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Tempo für langen Lauf: Wettkampftempo oder langsam? - mit Quellen

Tempo für langen Lauf: Wettkampftempo oder langsam? - mit Quellen

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Hallo zusammen,

wenn man hier im Forum liest, wie schnell man die langen Läufe machen soll, scheint sich der allgemeine Tenor auf 60 bis 90 Sekunden langsamer als Wettgampftempo eingependelt zu haben.

Ich habe ein Wenig gesucht, da ich die Begründung nachvollziehen kann, mir das ganze insgesamt aber nicht völlig logisch erscheint.

ich möchte drei Indizien anführen, die mich zu der oberen Frage bewogen haben.

a) MyAsics gibt als Tempo für den langen Lauf 7 - 37 Sekunden/min mehr an als das Wettkampftempo.Das ist deutlich schneller als hier empfohlen.

b) https://www.ph-ludwigsburg.de/fileadmin ... _Teil2.pdf
Hier finden sich die Vorlesungsfolien der Uni Frankfurt/M. Insbesondere von Interesse sind die letzte Folie auf S. 3 und die ersten drei auf Setie 4. Hier werden die Ziele des GA-Trainings aufgeführt. Schwerpunkt liegt auf schnellerer Regeneration und höherer Belastbarkeit bei geringerem Verletzungsrisiko.
Aber auf Seite 5 die vierte Folie findet sich die interessanteste Aussage: "Unterdistanztraining [und dazu dürften 30 km bei einem Marathontraining zählen, Anm. d. Aut.] mit Wettkampfgeschwindigkeit oder schneller".

c) http://www.intro-wolfsburg.de/pdf/grundlagenfehler.pdf
Hier spricht der Autor auch davon, dass die aerobe Kapazität überbewertet wird, da man Kohlenhydrate während des Laufens auffüllen kann, ermüdete Muskeln sich während des Laufens aber nicht wieder erhohlen können.

Ich persönlich finde die Argumentation für eine höhere Geschwindigkeit insgesamt sehr schlüssig.

Deswegen meine Frage:

Kennt Ihr andere Quellen, die wissenschaftlich belegen/argumeniteren, dass man schneller oder langsamer Laufen soll, um insgesamt seine Zeiten deutlich zu verbessern?

Danke

Mit freundlichen Grüßen

M_R
"Der gemeine Mann betrachtet Religion als richtig, der Weise als falsch und der Politiker als nützlich." Seneca

HM: 1:29:27
M: 3:06:57

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Ich nehme mal an, du meinst den langen Lauf im Rahmen der Marathonvorbereitung, auch wenn du das nicht extra dazu geschrieben hast.

Dazu frage ich mich dann aber:

1) Woher nimmst du die Empfehlung "60-90 Sekunden langsamer als WK-Tempo"? Üblich sind m.W. eher 45-60 Sekunden, bei langsamen Läufern weniger (gibt ja etliche Fäden zum Thema Tempo der langen Läufe).

2) Warum hältst du "myasics" oder die grob zusammengestoppelten Folien einer Anfängervorlesung (Auszug: "Dauermethode" bedeutet demnach "Laufen bei 70-95 Prozent der Bestleistung über 3 bis 50 km"! :D ) für so aussagekräftig, dass du sie zum Anlass nimmt, nach einer Begründung für die bewährten Empfehlungen von Daniels, Steffny und wie sie alle heißen zu fragen?

VG,
kobold

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Bei Laufcampus.de ist von 60-90sec schneller als das Wettkampftempo die Rede, bei Steffny sind es bei mir 1 Minute und 20sec.

In dem in den USA sehr bekannten Buch "The Everything Running Book" steht:
Your long-run pace should be approximately 1–11⁄2 minutes slower than
your present 10K race pace.

In dem Jack Daniels Calculator sind es bei mir fast 2 Minuten (ohne Quellenangabe)

Flexpläne: etwa 1 Minute.

Da scheinen die Meinungen doch ziemlich auseinanderzugehen, ausser bei dem Satz:
Man sollte sich beim Training noch gut unterhalten können.

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Laufschlaffi hat geschrieben:Bei Laufcampus.de ist von 60-90sec schneller als das Wettkampftempo die Rede, bei Steffny sind es bei mir 1 Minute und 20sec.
Puuuh... Lieber nicht. Aber ich hatt's schon verstanden.

