So, nach dem ich einige Gefühle zu meinem Lauf durchlebt und sortiert habe kann ich nun endlich einen kleinen Bericht dazu schreiben.
Der Lauf war wie das Training – von

bis

war alles dabei. Aber von vorne.
06:00: Der Wecker klingelt. Es ist noch viel zu kalt im Wohnwagen zum Aufstehen. Ich kuschel mich noch mal richtig in die warme Decke und warte bis Schatzi mit den beiden Hunden zum Gassi draußen ist. Aber hilft ja nix, also raus aus den Federn, kurz in Waschhaus und dann ein kleines Frühstück vorbereiten.
06:36 Die ersten Tropfen fallen. Verdächtig laut. Ein Blick aus dem Fenster: Hagel! Unter Fluchen frühstücken wir weiter.
06:51 Es blitzt und donnert, so ein Sch…

Die Klamottenfrage ist nun endgültig geklärt („Oben rum“ war noch offen – also doch das warme lange Shirt und das Basecap) und ich bin froh, dass ich eine Lauf-geeignete Regenjacke im Gepäck habe. Außentemperatur ca. 3°C. Ich mache ein paar Fotos und sende meiner Schwester eine Nachricht, dass wir „die Sache mit dem Wintercamping“ abgearbeitet haben.Ich ziehe mich dann schon mal um und gehe noch so 2-3-mal mit einem Regenschirm bewaffnet ins Waschhaus aufs Klo.
08:00 Uhr: Es hat aufgehört zu hageln und zu schneien, lediglich ein leichter Niesel fällt noch. Wir fahren los zum Start nach Wieck. Parken ist dort super organisiert, und schon auf dem Parkplatz stehen Dixies. Prima, ich könnt nämlich schon wieder …
Startnummer befestigen, Zeitnehmer am Schuh befestigen, noch einen kleinen Schluck Wasser. Möchte ich noch ein Stück Banane? Nee, essen kann ich jetzt nicht.
Ich bin aufgeregt, habe ein wenig Angst und freue mich darauf, das Training der letzten Monate endlich umzusetzen. Auch ein bisschen „jetzt ist eh egal, also bringen wir´s hinter uns“ ist dabei.
Wir gehen in den Startbereich, warm machen, auflockern, noch mal Dixie. Sogar das NDR-Fernsehen hat sich eingefunden und dreht mit ein paar Läufern.
Die Läufer werden dann aufgefordert, sich zum Start zu begeben und etwas wiederwillig trenne ich mich von der warmen Jacke. Aber die Regenjacke kommt mit! Es ist zwar inzwischen trocken, aber der Wind ist echt kalt! Überall werden letzte gute Wünsche und Abschiedsküsschen getauscht, auch ich bekomme meine und man kann spüren, wie die Spannung steigt. Die Musik heizt nochmal ordentlich ein, und dann wird endlich runtergezählt…
09:00 Uhr: Der Startschuss fällt. Das Feld setzt sich in Bewegung und wird von Publikum und einer kleinen Samba-Truppe auf die Reise geschickt. Überall im Ort stehen Menschen und klatschen und rufen uns gute Wünsche zu.
Ich habe keine Ahnung, wie schnell ich bin, aber der erste km ist schnell vergangen, knapp unter 6, also aufpassen und auf keinen Fall schneller werden. Gleiches gilt für den 2.
Meine Pace will ich unterwegs anhand der Beschilderung überprüfen, das GPS ist hier zu ungenau. Alle 5km werde ich die Zwischenzeit stoppen und mich freuen, wenn sie unter 32min liegt.
Es geht für knapp 5km ins offene Gelände, ein asphaltierter Radweg von Wieck nach Prerow. Der Wind kommt kalt von vorne, ich bin froh die Regenjacke anzuhaben. Der Radweg macht einen leichten Bogen und es ist einfach Wahnsinn, zu sehen wie lang sich das Feld gezogen hat und wie weit vorn die ersten Läufer schon sind.
Ich habe ein paar Läufer in der Nähe, deren Tempo zu passen scheint. Einige ziehen langsam davon, aber eine bleibt neben mir. Ich fühle mich wohl wie wir stumm und gleichmäßig nebeneinander her traben. Aber ein Blick auf die Uhr bei den nächsten Kilometern sagt mir, dass es bei diesem Tempo (knapp über 6:30) nix wird mit meiner Wunschzeit von 04:30 Stunden.
Der erste 5er Split ist in Ordnung: 31:38 min.
Kilometer 7-9 gehen durch Prerow, hier ist für gewöhnlich richtig was los. Heute scheint weniger Publikum unterwegs zu sein. Liegt wohl am Wetter. Aber hier ist Besserung in Sicht, die Sonne wagt sich langsam hervor.
Links taucht ein Versorgungspunkt auf, ich nehme mir einen Becher Wasser und trinke vorsichtig im zügigen Gehen ein paar Schlucke - KALT!
Dann geht es für 8 km durch den „Darßer Urwald“. Ein Weg – mal Betonplatten, mal Waldweg, mal Schotter– links und rechts von Moor und Bäumen gesäumt. Schade, Kamera habe ich nicht dabei. Ich stelle fest, dass es mir immer noch sehr gut geht. Die Läuferin neben mir habe ich allerdings verloren.
Der 2. 5er Split ist dann 31:59 min, der dritte 32:14. Ich beschließe, nicht krampfhaft auf die 4:30 zu laufen, sondern so wie jetzt. Vielleicht werde ich schneller, wenn ich aus dem Wald heraus bin. Es läuft gut, ich fühle mich, als könnte ich Bäume ausreißen. Aber ich könnte mal für kleine… Nix da! Ich habe mehrfach im Training die Erfahrung gemacht, dass danach die Beine schlappmachen. Vermutlich durchs hinHOCKEN? Ich werde also tapfer durchhalten, bis ein Klo zum hinSETZEN kommt. Es ist ja nicht warm, also werde ich auch nicht so viel trinken müssen.
Langsam schiebt sich ein älterer Läufer an mir vorbei, und ich versuche, ob ich dranbleiben kann. Es klappt ganz gut. Bei km 19 geht es wieder auf einen Radweg. Bei km 20 wird Schatzi warten, ich freue mich schon richtig darauf, ihm zu sagen, wie gut es läuft. Also Lächeln und

