problem löst man aber nicht, indem man von der Art der Veranstaltung her denkt und einfach einen Wettkampf woanders anberaumt, an dem auch Frauen teilnehmen dürfen. Man sollte von den Frauen her denken, genauer gesagt: von den betroffenen Frauen her. Leider stellt sich dann sehr schnell heraus, daß es wahrscheinlich keine auch nur halbwegs befriedigende Lösung gibt. Ich jedenfalls bin ratlos.
Das einzige, was mir dazu einfällt ist, daß ja die prekäre Situation der Palästinenser u.a. dazu geführt hat, daß die Religion für viele einen relativ hohen Stellenwert bekommen hat. Wenn die Lebenswelt sonst schon nichts zu bieten hat, womit man sich gern identifizieren mag - das Überirdische geht immer. Deshalb konnte die Hamas ja schließlich im Gazastreifen an die Macht kommen. Es ist ja nicht so, daß ihre Wählerschaft komplett oder auch nur mehrheitlich dem Islamismus zugeneigt ist. Im Fall der Hamas ist natürlich die Haltung gegenüber Israel mindestens ebenso ausschlaggebend für das Wählerverhalten. Aber das lasse ich mal beiseite. Im Fall des Marathons wurde ja schließlich religiös argumentiert, auch wenn ich der Hamas nicht abnehme, daß das der eigentliche Beweggrund war. Trotzdem ließe sich von der Religion her argumentieren und anhand konkreter Beispiele (sogar aus Ländern wie Saudi-Arabien) zeigen, daß Frauensport im Islam eben nicht in der Weise abzulehnen ist, wie die Verantwortlichen von der Hamas das suggerieren. Man müßte also deutlich machen, daß die Hamas es ist, die sich in ein irreführendes Verständnis von Religion verrannt und damit letztlich allen im Gazastreifen geschadet hat. Das läßt sich durchaus auch innerhalb der Denkstrukturen eines konservativen Islams kommunizieren, und das wäre um so wichtiger, als natürlich die Hamas jetzt ihrerseits bemüht sein dürfte, die UN als Buhmann hinzustellen.
Um den diesjährigen Marathon ist es geschehen. Im nächsten Jahr könnte er wieder stattfinden, und zwar unter reger weiblicher Beteiligung. Voraussetzung wäre, daß dort die konservativen Religionsfunktionäre dafür gewonnen werden könnten, klarzustellen, daß gerade fundamentalistische Positionen meist eine Instrumentalisierung der Religion bedeuten und daß es darauf ankäme, sich genau davon zu emanzipieren.