Hallo Liberty2,
egal wie oft Fragen wie deine schon gestellt wurden, es bleibt trotzdem sinnvoll sie zu stellen. Ähnlich oder identisch sind nur die Fragen, die Anworten dagegen vielfach individuell, weil sie die Voraussetzungen des Fragers berücksichtigen müssen. Zunächst etwas Grundsätzliches: Ob Übergewichtige laufen sollten, hängt vom Grad ihrer erreichten Unbeweglichkeit, vor allem von der Höhe des Übergewichts ab. Du machst dazu keine Angaben, beschreibst lediglich deine bisherigen Laufversuche als eher „unterfordernd“. Daraus kann man den Schluss ziehen, dass Laufen für dich durchaus sinnvoll und gesundheitlich auch verträglich möglich ist. Dennoch solltest du dich – wie übrigens jeder der mit dem Laufen, also einer geplant häufigen Ausdauerbelastung beginnen will – einem Sportarzt vorstellen und checken lassen.
Vorneweg noch dies: Falls dir das Laufen einzig zur Gewichtsreduktion dient, womöglich nicht mal besonderen Spaß macht, dann solltest du es lassen. Denn Ausdauersport auf notwendigerweise zu Beginn niedrigem Niveau ist denkbar schlecht zur Unterstützung deines Abnahmewunsches geeignet. Wer dies versucht, stellt – wenn überhaupt - zu Beginn eine kleine Abnahme fest (ein, zwei Kilo), dann stagniert das Gewicht. Die Abnahme hat den Grund, dass die Muskulatur durch das Laufen „aktiviert“ wird, was den Grundumsatz (Kalorien, die der Körper zur Lebenserhaltung täglich verbraucht, ohne Mehrbelastung) erhöht. Sobald das Laufen endet, ist dieses Gewicht wieder da, weil der Grundumsatz zurückgeht. Die einfache Rechnung "beim Laufen verbrauche ich x Kalorien, also nehme ich entsprechend ab", ist falsch. Weil der Körper sich diese Kalorien (=Energie) automatisch zurückholt. Abnehmen ist generell nur durch eine Umstellung der Ernährung möglich (weglassen, was einem die Kilos einbrachte), kann durch Sport aber effektiv unterstützt werden. Nur gibt es Sportarten, die zur Unterstützung weit besser geeignet sind, als Ausdauersport wie Laufen, Radfahren oder Schwimmen. Solche Sportarten fußen auf punktuell höheren Belastungen der Muskulatur, wie sie etwa für Krafttraining im Fitnessstudio typisch sind.
Wenn du jedoch Spaß am Laufen hast und keine Gründe dagegen sprechen (was ich mir auf Grund deiner Schilderung nicht vorstellen kann), dann kommt es entscheidend darauf an methodisch sinnvoll vorzugehen. Du hast das im Grunde richtig (= vorsichtig) begonnen. Allerdings ist das wechselweise Traben und Gehen als Einstiegstraining nicht zwingend notwendig. Es ist die richtige Form für Menschen, die nicht anders können. Ich habe vielfach Menschen erlebt, unter anderem auch in Einsteigerseminaren, die nach wenigen Minuten eben nicht mehr langsam traben konnten. In deinem Fall scheint mehr möglich zu sein. Die ärztliche Unbedenklichkeit vorausgesetzt hätte ich dir empfohlen zunächst einmal einfach loszulaufen und zu testen „was geht“. Vielleicht hättest du 20 Minuten ohne Pause traben können. Länger muss für den Anfang gar nicht sein, sollte auch nicht unbedingt sein, schon gar nicht bei Übergewicht. Darauf kann man dann aufbauen und einfache Trainingsempfehlungen geben.
Zu Anfang heißt das genau dreimal pro Woche laufen. Zum Beispiel diese 20 Minuten. Zwischen zwei Lauftagen immer mindestens einen Tag Pause, damit sich der Körper erholen und anpassen kann. In der Folgewoche dann das Laufpensum erhöhen. Man betrachtet immer das Laufpensum in einer Woche, also im Beispiel die 3x20 min = 60 min. In der Folgewoche sollte man nicht um mehr als 10% erhöhen. Im Beispiel bietet sich eine Steigerung um 5 min an. In Woche 2 also 20/20/25 min. Das lässt sich nun über mehrere Wochen so fortsetzen, etwa so:
Woche1: 20/20/20
Woche2: 20/20/25
Woche3:20/25/25
Woche4: 20/25/30
Woche5: 25/25/30
Woche6: 25/30/30
Woche7: 25/30/35
Woche8: 20/20/20 (Regenerationswoche)
Von diesem Level an ist jede 4. Woche sinnvollerweise als Erholungswoche zu planen, in der man mit der Belastung deutlich unter das bisher erreichte zurückgeht. DasTempo sollte in den ersten Wochen immer gleichbleibend langsam sein. Es wird sich von selbst erhöhen, weil dir das Laufen immer leichter fallen wird.