für die Kamera, die er bereithält. Und dann schnell die Regenjacke gegen einen ordentlichen Haps Banaane (auf Mundhöhe bereitgehalten) tauschen, einen Becher Wasser mitnehmen. Mein persönlicher Bananaboy freut sich mit mir und schon geht es weiter.
Der 4. 5er Split liegt mit 31:38 wieder gut, Die HM-Marke passiere ich mit 2:16:xx. Ich laufe mittlerweile fast allein, wenige Läufer sind in Sichtweite.
Und dann kommt Ahrenshoop. Hier hat es mich bei den letzten beiden Malen entschärft. Also mein persönliches Waterloo. Und ich kann es kaum fassen, diesen Ort locker zu durchqueren und auch den kleinen fiesen Anstieg zur Steilküste hoch problemlos laufend zu bewältigen.

Ich denke wieder mal ans Klo, ich könnte schwören, letztes Jahr war hier noch eins. Egal, durchhalten, zur Not (aber nur zur allergrößten!) eben doch ins Gestrüpp...
Der nächste Abschnitt ist ein schmaler Weg direkt an der Steilküste lang. Die Aussicht ist einfach gigantisch. Der Horizont schwarz, das Meer zwischen dunkelblau und türkis und aufgewühlt. Der Wind ist wieder da – von vorne natürlich. Ich lasse mich nicht ärgern. Ich denke mit einem Lächeln daran, dass ich mir hier letztes Jahr richtig Zeit genommen habe zum Aussicht genießen, weil ich ja eigentlich schon aufgegeben hatte und spazieren ging. Aber heute? Immer noch alles gut! 32:05 zeigte meine Uhr beim nächsten 5er Split.
Bald liegt auch der km mit dem ollen Sandweg hinter mir und jetzt geht es durch Althagen. Bei km 28 nehme ich mir ein Stückchen Banane und bin gespannt auf den nächsten Abschnitt. Ca. 6 km Schotterradweg: links Feuchtwiesen, rechts Schilf und Bodden und am Horizont das Festland. Dieser Weg fühlt sich unendlich an, zum Glück heute ohne Gegenwind. Es ist auch schon ein bisschen wärmer geworden. Es läuft immer noch gut, ich werde zwar etwas langsamer, merke auch inzwischen die Belastung, fühle mich aber wohl. Gut gelaunt laufe ich an Schild „km 30“ vorbei und vergesse prompt, die Runde zu stoppen.

