[font=&]Ich habe die Beiträge hier seit einiger Zeit mitgelesen, und es hat mich schon lange in den Fingern gejuckt, mich zu äußern. Im Moment finde ich ein wenig Zeit dazu.[/font]
[font=&]Um da gleich drastisch einzusteigen: Bei so manchem Beitrag habe ich den Eindruck, dass dort der Blinde von der Farbe redet. Da wird so leichtfertig von „Fehlverhalten“ und „schuldhafter Pflichtverletzung“ gesprochen. Vom warmen Schreibtisch aus und NACH einem Unglücksfall lässt leicht schwadronieren. Bei so einem tollen Rat „Gefahrenquellen suchen und den Hauptverantwortlichen melden“ wird sich so mancher ehrenamtliche Trainer oder Übungsleiter reichlich verarscht vorkommen, denn das (nach Gefahrenquellen schauen) tut er bei jeder Übungseinheit. Die Frage ist nur, was er billigerweise ermitteln und somit abstellen kann.[/font]
[font=&]Es gibt zig Gefahrenquellen, die verhängnisvoll werden können. Im Rahmen einer Trainingsstunde ist es unmöglich, sämtliche Risikoaspekte abzuchecken. Unsere Leichtathletikkinder trainieren im Winter in der Halle. Diese Halle wird mit anderen Vereinen geteilt, u. a. mit Bogenschützen, die dort auf Scheiben schießen. Vor einigen Monaten fiel beim Tragen der Matten in die Halle einem der Kinder ein verirrter und liegengebliebener Pfeil vor die Füße. Selbstverständlich sind die da nun jedesmal besonders aufmerksam, aber wer wäre vorher auf die Idee gekommen, den Geräteraum nach irgendwo herum liegenden Pfeilen abzusuchen? So gibt es theoretisch gesehen etliche weitere mögliche Risikofelder. Wollte der Übungsleiter die jedesmal sorgfältig überprüden, dann wäre die Stunde beendet, bevor er damit fertig wäre.[/font]
Det_isse hat geschrieben:
In dem Verein wo ich ehrenamtlich tätig bin, gibt es selbstverständlich Versicherungen und nebenher auch gleich die hauseigenen Juristen. Ohne dem könnte man in verschiedenen Bereichen nicht arbeiten.
[font=&]Sorry, wenn ich das so sage, aber das ist ein Konstrukt aus dem Labor. Haftpflichtversicherung ist quasi selbstverständlich und ist im Rahmen der „Sportversicherung“ enthalten, die jeder vernünftige Verein abschließt. Aber eigene Juristen??? Ich wohne in einer mittelgroßen Stadt und gehöre dem dort größten Sportverein an mit ca. 1.800 Mitgliedern. Da es nach dem Ausscheiden der „alten Garde“ – Idealisten, die ihre Freizeit fast komplett dem Verein geopfert haben, unentgeltlich natürlich -, schwer geworden ist, gleichermaßen Nachfolger in jüngeren Jahren zu finden, zahlt der Verein für bestimmte arbeitsintensive Posten eine kleine Aufwandsentschädigung. Das ist schon eine finanzielle Belastung. Woher soll der das Geld nehmen, einen eigenen Juristenstab zu finanzieren???[/font]
setembrini hat geschrieben:
Es ist bedenklich, wenn jetzt die Spirtfunktionäre und -verbände "aufjaulen", statt die Ehrenamtlichen entsprechend zu schulen.
[font=&]Selbstverständlich bieten die Verbände Schulungen an, und selbstverständlich nimmt das juristische Thema breiten Raum ein. Mit dem Ergebnis übrigens, dass beide Übungsleiter, die ich (auf Vereinskosten) zu den Lehrgängen geschickt habe, anschließend völlig verunsichert waren. Denn der Jurist neigt nicht dazu, sich festzulegen und antwortet bei konkreten Fragen so, dass ihm hinterher keiner einen Strick drehen kann („Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten Sie dieses und jenes tun.“) Meine Leute sagten mir daher: „Das, was wir aus juristischer Sicht eigentlich alles tun müssten, sprengt komplett den zeitlichen Rahmen. Wenn wir es aber nicht tun, stehen wir im Grunde genommen mit einem Bein im Gefängnis.“ Nur mal so am Rande: Um sich nicht dem Vorwurf der sexuellen Belästigung auszusetzen darf die Übungsleiterin keinesfalls den Umkleideraum der Jungen betreten, Übungsleiter und Mädchen das gleiche. [/font]
[font=&]Nochmal zum Thema Schulung: Der Übungsbetrieb funktioniert (u. a. aus den o. g. Gründen) nur dann, wenn die offiziellen und in der Regel geschulten Übungsleiter durch Helfer unterstützt werden. Das sind dann meistens engagierte Eltern, die ihre Freizeit dafür einbringen. Wie viele bleiben von denen wohl übrig, wenn man ihnen sagt: Ihr könnt gerne helfen, aber erstmal müsst ihr eine Schulung mitmachen?[/font]
Det_isse hat geschrieben:
In der Konsequenz musste reagiert werden,
[font=&]Warum? Warum muss bei einem Unglück immer jemand zur Rechenschaft gezogen werden? Der Unfall ist tragisch, und ich empfinde mit dem Jungen und seinen Eltern. Aber man muss sich dennoch vor Augen halten: Es gibt ein Lebensrisiko. Der Junge hätte mit dem Fahrrad stürzen können, auf der Treppe ausrutschen oder irgendetwas anderes. Hätte man dann auch suchen müssen, wer dafür die Verantwortung trägt? Gibt es immer jemanden, der für so etwas verantwortlich ist und der durch sein Tun oder Nichttun den Unfall hätte verhindern können? (Ja, wenn die Tore anders gesichert gewesen wären, wäre dieses Unglück nicht passiert. Die Frage ist aber: Kann man von dem oder den ehrenamtlich Tätigen erwarten, dass sie das hätten sehen müssen?)[/font]
[font=&]So schrecklich das klingen mag: Man muss akzeptieren, dass jeden Tag und überall etwas passieren kann. Der 100%-Risikolos-Ansatz führt nur dazu, dass man sich nach allen Seiten absichert. Und dennoch gibt es diesen 100%-Schutz nicht.[/font]
M.E.D. hat geschrieben:
Ich vermute, im konkreten Beispiel wird es so ausgehen, dass die Versicherung, bzw. ihre Anwälte, die Schadensersatzsumme auf einen niedrigeren (angemessenen) Betrag herunterhandeln wird.
[font=&]Hier wird auch wieder einiges durcheinander geschmissen: Wenn der Verein eine Sportversicherung abgeschlossen hat, und das nicht zu tun, wäre sehr fahrlässig, dann sind darüber auch Sportunfälle versichert. Es ist also nicht erforderlich, jemanden strafrechtlich zu belangen, damit der Junge entschädigt wird. Ich könnte mir vorstellen, dass ggfs. Die Versicherung und der Trainer sich streiten, inwieweit er persönlich herangezogen werden kann. Bei einer strafrechtlichen Verurteilung könnte ich mir wiederum vorstellen, dass die Versicherung ganz gute Karten hat. Aber was das anbelangt, ist das meine Laieneinschätzung.[/font]
[font=&]Bernd[/font]