Sobald du bei etwa 45 bis 60 min Training am Stück angekommen bist, kann man einen Lauf pro Woche mit mehr Tempo, oder speziellen Trainingsformen würzen. Doch bis dahin ist noch Zeit.
Über die „Grenze“ sollte man nicht laufen. Schon gar nicht am Anfang und ganz bestimmt nicht mit Übergewicht. Der Körper würde das wahrscheinlich aushalten, wenn es nur einmal passiert oder selten. Doch ein Risiko besteht dabei immer. Und was sollte es bringen kurzzeitig über die Stränge zu schlagen. Ich verstehe, wenn mir einer sagt: Heute hab ich richtig Bock und es läuft soooo toll … Okay – um in obigem Beispiel zu bleiben – dann lauft er in Gottes Namen an dem Tag mal 10, 15 min mehr als vorgesehen. Aber es muss die Ausnahme bleiben. Und sinnvoll wäre dann – immer taktisch richtig im Sinne einer stabilen Gesundheit denken – nach dieser Überbelastung zwei Ruhetage einzuhalten.
Motivation in allen Ehren, aber sie darf nicht mit Unvernunft verwechselt werden. Darüber hinaus ließe sich die Bewegungsmotivation ja kanalisieren. Es spricht beispielsweise nichts dagegen, dass du an lauffreien Tagen Krafttraining betreibst, moderat im Tempo Rad fährst oder dich sonstwie aktiv betätigst. Es sollte lediglich gewährleistet sein, dass die vom Laufen beanspruchten Anteile des Bewegungsapparates nicht zusätzlich und in ähnlicher Weise „geknechtet“ werden.
Worüber du dir am allerwenigsten Gedanken machen solltest, ist dein Laufstil. Den hat dein Nervensystem im Zuge des Aufwachsens von den ersten Kleinkindschritten bis hin zum Laufen und Rennen so entwickelt, wie es für dich passt. Am Laufstil feilen Läufer, die jedwede im Körper verborgene Ressource nutzen wollen, um noch schneller zu werden. Oder Läufer, die irgendwann Probleme bekommen, bei denen man dann feststellt, dass sie auf Bewegungsfehlern basieren. Das ist jedoch nur in seltenen Fällen so. Im Grundsatz ist es richtig so zu laufen, wie man kann. Loslaufen und nicht über den Stil nachdenken. Schon gar nicht am Anfang.
Ausrüstungsfragen spielen beim Laufen eine wichtige Rolle, obwohl Ausrüstung – von Schuhen abgesehen – im Grunde weniger wichtig ist. Es motiviert einen in tollen Laufklamotten aufzutreten und damit hilft es. Sachlich geboten ist auch bei der nun bevorstehenden nassen und kälteren Jahreszeit funktional sinnvoll gekleidet anzutreten. Frieren wäre schlecht, weil man davon krank werden kann und eben eine Weile nicht mehr laufen … Schuhe sind verglichen mit der übrigen Ausrüstung allerdings wichtig. Umso mehr bei Übergewicht. Es ist nicht sonderlich fußgesund in beliebigen Tretern loszulaufen. Dafür gibt es Laufschuhe. Die solltest du dir in einem Laufladen anpassen lassen. Erkundige dich nach versierten Verkäufern in deiner Umgebung. Etwa bei Freunden, die laufen, oder in einem Laufverein in deiner Nähe. Beim Schuhkauf wird man dir mehrere Exemplare, die für deine Füße/Beine infrage kommen vorstellen. Du entscheidest dich dann für diejenigen Schuh, in dem du dich am fußwohlsten fühlst und nicht nach dem Preis. Wenn es keine Unterschiede gibt, dann such dir die hübschesten aus. Kauf die Schuhe nicht, wenn du sie optisch grässlich findest. Dann lass dir weitere zeigen. Du bist der Käufer, du bestimmst.
Ich wünsche dir weiterhin viel Spaß beim Laufen. Alles Gute.
Gruß Udo