
Irgendwann sagte ich mir: "ich habe Lust zu laufen", und so wurden die inzwischen 20 Jahre alten (nicht sehr häufig genutzten) Laufschuhe gegen neue getauscht. Dem schlechten Wetter im Bremer Land aber sei Dank, dass mein Vorhaben nur bei gutem Wetter in die Tat umgesetzt wurde und so blieb es denn auch beim Schönwetterlaufen - mit der nicht ganz unerwarteten Konsequenz, dass ich mich zum Langsamläufer entwickelte. Dann kam auch noch der gute - uns allen bekannte Freund - namens "innerer Schweinehund", der mir ins Ohr flüsterte "alleine laufen ist doof, bleib doch zuhause". Ich gehorchte ihm !!

Von schlechtem Gewissen geplagt, hatte ich die zündende Idee, mich in einem Verein anzumelden, um mit gleichgesinnten zu laufen. Einzige schmerzhafte Erkenntnis: Ein Langsamläufer ist wie die Pest - keiner braucht ihn !!! Keiner will ihn !!! Und wer in furchtbar netter Absicht mich mal "zum langsamen Lauf" unter seine Fittiche nimmt, wird auch sehr bald merken: der Begriff "Langsamläufer" ist seeeeeeeeeeeeeeeeeehr weit dehnbar !!!! Wo andere noch locker im GA1 trainieren, bin ich schon längst im Entwicklungsbereich angekommen....Sorry, habe ganz vergessen, dass wohl mancher Läufer mit einem 4er-Schnitt auf die Welt kommt....und für manchen unverständlich, wieso ich denn keine 5 Trainingseinheiten in der Woche schaffe, wo ich doch nur eine 60-Stunden-Woche habe....Also wieder aus dem Verein ausgetreten und geschmollt !!!

Dann kam irgendwann die Zeit der Trainingspläne, hach, ja, die lieben Trainingspläne....welchen nehm ich denn....mal 2 Wochen nach Trainingsplan von Dr. xy, dann 4 Wochen nach Trainingsplan von Laufzeitschrift xxx, im Internet auch einen ganz tollen gefunden, oder ist doch der von Triathlon-Opi xxx besser für mich geeignet??? Wer sagt mir denn, welcher Plan für mich der richtige ist, wenn mich im Verein die Oberschlauschnacker schon zum Thema Laufschuhe, Laufkleidung und überhaupt belehrt und ähm, eher verwirrt haben? Inzwischen seit x Jahren im Berufsleben und auf diverse Tschaka-Seminare geschickt worden, habe ich gelernt, dass man sich im Leben S.M.A.R.Te Ziele setzen muss.

Das Ziel ist schnell gefunden und so melde ich mich im Januar 2011 für einen Halbmarathon im September 2011 an. Reichlich Zeit für das Training und eine liebe Kollegin hakt mit ein, so dass wir uns ganz fest ein gemeinsames Training für den Halben vornehmen. Die Rechnung habe ich leider ohne meinen damaligen Chef aufgemacht. Sie macht um 16 Uhr Feierabend - ich sitze noch um 20.30h in den heiligen Hallen. Aus den gemeinsamen Trainingseinheiten werden ein paar am Sonntag Morgen um den See, zwischen 4 und 8 km. 3 Wochen vor dem Halben steige ich dann vollends ins Training ein. 1x pro Woche 30 Minuten !!! Wahnsinn !!! Okay, mein Smartes Ziel war, den Halben zu finishen und zwar: nicht als letzte und nicht mit dem Besenwagen !!!! Der Tag kam, mit ihm kam 33 Grad erbarmungslose Hitze, tausende Läufer, die an mir vorbeirauschten, aber : ein Rennen wird nicht am Anfang entschieden, sondern am Ende. Und so kam es wie es kommen musste und ich überholte auf den letzten 5 Kilometern noch einige, die mich zuvor überholt hatten. Meinen ersten Halben habe ich nach 2:23 gefinished.

Auf einmal konnte ich problemlos 1 Stunde am Stück laufen, fühlte mich gut dabei und wusste: da geht noch ganz viel !!!! Mit dem richtigen Training !!!! Im Herbst 2013 sah ich eine Doku über den "Marathon du Médoc" und wusste sofort: Da muss ich hin, den will ich laufen !!! Und zwar mit Trainingsplan, strukturiertem Training, das mich härter, schneller und ausdauernder macht.

Zwar habe ich mich nicht so wirklich an den Trainingsplan gehalten (im Frühjahr der Garten, im Sommer die sintflutartigen Regenfälle zur Feierabendstunde oder tropische Temperaturen von 35 Grad über Wochen...), aber im Vergleich zu meiner Vorbereitung auf den Halben deutlich !!!!! an Trainingsumfang zugenommen.

5 Wochen vor dem Marathon du Médoc dann der erste Halbe nach 3 Jahren. Als ich ins Ziel einlief, hätte ich schreien, toben und fluchen mögen. Warum hat sich meine Zeit trotz regelmäßigem Training (im Vergleich zum ersten Halben) NICHT verbessert??? Oder sind 4 Minuten schneller jetzt schon alles, was ich von meinem Training erwarten kann??? 2:19, ich bin immer noch eine Laufschnecke.

3 Wochen vor dem Marathon du Médoc dann der zweite Halbe. Diesmal ganz bewusst: ich laufe mein Tempo, ich laufe mein Tempo, ich laufe mein Tempo, nein, ich lasse mich am Start nicht von den Schnell-Läufern mitreißen, ich laufe mein Tempo. Über das Ergebnis bin ich nicht überrascht, ich finishe mit 2:21, gebe aber zu bedenken, dass die Strecke zu 80% auf sandigem, geschotterten und unebenen Untergrund in einer Heidelandschaft verlief. Naja, und 2 Minuten habe ich verloren, weil ich meine orthopädische Einlage zurechtzubbeln musste. Es war nämlich der erste Lauf überhaupt mit einer orthopädischen Einlage. Und: der erste Lauf, den ich in meinem Tempo durchgelaufen bin, keine Gehpausen, keine Verschnaufpausen. Im großen und ganzen bin ich zufrieden, mein Mann ist stolz auf mich und ich bin ganz zuversichtlich, den Marathon zu schaffen.

Am 13. September 2014 war es dann soweit: ich habe meinen ersten Marathon gefinished. Mein Smartes Ziel: nicht als letzte !!! Nicht mit dem Besenwagen !!! Und was soll ich sagen: von 10.161 Finishern bin ich an 4.975. Stelle ins Ziel gelaufen. Fragt jetzt nicht nach der Pace, die ist bei diesem Marathon nicht so wichtig. Hier gilt das Motto "Laufen und Saufen - Rennen und Schlemmen", eine Party mit 10.000 Verrückten, die wissen, dass sie einen Marathon finishen können, aber hier wollen alle einfach nur eine Riesenparty feiern !!!!

Marathon du Médoc - wir sehen uns im nächsten Jahr wieder. Und diesmal: ich werde schneller sein !!! Der Besenwagen kann mich mal, mein Smartes Ziel für 2015 lautet : unter 5:20 !!!
