Von der südlichsten Stadt Deutschlands mit dem Tretroller nach Hause
Die geplante Tour:
mit dem Zug von Nürnberg nach Oberstdorf und dann mit dem Tretroller zurück, erst den Iller Radweg bis Ulm, weiter den Donau Radweg bis Donauwörth und dann Richtung Norden über Treuchtlingen, Weißenburg am Brombachsee vorbei und weiter über Spalt und Schwabach nach Zirndorf.
Strecke 341km
Zuerst das Abendteuer Bahnfahrt! Bei der Suche nach einer passenden Verbindung das erste Problem: Schienenersatzverkehr die letzten 30km von Immenstadt bis Oberstdorf.... wegen Personalmangel
Bei einer einzigen Verbindung um 8:30 ab Nürnberg stand trotzdem Fahrradmitnahme dabei. Telefonische Auskunft dazu war: stimmt wohl eher nicht! Ich hab's trotzdem gebucht aus Mangel an Alternativen.
Dann die nächste Schikane: Sperrzeit im öffentlichen Nahverkehr für Fahrräder von 6-9Uhr. Also eine halbe Stunde eher aufstehen und die 12km von Zirndorf bis zum Nürnberger Hbf rollern.
1.Tag (27.August)
Bei der Fahrkartenkontrolle im Zug nach Donauwörth zeige ich meine Fahrradkarte. Darauf der Schaffner: "die brauchen Sie nicht, das ist doch ein Tretroller!" Prima, denke ich, der Mann kennt sich aus. Eine Stunde später... selber Zug nach Personalwechsel... ich zeige mein Ticket, worauf gleich die Frage kommt: "und wo ist die Fahrradkarte?" "Ihr Kollege hat mir gesagt, die brauche ich nicht, weil es ein Tretroller ist" "Ach so, dass ist ein Tretroller? Das geht aber eigentlich im Prinzip gar nicht!!!"
Häh????

Was will mir dieser Mensch sagen? Gehen Tretroller im Zug gar nicht? Oder muss ich warten, bis die Bahn eine Tretrollerkarte erfindet? Oder meinte er nur seinen Kollegen? Jedenfalls hat er mich dann mit der Fahrradkarte doch weiterfahren lassen.
Im Zug nach Immenstadt frage ich nochmal wegen der Fahrradmitnahme im SEV und wieder kommt "das geht wohl nicht, aber reden Sie mit dem Busfahrer" als Antwort. Schade, diese 30km sind landschaftlich die schönsten mit den Bergen rundherum.
Aber dann die Überraschung: vor dem Bus steht ein Transporter für das Gepäck und so ist mein Roller schon vor mir am Ziel. Ich bin um 14:00 am Ziel. Traumhaftes Wetter und ein herrliches Alpenpanorama.

Nach einer kurzen Runde durch die (sehr touristische) Stadt mache ich mich gegen drei Uhr auf die Socken... ähm... den Roller.
Etwa 1km außerhalb ist der eigentliche Startpunkt meiner Tour: der Iller Ursprung. Hier entsteht die Iller durch den Zusammenfluss aus den Bächen Trettach, Stillach und Breitach.
Der Radweg ist überwiegend breite Schotterpiste und gut zu fahren, nur leider der reinste eBike-Highway und ich senke mit meinen 61 Jahren den Altersdurchschnitt gewaltig! Das ist wohl der Preis für die grandiose Kulisse.
Nach etwa 30km kommt vom Hinterrad ein heftiges Schlagen. Der Mantel zeigt einen deutlichen S-Schlag mit einer Beule auf der Lauffläche. Das Profil zeigt hier schon stärkere Abnutzung. Offensichtlich ist das Gewebe im Mantel gerissen.
Erste Hilfe: Luft ablassen. Mit nur noch etwa 1bar ist das Risiko eines Reifenplatzers deutlich geringer. Auf den nächsten Kilometern überlege ich mir, wie ich mit meinen Bordmitteln eine Notreparatur machen könnte. In Kempten oder Ulm finde ich bestimmt ein Fahrradgeschäft um einen neuen Reifen zu kaufen.
Gegen fünf Uhr bin ich in Kempten (der Reifen hält noch) und fange mit der Zimmersuche an. Etwas Preiswertes zu finden ist schwieriger als erwartet, aber dann werde ich ein Stück außerhalb ein paar Kilometer abseits des Radweges (natürlich 100m höher!) fündig:
"Ich bin nicht da, aber die Haustür ist offen, bei Zimmer 11 steckt der Schlüssel. Werfen Sie mir das Geld bei der Abfahrt einfach in den Briefkasten."
Die Dame hatte nur meinen Nachnamen. So viel Vertrauen ist einfach schön!
2. Tag
Jetzt sind deutlich weniger Radfahrer unterwegs. Die Kulisse ist nicht mehr so beeindruckend, sondern so, wie ich mir das Allgäu vorstelle. Dafür ist der Weg sehr viel schöner und schmaler geworden.
Nach etwa 60km kommt ein sportlicher Radfahrer von hinten und reiht sich neben mir ein.
"Kann es sein, dass ich dich gestern Nachmittag in Oberstdorf gesehen habe?"
"Ja"
"Und wohin willst du?"
"Nach Zirndorf bei Nürnberg"
"Warum machst du das??? Warum so eine weite Strecke mit dem Tretroller??? Warum nimmst du nicht das Fahrrad?"
"Weil es Spaß mach!!! Und weil es geht!!!"
Darauf wusste er nichts mehr zu antworten.