Also: Den langen Lauf gibt es eigentlich gar nicht. Deshalb kann man bezüglich des Tempos auch keine generellen Empfehlungen aussprechen. Der verlinkte Wolfsburger Text deutet ja schon ganz richtig an, daß die Energiekrise v.a. von Ersttätern maßlos überbewertet wird. Die eigentlichen Risiken lauern ganz woanders, und auch da dürfte der Text recht haben: Die wirklich üblen Probleme sind meist orthopädischer Art.

Das heißt aber nicht, daß wir jetzt nur noch im Wettkampftempo trainieren sollen. Schön wär's ja, wenn das ginge, aber das müssen wir normalerweise mit einer entsprechend langen Regeneration bezahlen, und eigentlich wollen wir doch am nächsten, spätestens am übernächsten Tag wieder normal weitertrainieren. Und so ganz wollen wir den Stoffwechsel ja auch nicht aus den Augen verlieren, zumal der Vorschlag, während des Marathons noch Kohlenhydrate einzufahren, auch keine echte Option darstellt: Mit der Bioverfügbarkeit selbst von Bananen dauert es eine ganze Weile (bis dahin ist man hoffentlich längst im Ziel), und Spezialprodukte (Gels, Isogetränke) sind eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Etwas Training für den Fettstoffwechsel hat also schon seine Berechtigung.

Und deshalb fährt man am besten mehrgleisig: einerseits vorwiegend langsamere Läufe, wobei "langsam" auch durchaus heißen kann: Start mit Marathontempo + 20-25%, dann allmähliche Beschleunigung bis auf Marathontempo + 10-15%. Ich halte Angaben wie "MRT + 60 s" für wenig zielführend. Für einen 5h-Läufer sind 60 Sekunden Unterschied etwas völlig anderes als für einen 3h-Läufer. Also sind Prozentangaben wohl die verhältnismäßigere (auch im Sinne von "angemessenere") Lösung. "Langsam" kann auch bedeuten, den Lauf mit einigen km Endbeschleunigung im Wettkampftempo abzuschließen. Wobei ich die erstere Variante mit kontinuierlicher Temposteigerung bevorzuge. Auf diese Weise enthält der Lauf insgesamt etwas mehr Tempo, und ich bilde mir ein, daß auch der Fettstoffwechsel dabei gut mittrainiert wird, indem man dem Körper ganz allmählich eine immer höhere Belastung unterjubelt, so daß er sich langsam daran gewöhnen kann und nicht sofort die Energiebereitstellung signifikant umstellt. Beweisen kann ich das nicht, aber vielleicht funktioniert es ja.

Das andere sind einige lange Läufe mit längeren Anteilen im Wettkampftempo. Und zwar nicht nur einfach als Endbeschleunigung, sondern einstiegsweise mit 13-15 km und allmählichem Ausbau auf 23-25 km. Gesamtlänge dieser Läufe auch irgendwas um die 27-32 km.

Daneben gibt es natürlich noch endlose Variationen mit unterschiedlichen Tempospielereien. Da muß jeder seinen Weg finden. Entscheidend ist, daß die langen Läufe nicht als immergleiche Einheitsveranstaltung absolviert werden.
Дуа кинум йах иди, ту пуц ца бофт тар ту-хез йатов̌!

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M_R hat geschrieben: Kennt Ihr andere Quellen, die wissenschaftlich belegen/argumeniteren, dass man schneller oder langsamer Laufen soll, um insgesamt seine Zeiten deutlich zu verbessern?
Sorry, aber ich glaube nicht, dass die wissenschaftliche Argumentation hier die relevante ist. Es gibt erfahrene Praktiker (Trainer, Trainingsexperten), die erfolgreich Athleten zu guten Leistungen geführt haben. Denen vertraue ich mehr.

Wenn man mal die Pläne derjenigen, die sich an Anfänger richten und die eher Schiss davor haben, jemand zu überfordern (was dazu führt, dass die Tempovorgaben niedrig ausfallen) beiseite lässt und sich anschaut, was die Fraktion der "Wettkampferfolg nur durch Leistung im Training" dazu sagt, dann gibt es grob gesprochen 2 Richtungen.

Richtung a): Schwerpunkt auf Länge, dafür Abstriche am Tempo
Richtung b) Schwerpunkt auf Tempo, dafür Abstriche an der Länge

a) Die Pläne beinhalten 35 km-Läufe, Tempo = Tempo der normalen Trainingsläufe (also nicht extra langsamer) und dann zunehmend das Ende schneller (Endbeschleunigung, erst die letzten 3, beim nächsten Lauf 6 bis hin zu 15 km im Tempo so ca. 10 sek/km langsamer als Marathontempo). Näheres bei Greif.

b) Die meisten langen Läufe sind hier knapp unter 30 km, dafür werden, ebenfalls nach Beginn im Normaltempo, die folgenden km im Marathontempo gelaufen (z. B. von 17 normal, 12 schnell bis zu 6 normal, 23 schnell). Näheres bei Pfitzinger.

