cellohh hat geschrieben:Habe seit kurzem eine Pulsuhr und musste feststellen, dass ich bei meinem Tempo, bei welchem ich mich wohl fühle 5:30 - 6:00 einen durchschnittspuls von ca. 180!!! habe. Ruhepuls ca. 56. (mit dem rauchen habe ich im November 2013 aufgehört) Wenn ich nun einen Lauf im Pulsbereich um 135 machen möchte zur Regeneration, dann laufe ich ca. 8:30 min/km. Irgendwie komme ich mir dabei ziemlich blöd vor. ...
Im März 2015 werde ich beim Halbmarathon in Berlin mitmachen. Meint ihr es ist zu früh an einen vollen Marathon im Herbst 2015 zu denken?
Hallo cellohh,
du bist ein Paradebeispiel für jemanden, der mit dem Pulsmesser versucht Probleme zu lösen, die er ohne Pulsmesser gar nicht hätte. Oder ein bisschen mehr von Fachwissen beleckt: Einfach nur den Puls zu messen und ohne Bezugsgrößen (die wichtigste ist deine maximale Herzfrequenz) daraus Schlüsse zu ziehen ist nicht nur unnütz, sondern auch irreführend. Vermutlich hast du im "Beipackzettel" des Pulsmessers allerlei Verwirrendes gelesen. Nur nicht, in welchen Fällen es sinnvoll ist einen Pulsmesser tatsächlich anzuwenden und noch weniger, wie man dabei dann sinnvoll vorgeht.
Wo immer du den Begriff "regenerativer Lauf" (oder so ähnlich) auch gelesen haben magst: Vergiss ihn. Für einen Läufer deiner Entwicklungsstufe gibt es keine regenerativen Läufe. Jeder Lauf stellt für deinen Organismus - insbesondere für den Bewegungsapparat - eine Belastung dar, ganz gleich wie langsam du läufst. Und wenn ich schon beim langsamen Laufen bin: 8:30 min/km sind selbst für langsames Laufen zu langsam. In diesem Tempo ist kein flüssiges, wirklich Laufschritte produzierendes Tempo mehr möglich.
Was das von dir angesprochene Tempo angeht, in dem du dich wohlfühlst: Die Tatsache, dass du dich in diesem Tempo wohlfühlst, sollte dir verdeutlichen, dass dein Körper und darin das schlagende Herz bestens damit zurecht kommen. Ob das bei 150 oder 180 bpm (Herzschläge pro Minute) der Fall ist, ist zunächst nur eine nicht weiter verwendbare Information. Erst wenn du beginnst nach Trainingsvorschlägen zu trainieren, die auf unterschiedlichen Intensitäten für die Dauerläufe basieren und diese unterschiedlichen Intensitäten (= Tempo im flachen Gelände) in Form von Herzfrequenzbereichen angeben, wird deine individuelle Herzreaktion wichtig. Allerdings sind diese besagten Herzfrequenzbereiche in Prozent von der maximalen Herzfrequenz angegeben. Die müsstest zuvor noch "irgendwie" heraus finden ... das soll's mal in Sachen Pulsmesser gewesen sein, sonst sitze ich morgen früh noch hier und tippe (wenn du dazu mehr wissen willst, kannst du z.B. auf unserer
Laufseite nachlesen: Im Menü auf "Themen für alle Läufer" klicken, dort dann auf "Laufen mit dem Pulsmesser"... aber bring Zeit mit!).
Nun noch zu deinem Marathonwunsch. Die Empfehlungen all jener, die von diesem Geschäft wirklich etwas verstehen, laufen darauf hinaus, dass man mindestens anderthalb Jahre ununterbrochen gelaufen sein soll, bis man ein Marathontraining beginnt. In deinem Fall hieße das: Frühjahr 2014 + 1,5 Jahre = Herbst 2015. Wenn du aber im Herbst 2015 mit einem Marathontraining beginnst - das erstreckt sich über rund 3 Monate - wärst du frühestens Anfang 2016 so weit einen Marathon tatsächlich zu laufen. Somit ergibt sich als sinnvolles Datum für deinen ersten Marathon - wenn bis dahin nichts schief geht und der Aufbau zufriedenstellend klappt - das Frühjahr 2016.
Mit "nichts schief geht und der Aufbau zufriedenstellend klappt" meine ich: Ein Marathontraining setzt voraus, dass der Läufer auch reif für ein Marathontraining ist. Das ist am sichersten zu erreichen, wenn du dich über die Distanzen 10 km und Halbmarathon Schritt um Schritt voran arbeitest. Die Tatsache einen Halbmarathon durchgestanden zu haben, reicht allein nicht aus, um dir Marathonreife zu bescheinigen, selbst wenn besagte anderthalb Jahre (siehe oben) verstrichen sind. Der Halbmarathon sollte schon in einer akzeptablen Zeit gelaufen worden sein, also etwa 2:10 h oder besser. Eine Hürde ist das nicht, weil du genügend Zeit hast, dich über zwei, drei HM-Trainingsperioden und gelaufene HM zu verbessern. Je besser deine HM-Zeit ausfällt, umso leichter wird dir später das Marathontraining fallen.
Die von Fachleuten empfohlenen 1,5 Jahre vor dem ersten Marathontraining bedeuten natürlich nicht, dass es vom Ausdauerzuwachs her vorher nicht zu schaffen wäre. Eine Menge Menschen haben schon bewiesen, dass vom ersten Laufschritt bis zum Marathonfinish nicht mal ein Jahr vergehen muss. Einige dieser Menschen liefen danach aber nicht mehr, weil sie sich durch ihr ungestümes Vorgehen ins gesundheitliche Abseits gerannt haben. Der Bewegungsapparat eines durchschnittlich bis unterdurchschnittlich robusten Menschen braucht eben besagte 1,5 Jahre, um sich auf zunehmend langes und intensives Lauftraining hin anzupassen und dabei nicht mit Beschwerden oder gar Verletzungen zu reagieren. Die Krux ist, dass niemand von sich weiß, wie es mit der Robustheit seines Bewegungsapparates bestellt ist. Darum langsam und stetig steigern über anderthalb Jahre ...
Ich wünsche dir gesteigerten Spaß am Laufen und Geduld mit dir selbst
Gruß Udo