Wir haben uns aber trotzdem noch eine Weile sehr nett unterhalten.
Nach exakt 100km erreiche ich Ulm und finde tatsächlich in der Stadt eine passende Unterkunft. Der Reifen sieht immer noch genauso aus und ich beschließe, es damit bis nach Hause zu probieren.
Nach dem Abendessen habe ich noch genügend Zeit, mir die schöne Altstadt in Ruhe anzuschauen, bevor ich um neun Uhr todmüde ins Bett falle.
3.Tag
Heute ist eine Kaltfront vorhergesagt und ich breche zeitig auf, um möglichst viele Kilometer vor dem Regen zu schaffen. Mein Ziel für heute ist Donauwörth.
Dort, wo der Radweg am Donauufer entlanggeht, ist es wunderschön.
In diesen angelegten Biotopen konnte ich zum ersten Mal in meinem Leben Eisvögel beobachten!
Um 10:00 zwingt mich ein heftiges Gewitter zu einer Zwangspause. Zum Glück erwischt mich nur der Rand, das Zentrum (lila im Regenradar) liegt südlich der Donau
Den ganzen Vormittag gibt es leichte Schauer, immer liegt das Zentrum südlich der Donau und es streift mich nur. Mittags dann nochmal was heftigeres, aber Maria hilft mir gerne und gewährt mir Unterschlupf. Leider ist das eine Mittagspause im Stehen, aber besser als nass zu werden.
Danach klart es langsam wieder auf und am Nachmittag gibt es noch viel Sonnenschein und ...
v i e l Rückenwind.
Leider führt mehr als ein Drittel der Strecke abseits der Donau über Landstraßen oder abgesetzte Radwege an stark befahren Straßen. Das ist weniger spaßig! Einmal kommt mir ein wild hupender Kleinwagen entgegen und der Fahrer winkt freudestrahlend, der gehört wohl auch unserer seltenen Spezies an und hat in mir einen Artgenossen erkannt

Um kurz nach drei bin ich nach 93km schon in Donauwörth und mache in einem Biergarten die weitere Planung. Wenn ich noch 20km weiterfahre und den ersten Anstieg von 350m hinter mich bringe, brauche ich keine weitere Übernachtung mehr. Es ist noch früh am Tag, ich bin (dank des Rückenwinds) noch fit, also weiter geht's.
Ich finde eine Unterkunft in Monheim, 22km. Nach 2 Stunden Pause stehe ich wieder auf dem Roller. Die Pizza am Abend schmeckt besonders gut.
4.Tag
Wieder strahlender Sonnenschein.
Nach Plan nur noch 92km! Ich hatte nach der topographischen Karte geplant. Nach ein paar Kilometern treffe ich auf den Fahrradweg nach Treuchtlingen. Der ist viel schöner, aber leider auch etwas länger. Das Gleiche passiert auf dem Weg von Treuchtlingen nach Weißenburg.
So müssen Radwege ausschauen:
Pause in Ellingen im Biergarten der Schlossbrauerei direkt gegenüber vom Schloss. Sehr schönes Ambiente und sehr leckeres Bier!
Mittagspause am Brombachsee. Hier spricht mich ein Radler begeistert auf den Carbonroller an. Er ist Segler und baut selber viel in Carbon. Wir fachsimpeln dann über eine Stunde über Techniken und Kniffe bei der Carbonverarbeitung, eine sehr nette Begegnung!
Kurz hinter Spalt treffe ich auf meine Standardrunde um den Rothsee und fahre die letzten 30km auf bekannten Wegen.
Um 17:00 bin ich wieder in Zirndorf. Aber bevor ich ganz nach Hause fahre, falle ich erst noch in der weltbesten Eisdiele ein und kaufe mir ein
großes Belohnungseis!!!
Der Reifen hat bis zum Schluss durchgehalten und die Einbuße beim Fahrverhalten und Rollwiderstand wegen des geringen Reifendrucks war noch akzeptabel. Es hat halt den ganzen Weg etwas gehoppelt
Als der Roller wieder in der Garage steht, zeigt der Tacho eine Gesamtstrecke von 387km an!