Beide Richtungen beinhalten folglich zumindest Teilstrecken im Marathonrenntempo oder knapp darunter und beziehen Tempo in die langen Läufe ein. Was davon einem besser liegt und wo möglicherweise Überforderung entsteht, ist individuell verschieden. Ganz generell sollte man dafür eine gute Grundausdauer haben und über einige Trainingserfahrung verfügen (also nix für "von 0 auf 42 in 6 Wochen" oder ähnlichen Käse).

Bernd

PS: Sehe deinen Text, agha, erst jetzt.
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de

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Außerdem hat der Threadersteller sich scheinbar nur die für ihn interessanten Rosinen herausgepickt...

In keiner der beiden Quellen wird gesagt, dass Grundlagenausdauertraining nicht wichtig ist:

In der ersten Quelle steht auf Folie 4 klar die Bedeutung des GA Trainings, in der 2. Quelle,wird eigentlich nur die Binsenweisheit erklärt, dass man um schneller zu werden auch - aber nicht ausschließlich - schnell trainieren muss, und das es nicht allein von Läufen im Zotteltrab kommt.

Das wären dann die geforderten Quellen, die die Bedeutung des GA Trainings wissenschaaftlich untermauern :wink:

Bei meinem Marathon-Ziel von 4:20h werden bei Steffny die LaLa's in 6:40min/km gelaufen... und der Trainingsplanrechner hier von RW schmeisst ähnliche Werte raus: MRT 6:04, lala 6:40

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Hallo und Danke für die Posts.

@Rauchzeichen: Ich stelle die Bedeutung von GA nicht in Frage. Meine Frage bezieht sich nur auf das Tempo, um diese zu trainieren. Des Wetieren habe ich nicht die für mich interessanten Rosinen rausgepickt. Mir geht es darum, eine fundierte Diskussion zum Thema zu haben, die nicht nur auf "ich finde besser" oder "alle sagen" beruht. Dazu musste ich natürlich ein, zwei Reizpunkte setzen. :)

@ aghamemnum und burny

Danke für die Ausführungen.

Mir geht es hier auch nicht um einen ersten Marathon. Ich will nur deutlich schneller werden und suche nach einer - für mich - ausgewogenen Erklärung der den Trainingsvorschlägen zugrunde liegenden Zeiten.
Dass man, wenn man 30 km nahe am WK-Tempo läuft, nicht am nächsten Tag ein Intervalltraining macht, ist selbsterklärend. Hier wären ein oder zwei Tage Pause und dann ein Lauf im Regenarationstempo wohl eher sinnvoll.

Wie gesagt, es geht mir nicht um Brechstangen-Training, sondern um die Klärung - oder die Annäherung an die Klärung - einer Frage, die bei genauerer Recherche widersprüchlich beantwortet wird.

Mit freundlichen Grüßen

M_R
"Der gemeine Mann betrachtet Religion als richtig, der Weise als falsch und der Politiker als nützlich." Seneca

HM: 1:29:27
M: 3:06:57

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Ich würde vermuten, dass der Unterschied der Effektivität des LaLa absolut marginal ist, wenn man irgendwo zwischen 3 und 5h Marathonzeit rumdümpelt.

Sprich: Match-entscheidend ist es für den 4h-Läufer nicht, ob er den Lala in 7min oder 7min15s oder absolviert.

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M_R hat geschrieben:Mir geht es darum, eine fundierte Diskussion zum Thema zu haben, die nicht nur auf "ich finde besser" oder "alle sagen" beruht. Dazu musste ich natürlich ein, zwei Reizpunkte setzen. :)
Wie wäre es damit zunächst einmal den Aufbau diverser Trainingspläne (u. damit einhergehenden Empfehlungen bzgl. Lauftempo langer Lauf) zu analysieren und verstehen lernen/versuchen?

