Morchl hat geschrieben:Liebe Leute
bin momentan sehr motiviert und laufe so jeden zweiten Tag (7:20 min/km). Zwar noch nicht ganz durch, aber netto 1 Stunde. Zwischen den Lauftagen versuche ich, so ca. 10-30 km Rad zu fahren (2:50 min/km).
Also jeden Tag Bewgung. Ist das ok? Wie ist das mit der Superkompensation? Wirkt die eh - also werd ich fitter, oder ist das zuviel?
Ich denk mir ich trainier eh unterschiedliche Muskelgruppen und es passt schon.
Hallo Morchl,
lass mich offen sein. In deinen Zeilen steckt so viel Nichtwissen, was die Grundregeln der (Ausdauer-) Trainingslehre angeht, dass es mir schwer fällt irgendwo anzufangen. Es wäre eine Abhandlung von mehreren Seiten nötig, wenn man deine Irrtümer und Defizite wirklich fundiert ausräumen wollte. Ich kann es also nur oberflächlich tun. Wenn du mehr wissen willst, solltest du dir ein entsprechendes Grundlagenbuch zulegen. Also dann los:
Deine Anfrage berührt drei grundlegende Themenbereiche
1. Wie funktioniert Training überhaupt
2. Wie wirkt sich das Radfahren auf das Lauftraining aus (bzw. wie beeinflusst sich beides gegenseitig)
3. Ist die Summe deiner Trainingsaktivitäten auf Dauer orthopädisch verträglich
zu1: Das was du Superkompensation nennst ergibt den Zuwachs von Ausdauer über die gesamte Trainingsdauer von mehreren Wochen. Das funktioniert aber nur, wenn man richtig bzw. sinnvoll trainiert. Dabei gilt es vor allem zu beachten, dass Belastung und Erholung (Trainingseinheit + darauf folgende Pause) zusammen gehören. Ohne ausreichende Erholung (Regeneration) gibt es keine Verbesserung. Denn die Superkompensation ergibt sich bei exakt richtiger Erholungszeit. Was die Belastung, also das eigentliche Training angeht, so müssen dabei ein paar Grundregeln eingehalten werden. Daraus ergibt sich wie lange, wie oft und mit welchen Methoden man trainiert. Alle zwei Tage das ewig Gleiche zu trainieren ist wenig sinnvoll. Insbesondere nicht sinnvoll ist es "netto" eine Stunde zu laufen, die du aber offensichtlich nicht am Stück laufen kannst. Man "darf" grundsätzlich nur so weit laufen, wie man auch laufen kann. Schon davor hört man auf, um sich nicht zu überfordern*. In den folgenden Trainingseinheiten hängt man Stückchen für Stückchen an und steigert sich. Das wäre aber gesondert zu erläutern, führt hier zu weit.
*) Das hat nichts zu tun mit Trainingsplänen, die auf wechselweisem Laufen-Gehen basieren. Bei solchen Trainingsplänen ist die Gesamttrainingsdauer mit 30 min trainigstäglich gleich und man reduziert von Tag zu Tag die Gehpausen. Solche Programme sollen Läufern zum Laufen verhelfen, die extreme Ausdauerdefizite haben, bzw. sonstige Risikofaktoren (hohes Übergewicht).
Es steht außer Frage, dass du "irgendwie" mit deiner Nicht-Methodik auch Ausdauer erwerben wirst. Nur bis wann und wie viel ist fraglich. Darüber hinaus solltest du dir klar machen, dass du dasselbe auch mit deutlich weniger Aufwand erreichen kannst, wenn du systematisch und mit Methodik an die Sache heran gehst. Was du betreibst ist zunächst einfach Verschwendung wertvoller körperlicher Ressourcen.
zu2: Um zu "Pedalieren" benötigst du dieselben Muskelgruppen der Beine wie beim Laufen (wenn auch auf andere Weise). Das alleine ist schon ein Hinweis, dass deine Aussage nicht stimmt. Dazu kommt, dass Grundausdauer von einer Sportart auf die andere übertragbar ist. Somit trainiert man auf dem Rad auch für das Laufen und umgekehrt. Viele Läufer nehmen Radtrainingseinheiten als so genanntes Crosstraining in ihre Trainingspläne auf, weil sie am Radtag ihren Bewegungs- und Halteapparat schonen können. Auf dem Rad fällt die Arbeit weg, die die Muskeln beim Laufen verrichten müssen, um das Gewicht zu tragen. Beim Radfahren fängt der Drahtesel dieses Gewicht ab. Tatsächlich ist es also so, dass du an 7 (!) Tagen in der Woche Ausdauer trainierst.
30 km auf dem Rad entsprechen etwa 10 gelaufenen Kilometern (Rennrad, beim Mountainbike ist das Verhältnis 2:1). Dabei liegt der Puls etwas unter dem beim Laufen (weil - wie oben erläutert - weniger Muskelarbeit anfällt. Das gilt übrigens nur für Freizeitsportler. Ambitionierte Radsportler haben eine extrem dicke Oberschenkelmuskulatur und bringen auf diese Weise gleich viel Muskelmasse in Bewegung wie Läufer). Wie sehr das Radfahren dich belastet, vermag ich natürlich nicht abzuschätzen, ich bin kein Radspezialist und kenne dich nicht. Insgesamt solltest du jedoch davon ausgehen, dass dein Trainingspensum zu hoch ist.
Eine sinnvolle Abschätzung, was geht und was nicht mehr geht, kann ich allerdings nicht vornehmen, weil du nichts dazu schreibst wie lange du schon Rad fährst, läufst bzw. beides zusammen tust. Die Tatsache, dass du die Stunde nicht durchlaufen kannst, zeigt allerdings, dass du nicht sinnvoll trainierst und damit ist auch dein Radpensum sicher überzogen.
zu3: Damit bin ich beim orthopädisch Verträglichen: Der Krug geht so lange zum Brunnen bis er bricht. Und jeder Krug ist anders als andere Krüge. Manche sind dünnwandig, andere könnten sogar auf den Boden fallen - aus nicht zu großer Höhe - und blieben heile. Menschen haben - genetisch bedingt - eine sehr unterschiedliche Robustheit. Was dabei entscheidend ist, ist die Tatsache,
dass wir nicht wissen, wie robust wir sind. Das wissen wir höchstens nachdem wir uns verletzt haben - dann wars mit der Robustheit offensichtlich nicht so weit her - oder nach mehreren Jahren Erfahrung, dann bekommt man ein Gefühl dafür, ob man im Vergleich zu anderen eher mehr oder weniger aushält. Du stehst am Anfang deiner Ausdauerkarriere und kannst das nicht wissen. Das alleine - das Verletzungsrisiko - sollte dich dazu veranlassen, deine Aktivitäten einzuschränken und nach und nach zu steigern.
Ich hoffe ich konnte dir einige Impulse geben. Mehr ist in der hier gebotenen Kürze schlechterdings nicht möglich.
Ich wünsche dir alles Gute
Gruß Udo