Der 47. Rennsteiglauf SM 2019
Vorbereitung
Es gab keine explizite Vorbereitung für den Rennsteig im eigentlichen Sinn, sondern es war eher eine Aneinanderreihung von Wettkämpfen und Spaßläufen. So sind 2019 sieben Läufe zusammengekommen, zwischen 40-84 Kilometer, dabei war auch ein Treppenlauf WK.
Aufgrund dessen gab es nur ein einziges Ziel, beim Rennsteiglauf SM die 7h zu knacken. Dieses ist dann der 3. Start (2017 (7:19) / 2018 (7:04)) in Eisenach und die 4 Minuten vom letzten Jahr müssen bei der „Vorbereitung“ doch machbar sein!
Der Tag davor
Nach knapp 3h Auto Fahrt kam ich problemlos in Eisenach an, ins Hotel eingecheckt, die Startunterlagen abgeholt und noch schnell ins Festzelt, Gulasch mit Knödeln essen.

Nach den 3h Fahrt war mir aber nicht mehr nach lauter Musik, noch eine Thüringer Bratwurst geschnappt und es ging zurück ins Hotel, ausruhen.
Planung Lauf
Gut wenn man die Strecke schon zweimal gelaufen ist, somit fiel mir die Planung auch leicht. Die Steigungen mit moderatem Tempo hoch, dabei den Puls beobachten, bei Gefälle Tempo machen und die steileren Hügelabschnitte immer gehen. Des Weiteren keine Standpausen an den Ständen, solange es geht.
Von der zeitlichen Planung her gab es nur eine einzige Vorgabe nach der ich mich richten würde, die Ø5:40 min/km. Diesen Wert galt es bis zum Ziel zu verteidigen, nur dann sind die 7h möglich.
Der Tag
Die vorherige Woche war mit wenig Schlaf verbunden, meist nur 5-6 Stunden. Dieses kam mir nun zugute, auch wenn ich mir vorgenommen hatte zeitig ins Bett zu gehen, wurde es dann doch erst 23 Uhr. 5 Minuten bevor der Wecker um 4 Uhr klingelte bin ich aufgewacht und war sofort munter, top. Erst am Vortag hatte ich erfahren, dass das Hotel Läufer Frühstück ab 4:30 Uhr anbietet und so war ich auch pünktlich vor Ort. Es waren schon diverse Läufer da, bei mir blieb es bei einem Käsebrötchen, Orangensaft und etwas Mozzarella, mehr ging nicht um diese Uhrzeit.
Blick auf Eisenach am Morgen
Der Lauf
5:45 Uhr ging es vom Hotelzimmer los zum Start, langsam joggend, die Temperatur war so um die 6 Grad. Es muss wohl an der Aufregung gelegen haben, es war zwar frisch, mir war aber nie kalt. 3 Minuten vor dem Start stand ich vor dem Startbogen, super Stimmung und habe mich gleich in die 3. Reihe gestellt. Aus den letzten beiden Jahren weiß ich, wenn man flott laufen will, sollte man sich definitiv in die vorderen Reihen stellen, sonst ist man auf einigen Kilometern im Läuferfeld „eingeklemmt“.
Und schon erfolgte der Start, den ersten Km aus Eisenach raus bin ich sehr verhalten angegangen, erst mal warm werden. Der erste Anstieg erfolgte und begrüßt wurden wir, wie „jedes Jahr“, vom Heli oben auf dem ersten Hügel.
Km 1-10
Die ersten Kilometer sind hügelig, Waldweg mit wenigen Steinen, lässt sich gut laufen. Im Nachhinein gingen die Km 6-9 wohl zu schnell weg, im Durchschnitt mit 4:50. Beim Getränkestand bei Km 7 gab es Wasser, hatte einen trockenen Mund vom Brötchen. Die ersten Sonnenstrahlen fielen durch die Bäume und wärmten ab und an, kaum Wind, geniales Wetter für so einen Lauf! Am Vortag gab es ein Ziehen und Zerren von der gesamten Orthopädie, samt Knie, heute nur auf den ersten Kilometern und danach war Ruhe, läuft!