Dies setzt den Vergleich der Pläne in Ihrer jeweiligen Gesamtheit voraus: Plandauer (kurze/lange Peakphase), Aufbauwettkämpfe (ja/nein), Anzahl Trainingstage, Anzahl der Q-Einheiten pro Woche (bis 3), langer Lauf als Q-Einheit (ja/nein), Entlastungswochen (ja/nein), Eingangsvoraussetzungen (mehrjähriger Laufsport / Quereinsteiger / von 0 auf Marathon in 6 Monaten), Adressaten des Planes (im Hinblick auf Verletzungsanfälligkeit, Alter, Ergeiz, Unterdistanzleistungen usw.) als Stichworte.

Abgesehen davon, ohne eigenes Ausprobieren (immer wieder) geht es sowieso nicht.

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aghamemnun hat geschrieben: Und deshalb fährt man am besten mehrgleisig: einerseits vorwiegend langsamere Läufe, wobei "langsam" auch durchaus heißen kann: Start mit Marathontempo + 20-25%, dann allmähliche Beschleunigung bis auf Marathontempo + 10-15%. Ich halte Angaben wie "MRT + 60 s" für wenig zielführend. Für einen 5h-Läufer sind 60 Sekunden Unterschied etwas völlig anderes als für einen 3h-Läufer. Also sind Prozentangaben wohl die verhältnismäßigere (auch im Sinne von "angemessenere") Lösung.
Sehe ich nicht so, weil für einen 5h-Läufer eine zusätzlich Verlangsamung um 20-25% würde schon Spaziergang bedeuten. Da ist die Angabe Sinnvoller?... nicht immer.
Hier müsste man wirklich erst mal die Ziele definieren:
Ziel "Durchkommen" erfordert gar kein Tempo in der Planung. Auch wenn die Leute das nicht hören wollen, alles über 4h sogar 3,5h für Männer sollte man als Ankommen planen. Und dabei ist die Strecke und nicht das Tempo das Problem. In der Planung würde ich auch da nicht auf Tempoeinheiten verzichten und Abwechslung im Training als sehr wichtig ansehen. Bei dieser Gruppe ist das Tempo der langen Läufe nicht wichtig. Alles soll locker und ohne Zwang (nicht schnell, aber auch nicht zu langsam) sein.

Für Athleten, die schneller laufen wollen, ist Entwicklung der Geschwindigkeit wichtig.
Hier könnte man schon die Prozentangaben anwenden, trotzdem würde ich das nicht so eng vorschreiben, weil ich aus Erfahrung weiß, dass auch lange langsame Läufe in MRT+ 40% sehr gut funktionieren.
Ich trenne auch die LLDL und LDL voneinander und Verschiebe die Bedeutung und Umfang der Läufe von LLDL -> LDL in der Planung im Laufe der Vorbereitung.

Gruß
Rolli

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Ich rechne meine Langen Läufe nicht nach Kilometern sondern Höhenmetern. Diese schulen die Kraftausdauer. Die Dauer trainiert den Fettstoffwechsel.
(Ps.: Es gibt hier auf der Seite irgendwo einen interessanten Artikel der zeigte, dass trainierte Läufer aufgrund eines guten Fettstoffwechsels erst bei höherem Tempo auf ihre Glykogenspeicher zurückgreifen müssen. Diese Stoffwechselprozesse schule ich aber nur im entsprechden Zeitbereich.)

Tempoläufe würde ich in ausgeruhtem Zustand machen und dann nach Gefühl "schnell" laufen. Normalerweise sollte man in diesem Fall immer schneller sein. Dabei hilft ein Blick auf die Langzeitentwicklung > ~3 Wochen. Die % Angaben machen das Training nur unnötig kompliziert und sind mMn für den Hobbyathleten nicht notwendigerweise zielführend, da Sie den Trainingsumständen zuwenig Rechnung tragen und sich im freien Gelände nicht so genau überprüfen lassen.

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Es gab HIER dazu mal einen lesenswerten Artikel mit Interview zum Thema mit Viktor Röthlin.
Kurzfazit:
er läuft die Langen selten langsam
er sträut z.T. schnelle Phasen mitten rein
er läuft die zweite hälfte schneller
er hängt am Ende noch 5x1000m auf der Bahn dran
er läuft mind. zwei mal >40km

Natürlich schreibt er auch, dass dies für Hobbyläufer nicht zu empfehlen sei. Aber ganz sicher können wir daraus ableiten, dass NUR langsam im langen nicht dass non plus ultra sein kann. Zumindest dann nicht, wenn auch am Marathon eine Zeit als Hauptziel angesehen wird.

Gruss Mathias
10km -> 38:07 (2018) / HM -> 1:25:09 (2017) / M -> 2:59:04 (2018)
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