Naja, muss ich eben bei 31 stoppen und umrechnen. Ich überlege, ab wann ich es wohl wagen kann, vorsichtig ein klitzkleinesbisschen zu beschleunigen. Bei km 35 noch einmal auftanken und dann schauen, was geht? Vielleicht klappt die 4:30 doch noch? Ich schätze, dass ich dazu ca.1,5 min aufhohlen muss.
Am Ende dieses Stückes liegt der Campingplatz, hier müsste ich dann endlich mal auf´s Töpfchen, zumal ich ja noch was trinken will. Ich werde von Schatzi erwartet und teile ihm freudestrahlend mit: „4:30 wird eng – egal – es läuft gut!“
Das Waschhaus liegt dicht am Weg, also kein Umweg. Beim Hinsetzten melden sich alle beteiligten Muskeln. AUA! Okay, raus und weiterlaufen. Bloß keine Zeit verlieren.
Ich komme nur wenige Meter weit.

Meine Beine schmerzen, krampfen. Ich nutze den Versorgungspunkt um ein Stück zu gehen und einen Becher Cola zu trinken. Vielleicht hilft es ja. Ich quäle mich von einem km-Schild zum nächsten, nutze jetzt die Verpflegungstellen und esse die kleine Tüte Gummibärchen, die ich von Schatzi bekommen habe. „Wenn´s nicht mehr läuft, setzte ich mich an den Straßenrand, heul ne Runde und esse sie“ Hinsetzen und Heulen nur in Gedanken, aber ich versuche, so lange zu gehen, bis die Beine sich wieder einigermaßen gut anfühlen. Ein Becher Wasser, kurz anhalten, vielleicht hilft ja Dehnen? Naja,..
Mit zusammengebissenen Zähnen überhole ich den Besenwagen der Nordic Walker und hoffe, nicht schwach zu werden und einzusteigen. Oder eingesammelt zu werden. Das Ziel scheint mir unendlich weit weg, der einzige Trost ist, ich bin nicht die einzige, die Gehpausen einlegen muss.
Ich fühle mich schrecklich und will nur noch nach Hause. Mein Ziel werde ich nicht annähernd erreichen, das nagt an meiner Motivation. Der Traum ist futsch. Warum? Es lief doch so gut? Bis zur verhängnisvollen Pinkelpause (km 33,7) hatte ich einen Schnitt von 6:28 und war einfach nur glücklich.

Ein klein wenig besser wird es gegen Ende und ich versuche zu lächeln als ich die Ziellinie überquere. Geschafft… 4:47:43.
Ich konzentriere mich auf die ersten 34 km und wie toll sie waren und kann mich so über den Lauf freuen. Bis dahin bin ich ja ohne Probleme durchgelaufen, hatte Spaß und mein persönliches Waterloo Ahrenshoop war endlich Geschichte.
Für ein Alkoholfreies Bier vom Sponsor bin ich zu spät – alle. „Es waren wohl zu viel Läufer“ Jaja…

Aber im Zelt bei den fleißigen Physio´s ist ein Plätzchen frei für mich. Als sie meine Waden als „schön locker“ bezeichnet, erzähle ich ihr, was passiert war. Sie meint, das sei nicht ungewöhnlich. Der Körper / die Beine werden plötzlich aus der Ausdauerarbeit herausgerissen und sollen etwas ganz anderes leisten. Da kann es schon mal zum Streik kommen…
Montag war dann Katerstimmung. Nicht nur in den Beinen – das war erträglich - die gute Stimmung war verflogen ich hätte nur noch heulen können. Ein bisschen habe ich das auch. Ich hatte meine Ziele - unter 4:30 oder durchlaufen nicht erreicht. Die Chance war vertan. Es gab keinen krönenden Abschluss für das Training, keine strahlende Siegerin. War das denn zu viel verlangt? So hoch war das Ziel nun auch wieder nicht gesteckt. Ich wurde auch bockig und überlegte, mir meine „Belohnung“ dann eben im Herbst zu holen. Dieser Gedanke tröstete mich ein wenig.
Dann kamen unerwartet Glückwünsche von Kollegen, da hat wohl jemand gestalkt? Ich erzählte von meinem „Pech mit der Pullerpause“ und der Kollege sagte: „Mensch, aber Du lachst ja“. Stimmt, er hatte recht. Ich lachte und merkte, wie es mir wieder besser ging.
Abschließend gehe ich mit einem guten Gefühl aus diesem Marathon. Der Plan hat mich gut voran gebracht, ich würde sagen, er hat funktioniert. Der Lauf war toll, das letzte Viertel betrachte ich als “Pech gehabt“.
Jetzt wird erst mal in Ruhe regeneriert und dann?
Mich reizt es wirklich, Anfang Oktober in Bremen die hier versagte Belohnung zu kassieren…
Sorry, ist doch etwas länger geworden – ich konnte irgendwie nicht mehr aufhören zu schreiben…
Danke für´s Lesen
P.S.Ich versuche noch mal, ein paar Bilder reinzustellen