Km 10-20
Langsam und stetig geht es immer höher hinaus, das erste Drittel von dem Lauf hat die meisten Höhenmeter. Das Läuferfeld entzerrt sich nun langsam, einige Läufer sah man trotzdem immer wieder, spätestens am nächsten Verpflegungsstand, wo ich mir stets nur ein Becher schnappte und weiter lief. Die ØPace lag bei Km 18 zwischenzeitlich bei 5:12, sieht gut aus, wusste aber auch, was die nächsten Km noch so kommt.
Zwischen Km 18-19 kam dann ein kleines Waldstück, wo es richtig durch den Wald geht, mit vielen Baumwurzeln und nadelbedecktem Boden, zwischen den Bäumen hindurch. Die Sonne schien durch die Baumwipfel, optisch ein Traum.
Und dann ist es passiert … nach knapp 9 Laufjahren hat es mich das allererste Mal so richtig auf die Fre**e gelegt, im wahrsten Wortsinn. Bin wohl an einer Baumwurzel hängen geblieben, ein langer Ausfallschritt, ein zweiter langer Ausfallschritt, Hechtsprung wie im Bad … Waldboden und habe dann auch mit dem Gesicht gebremst. Kann nicht wahr sein! Die Nadeln ausgespuckt, schnell aufgestanden, Kontrolle. Gesicht ok, Knie ok, Arme und Beine ok, nur verdreckt, keine Wunden. Schwein gehabt! Das hätte bei den ganzen Wurzeln hier echt übel ausgehen können, muss wohl die einzige Stelle gewesen sein, wo es nur nadeligen Waldboden gab. Das Adrenalin half mir die nächste Steigung gut zu überstehen.
Km 20-30
Die nächsten Km drehten sich dann nur noch um den Sturz, hat mich so richtig geärgert. Bis zum Großen Inselsberg (Km 25,5) gab es zwei moderate Steigungen und dann noch eine ordentliche bis hoch zur Spitze, alle drei bin ich gegangen. Auch beim Gehen war der Puls im hohen, orangenen Bereich, hoch laufen macht für mich da keinen Sinn, kostet nur Kraft.
Oben auf dem Inselsberg war dieses Jahr, trotz des schönen Wetters (oder deswegen?), nicht viel los, nur ein paar Leute. Egal, es ging wieder bergab, Zeit wieder aufholen war aber vorerst nicht drin. Treppen und eine echt fiese Asphaltstraße mit üblen Unebenheiten und ordentlich Gefälle kamen nun, kurze Trippelschritte waren angesagt. Danach wurde aber bei jedem noch so kleinem Gefälle Tempo gemacht, dieses lag oft so um die 4:35, Zeit wieder gut machen war angesagt.
Km 30-40
Die nächsten Km waren angenehm zu laufen, dieses ist der flachste Abschnitt mit den wenigsten Höhenmetern. Bei Km 34 stellte sich ein leichtes Hungergefühl ein, das Essen gestern Abend war überschaubar und auch heute früh hielt es sich arg in Grenzen, Mist. Eigentlich hätte ich es ignoriert, aber es war noch nicht mal die Hälfte geschafft, da war mir klar, dass wird so nix.
Der Plan stand schnell, bei Km 37,5 gibt es quasi Vollverpflegung, also wird es mal wieder Zeit für einen Heidelbeere Haferschleim.

Die letzten zwei Jahre war ich dort an der Ebertswiese schon echt fertig, dieses Mal sah es gut aus. Also habe ich mir die Zeit genommen und bei ~1,5 Minuten Pause einen leckeren Haferschleim gegönnt, samt Apfelschorle. Die kurze Pause hat echt Wunder bewirkt, die nächsten Kilometer war wieder gut Kraft da. Die Durchschnittspace bei Km 40, 5:25.
