Einmal um ganz Köln herum - Kölnpfadlauf 2016
1Start war in der Nacht von Freitag auf Samstag um 0:00 Uhr. Ich persönlich fand es gut, ich bin ein Nachtmensch und laufe gerne durch die Nacht. Das erste kleine Missgeschick gab es für mich schon vor dem Start. Ich hatte mal wieder die Kamera dabei, aber schon bei den ersten Fotos beim Briefing kam die Meldung "Speicherkarte voll". Mist, die Urlaubs- und Familienfotos waren noch nicht gesichert und die konnte ich unmöglich löschen. Gut, dann ohne eigene Fotos. Aber auch so sind viele schöne Fotos zusammen gekommen. Danke Betty, Andreas, Eva, Susanne und Sanne und dies wird dank euch doch ein Fotobericht von den Highlights und den besonderen Momenten.
Das Zeitlimit für die Runde beträgt 32 Stunden. Unser Ziel war anzukommen, irgendwie, deshalb wollen wir bewusst langsam starten. Wir, das ist zunächst eine Vierergruppe mit Betty, Jessy, Rene und mir. Dazu gesellte sich etwas später noch Andreas. Eine harmonische Truppe, was das Läuferische und das Menschliche angeht hat es super gepasst. Wir haben die Sache locker gesehen, ohne auf jede Minute Zeitverlust zu achten, aber schon mit der nötigen sportlichen Ernsthaftigkeit. Und jeder der beim Kölnpfad mitläuft, der macht so einen langen Lauf nicht zum ersten mal, weiß also, worauf er sich einläßt. Zu unserer 5'er Gruppe gesellten sich zwischenzeitlich Freunde, die ein Stück mit uns mitgelaufen sind oder uns auf dem Rad begleitet haben. Aber auch immer mal wieder andere Läufer, die in etwa in unserem Tempo unterwegs waren. Wie das halt bei so einem Lauf üblich ist, Geselligkeit wird gesucht, das macht es einem unterwegs einfacher. Aber letztendlich muss jeder sein Tempo laufen, sonst hat man keine Chance.
Ok, Start um 0:00 Uhr in Köln-Höhenhaus, im Rechtsrheinischen. Von hier müssten wir erstmal ein paar Kilometer zum Kölnpfad hin laufen. Es geht gegen den Uhrzeigersinn um Köln herum. Nach gut 10 km treffen wir in Flittard auf den Rhein. Ab hier ist die Orientierung einfach. Vorher im dunklen Wald stellte das schon eine Herausforderung da. Ich hatte Ortskenntnisse, das hat uns sehr geholfen und uns vor grobem Verlaufen bewahrt. Andere waren ganz schön am Schimpfen, als sie uns zum zweiten oder dritten mal wieder überhiolt haben. Es ging erstmal am Rhein runter, Stammheim, Mülheim und dann über die Mülheimer Brücke auf die andere Seite und wieder den Rhein hinauf, Niehl, ums Fordwerk herum, Fühlinger See und kurz hinter der Leverkusener Autobahnbrücke wieder an den Rhein, Langel, bis kurz vor Worringen. Inzwischen ist es hell geworden und wir biegen nach links vom Rhein ab zum ersten großen VP. Unsere Gruppe funktioniert gut.
. Jessy und Betty, zwei starke Frauen - Rene, lustig und erfahren
Bald nach dem ersten VP ist irgendwo hinter Roggendorf-Thenhoven der erste Marathon schon geschafft. Die Zeit weiß ich nicht mehr, denke mal so rund 5 Stunden. Ich merke meine Beine schon, aber alles gut. Weiter gehts nach Esch, hier erleben wir den bittersten Moment der ganzen Tour. In Esch kommen wir an einem Edeka vorbei, der eigentlich noch geschlossen hat, sehen aber zum Glück wie Leute mit Brötchentüten aus einer Nebentür aus der Bäckerei herauskommen. Juhu, wir stürmen freundestahlend den Laden. "Gibt's schon Kaffee?" "Nein, die Kaffemaschine ist leider kaputt." Kaputt, NEEEIIIN!!! Entsetzen in unseren Gesichtern, wir stehen wie versteinert da, bis die Verkäuferin meint "Nur ein Scherz, natürlich gibt's Kaffee". Erleichterung, puh, klasse gemacht von ihr und es hat ja genau die richtigen getroffen. Mit Kaffee und frischen Teilchen geht es wieder auf die Strecke. Der Morgen ist gerettet.
Weiter geht's vorbei am Escher See und am Pescher See. Die 50 km sind erreicht. Uns geht es gut. Die Sonne scheint. Kurze Rast auf einer Parkbank. Dann weiter einmal rund um Bocklemünd, kurz dahinter wollen wir gerade einen Bahnübergang passieren, als die Schranken sich vor uns schließen. Schon das zweite Mal heute, bitte 10 Minuten Zeitgutschrift.
. Über Wiesen und Felder geht es weiter in Richtung Müngersdorf, zum Stadion. An der Stadion-Vorwiese ist bei gut 60 km die nächste VP, Einzug des 1. FC Kölnpfad, wie heißt es so schön: 5 Freunde müsst ihr sein.