Km 40-51
Der für mich schlimmste Streckenabschnitt. Bei Km 42/43 geht es gleich mal recht steil 150 Hm hoch, Km 43 war dann auch der langsamste, mit 8:36. Noch schlimmer waren für mich die nachfolgenden Km. Mehrere lange, flache Steigungen, zum Gehen zu flach, zum Laufen echt übel. Die Kilometerzeiten 6:18/6:11/6:22/6:24 … das kann einem echt den Zahn ziehen, vor allem beim Blick auf die geplante Pace. Eben diese ging Stück für Stück hoch und war bei Km 51 dann schon bei 5:33 … es wird langsam eng.
Km 52-60
Mittlerweile ist es warm (15-17 Grad) geworden, bin echt froh in kurz/kurz unterwegs zu sein. Die Beschaffenheit der Wege hat sich mittlerweile auch geändert, es gab nun öfters Stein Schotterpisten, die echt übel zu laufen sind, vor allem abwärts. Bei Km 54 dann ein kleines Highlight, der Grenzadler mit toller Stimmung, „nur noch“ 20 Km bis zum Ziel. Dieses Jahr gab es nur eine Apfelschorle und weiter ging es, keine Zeit um was zu essen. Es ging direkt wieder hoch und die Pace sank weiter.
Kilometer 58, es ging mit leichtem Gefälle eine Stein Schotterpiste hinunter, Tempo machen ist angesagt. In Gedanken versunken müsste eigentlich bald eine Verpflegungsstation (Sommerwiese) kommen, wo ich letztes Jahr Bier getrunken habe und direkt danach eine lange Steigung, wo ich Teile davon gegangen bin. Dort könnte man Zeit gegenüber dem Vorjahr gut machen.
Und kaum denke ich dieses … ist es passiert … nach knapp 9 Laufjahren hat es mich das zweite Mal so richtig hingebrettert. Direkt von 100 auf 0, keine Chance da noch irgendwas abzufangen.
#§$%$&!!! Sofort aufgestanden und Kontrolle. Gesicht ok, ein Knie leicht blutig, beide Handflächen haben mehrere Hautabschürfungen, den rechten Unterarm hat es am schlimmsten erwischt, diverse Schürfwunden von oben bis unten und kurz über dem Ellenbogen eine tiefere Wunde, wo es die Haut ein Stück abgezogen hat und es schön suppte. War zusätzlich alles noch schön verdreckt ...
#§$%$&!!!
Ein Läufer war nun kurz hinter mir und er hat zweimal gefragt ob alles ok ist und ob auch wirklich alles ok. Muss wohl schlimm ausgesehen haben.
16 Km vor dem Ziel aufgeben? Die Wunden von den Sanis versorgen lassen und das Zeit Ziel aufgeben? Nach der ganzen Quälerei bis hier her es nächstes Jahr noch mal versuchen?
NEIN!!! Also weiter ging es, nach ein paar Metern war dann auch klar, dass ansonsten alles heil geblieben ist. Nur der rechte Oberschenkel fühlte sich nun öfters wie geschwollen an, nach dem Lauf entdeckte ich unter der Hose noch zwei weitere Schnittverletzungen.
Der Getränkestand kam auch kurze Zeit später. Ein Wasser geschnappt, was glücklicherweise gut gefüllt war, ein paar Minischlucke getrunken und den Rest über den Unterarm geschüttet, der von oben bis unten voller Blut war. Voller Wut und Adrenalin bin ich die längere Steigung danach einfach hochgelaufen … das konnte doch alles nicht wahr sein!!!
Km 60-70
Es ging nun die letzte große Steigung zum Großen Beerberg hoch und ich kroch so richtig auf dem Zahnfleisch. Es gingen bis zum Km 63 wieder vier Kilometer mit 6:31/7:05/6:30/6:02 weg und bei der Pace konnte man zuschauen, wie diese sich von Sekunde zu Sekunde immer weiter erhöhte. Nun wurde es kritisch, noch 11 Km und mittlerweile war die Pace bei 5:39, es kamen Zweifel auf. Mittlerweile war ich mehr mit Rechnen beschäftigt, als mich aufs Laufen zu konzentrieren, auch eine Art der Ablenkung.