. . Nach der Stärkung geht es am Stadion vorbei, Jahnwiese, Adenauerweiher, durch das Kölner Laufgebiet schlechthin. Da sind immer viele Jogger unterwegs und so fallen wir mit unserem langsamen Tempo gar nicht groß auf. Inzwischen nehmen die Gehanteile zu. Am Decksteiner Weiher am Bötchenverleih vom Haus am See gibt es nochmal ein Eis und am Geisbockheim des 1. FC Köln sind auch schon die 70 km voll. Es wird schwerer, obwohl es aus Entenperspektive immer noch schwerelos aussieht. ;-)
Weiter gehts bei langsam steigenden Temperaturen durch den Beethoven Park und den Klettenbergpark. Dann wieder in den Grüngürtel, wo bei etwa 75 km in der Höhe von Zollstock der nächste VP ist. Ja, man hangelt sich irgendwie vo VP zu VP. ;-) Weiter nach Hochkirchen, vorbei am Forstbotanischen Garten, die Sonne knallt. Das nächste Highlight eine Wasserstelle auf einem Friedhof, diese Kühlung war nötig. Es geht zunächst an Rodenkirchen vorbei runter nach Weiß, wo wir wieder auf den Rhein treffen. Wie schön, eine kleine Zusatz-VP. Auf der gegenüber liegenden Rheinseite sieht man Zündorf ganz nah. Da müssen wir hin, vielleicht 500m mit der Fähre rüber. Das wäre zu einfach. Wir müssen auf der einen Seite am Rhein entlang hoch bis zur Rodenkirchner Brücke und dann wieder runter. Hier bekomme ich meine erste kleine Kriese. Irgendwie streubt sich bei mir innerlich alles den folgenden öden Weg laufen zu wollen, der zieht sich endlos lang durch die blöden Auenwald am Rheinufer. Hinter jeder Kurve denkt man, so geschafft, nee, es geht nochmal weiter und nochmal. Ich bin heilfroh, als wir irgendwann den Campingplatz im Süden von Rodenkirchen erreichen. Wir gönnen uns erstmal das nächste Eis.
. Weiter geht's über die belebte Uferpromenade von Rodenkirchen. Hier wartet Alderamin auf mich, mit einer gekühlten Cola, klasse, das baut unheimlich auf, vielen Dank. Er hat hier vor einiger Zeit schon U_d_o abgepasst, der auch beim Lauf dabei ist, natürlich auf einem ganz anderen sportlichen Niveau als ich. Aber so ist das ja auch beim Marathon oder bei einem 10'er, jeder tut was er kann und versucht sein Bestes zu geben. Aber die Leidenschaft für die Sache ist etwas Verbindendes unter den Läufern.
Weiter geht's über die Rodenkirchner Brücke auf die andere Rheinseite. Unser Ziel ist die nächste VP in Porz-Ensen, das bringt uns nochmal etwas intensiver ans Laufen.
Diese VP wird von der lieben Susanne betreut und liegt ganz idyllisch direkt am Rheinufer im Schatten von ein paar Bäumen, traumhaft. Hier bleiben wir. ;-) Mit Susanne habe ich früher schon den einen oder anderen Lauf gemacht, schön sie mal wieder zu treffen.
. . Und ab hier begleitet uns Sanne, mit der ich aktuell viele Vorbereitungsläufe und Wettkämpfe gemacht habe. Sie ist eigentlich besser als ich auf den langen Strecken, ihr fehlt aber leider etwas der nötige Größenwahn, der bei mir vielleicht zu sehr ausgeprägt ist, um solche Strecken wie den Kölnpfad in Angriff zu nehmen. Sie kennt mich und merkt schnell, dass ich zu schwächeln anfange und unterstützt mich. In Porz auf der Uferpromenade ist die 100 km erreicht, juhu. In 16 h, das ist sogar für mich langsam, aber das war so auch in etwa gewollt, denn bei einem 100 Meiler beginnt die zweite Hälfte bei 100 km, wie es so schön heißt.
In Zündorf dann schon wieder der nächste Zwischenstopp, die Außengastronomie an der Groov ist so schön und die Sonne lacht, das musste einfach sein.
Weiter geht's in Richtung Langel. Ich schwächele immer mehr, mir ist warm. Auch Jessy muss kämpfen, aber sie hatte sowieso geplant bei 110 km mit einer "kleinen Wertung" auszusteigen. Aber ich will noch weiter, ich muss mich irgendwie wieder fangen, erstmal weiter bis zur nächsten VP, nach einer Pause wird es bestimmt wieder besser.
. Wir gehen fast nur noch, das dauert gefühlt ewig und die knallige Sonne stört mich immer mehr. Am VP lege ich mich hin. Hier sind schon einige Läufer ungeplant ausgestiegen. Ich nicht. Ich will weiter machen. Irgendwie. Das hat doch bislang immer noch irgendwie geklappt. Wir verabschieden uns von Jessy, war richtig nett mit dir, und verlassen den VP. Es geht zunächst über den Hochwasserdamm weiter. Den anderen dreien geht es gut, mir nicht so wirklich.