Tempo zu machen wurde immer schwieriger, selbst bergab, gerade Strecken waren nun eine richtige Qual. Eigentlich wollte ich die restlichen Stände auslassen, wegen der Zeit. Hat beim Stand der Schmücke (Km 65) nicht funktioniert, es musste nun einfach sein. Angehalten, einen kompletten Becher Apfelschorle getrunken und weiter ging es, den letzten Stand (Km 69) habe ich dann aber ausgelassen.
Mittlerweile waren die Wanderer auf demselben Weg, die öfters auch applaudiert haben. Schöne Sache, konnte mich dieses Mal aber nicht wirklich drüber freuen, ich hatte arg mit mir selbst zu kämpfen. Noch ein letzter Anstieg gehend und es war fast geschafft, dieses Jahr zum Glück kein roter Pulsbereich.
Km 70-74
Mir war nun klar, das muss reichen, den Rest geht es nur noch ins Tal runter, Erleichterung pur! Wurde auf den letzten Kilometern mehrfach überholt, konnte dem aber rein gar nichts entgegensetzen, war komplett platt. Es gibt ein paar hundert Meter vor dem Ziel noch einen kleinen Minihügel, wo ich echt dran gedacht habe diesen hoch zu Gehen ... durch die vielen Anfeuerungen der Wanderer dort wurde ich aber regelrecht hoch getragen.
Die Zielgerade, endlich, aus dem Augenwinkel habe ich noch einen Läufer hinter mir entdeckt, der schnell immer näher kam. Der Kampfgeist war noch mal geweckt und es hat sogar noch zu einem kleinen Zielsprint gereicht.
Geschafft!!!

Ein weiteres Highlight in meinem Läuferleben, wenn auch ein kurioses, daran werde ich mich lange erinnern.
Zwei Apfelschorle geschnappt und erst mal ein paar Minuten hingesetzt, danach ging es ins Sani Zelt zur Wundversorgung, sah ziemlich lädiert aus. Ein Andenken habe ich mir noch mitgenommen, einen Rennsteig Plastebecher, der auch später im Hotel sehr vorteilhaft war. Dort gab es nur ein 0,1 L Wasserglas, was bei Büchsen Weizenbier echt unvorteilhaft war.
Nach dem Lauf
Es ging mit dem Bus zurück nach Eisenach, ins Hotelzimmer, und dort habe ich mir die gesamte Misere erstmal in Ruhe angeschaut. Musste mir beim verdienten Weißbier auch überlegen, wie ich die Nacht verbringe, ohne das Bettlagen mit Blut und Eiter zu versauen. Habe es zumindest fast hinbekommen.

So lädiert war mir nicht nach Ausgehen, habe dann halt mit mir selbst "gefeiert".
Die Tage danach
Orthopädisch alles ok, die Oberschenkel brennen auch am zweiten Tag noch ordentlich, die Wunden sind am Abheilen.
Fazit
Die „Vorbereitung“ durch die langen Läufe, Tempo (M) und dem Treppenlauf war echt gut, die Beine waren nicht das Problem. Bis auf die Stürze hat auch alles geklappt, dazu geniales Laufwetter und ein gutes Laufgewicht. Diese perfekte Kombination wird es so schnell nicht mehr geben, werde auch nicht jünger, deswegen wird es wohl mein erster und letzter Lauf auf Zeit beim Rennsteig SM gewesen sein.
Das ändert aber nichts daran, dass ich den Rennsteig mag, Lauf und Hotel sind für 2020 bereits gebucht! Nächstes Jahr aber gemütlich, endlich mal ausführlich das Buffet und Bier an den vielen Ständen testen und den Lauf einfach nur genießen.
Ergebnis
6:56:01 / Ø5:38 / Ø79% HFmax. / 97. Platz M / 18. AK M40.