Nach dem Damm kommt eine öde Strecke über freies Feld über holprige Feldwege. Das ist immer wieder blöd hier zu Laufen. Und die Sonne knallt von hinten. Ich gehe nur noch, mehr ist nicht drin, ich überhitze so ja schon.
Und kein Schatten in Sicht. Erst als wir an einem Modellflughafen vorbei kommen. Für die Flugzeuge habe ich so gar keinen Blick. Schatten. Endlich Schatten. Und hinlegen. Auf einer Toilette gibt es ein Waschbecken mit kaltem Wasser. Aber auch das hilft mir nicht richtig weiter. Hier trennen sich unsere Wege. Die drei ziehen weiter, Sanne bleibt bei mir. Ich bin froh, dass sie bei mir ist. Nach einigen Minuten rappele ich mich langsam auf. Weiter geht's. Nein geht's nicht, nicht wirklich. Ich muss mich zum Gehen zwingen. Das hatte ich bislang noch nie. Irgendwie hat das Gehen immer funktioniert. Das kannte ich so noch nicht, ein neues Gefühl. Wir schleichen ganz langsam weiter nach Libur. Wieder durch die blöde Sonne. Ich bin froh Libur zu erreichen, hier wird jedes Stück Schatten ausgenutzt. Wir kommen an einer Kneipe mit Terasse vorbei, gut gefüllt. Nein, ich will jetzt kein Bier. Eine Ecke weiter muss ich mich übergeben. Danach geht es mir eigentlich besser, aber ich spreche mit Sanne und mein Entschluss zum Ausstieg steht. Meine Akkus sind leer, auch die Reserven. Das wird nix mehr. Nein.
Aber ich bin nicht traurig, ich fühle es nicht als Niederlage, auch jetzt im Nachhinein nicht. Natürlich wäre ich gerne nochmal ganz rum gekommen, das ist schade. Aber insgesamt war das so ein schöner Tag mit so vielen schönen Erlebnissen. Das Positive überwiegt weit. Und am Schluss in Porz-Wahn habe ich gut 120 km abgespuhlt. Das ist ja auch nicht schlecht, für einen Hobby-Ultraläufer wie mich. ;-) Das letzte Stück von Libur bis zum Bahnhof in Porz-Wahn bewältigen wir im Schleichtempo. Es ist schön Sanne an der Seite zu haben. Danke dir. In der S-Bahn nicke ich ständig ein, obwohl ich krampfhaft versuche wach zu bleiben. Komisch, die Müdigkeit war im Laufen gar kein Problem, jetzt plötzlich fehlt jede Energie. In Ehrenfeld nach dem Aussteigen schleiche ich vom Bahnsteig, ich bin ich der letzte, der vom Bahnsteig runter kommt, jede Omi ist schneller als ich. Ich habe mich noch komplett unter Konrolle, das ist kein Problem, aber es fehlt einfach die Energie, mich vorwärts zu bewegen. Eine ganz neue Erfahrung, die ich so auf allen meinen vielen langen Läufen noch nie hatte. Und mir ist es unterwegs schon einige mal richtig schlecht gegangen, aber Gehen zum Erholen hat noch immer funktioniert.
Zuhause kostet jede Aktion unheimlich viel Kraftanstrengung. Ich esse und ich trinke etwas. Und ich will auf dem Live-Track verfolgen, wie die anderen weiter kommen, und Fotos vom Tag anschauen. Aber ich nicke mitten beim Tippen ständig weg. Im Bett schlafe ich sofort und schlafe bis zum Morgen durch. Nach dem Aufwachen ist alles wieder normal, als wäre nie etwas gewesen. Vielleicht bin ich ja langsam wirklich zu alt für solch einen groben Unsinn. ;-)
Mittags geht's noch zur Pastaparty und zur Siegerehrung. Es ist richtig schön viele Läufer nochmal wieder zu sehen. Einige hat der Lauf ganz schön gezeichnet. Einige mussten wie ich frühzeitig abbrechen. Man hört sich die Geschichten an. Die Nacht durch den dunken Wald hat nochmal alles gefordert. Z.B. U_d_o erzählt, dass er kurz vorm Ziel ... nee, das soll er lieber selber erzählen. Schön dich auch mal in echt kennen gelernt zu haben. Du bist ein großes Vorbild für mich und für viele hier im Forum. Großen Respekt. Die Nacht hätte ich nie geschafft in meiner Verfassung vom Vorabend, also alles richtig gemacht. Das nette Beisammensein der Läufer ist ein schöner Abschluss eines für mich schönen Abenteuers mit vielen schönen Erlebnissen unterwegs. Jeder Finisher erhält eine Gürtelschnalle, meine hat sogar zwei Sterne, für meine beiden Finishes. Keine Ahnung wie ich das damals als völlig unerfahrener Läufer geschafft habe. Die Chancen auf einen weiteren Stern sehen aber nicht so rosig aus, muss ja auch nicht. ;-)
2022: erledigt: G1-Grüngürtel, Kölnpfad 100k, Burginsellauf Delmenhorst 24h Staffel(!), Mega Marsch Köln (63k) ... geplant: nix