Und hier noch die etwas ausführlichere Nachlese zum
Prag Halbmarathon 2024
Pünktlich am Freitag Nachmittag ging es mit der ganzen Familie in die "Goldene Stadt", die von uns keine 2h Fahrzeit entfernt liegt. Aus den Erfahrungen des letzten Jahres hatte ich gelernt und so war die Abholung der Startunterlagen deutlich entspannter. Nach der Ankunft im schönen, zentral gelegenen Hotel gab es beim bereits bekannten Italiener noch etwas Pizza und Pasta und dann ging es auch schon zeitig ins Bett.
Am Samstag klingelte der Wecker um 6:45, also theoretisch hätte er das gemacht, wenn mich mein Sohn nicht schon einige Minuten vorher aus dem Bett geworfen hätte

Erstmals zeigte mir meine Garmin-Uhr den Status "Höchstform" an. Ich wusste bisher nicht einmal, dass es den gibt. Da musste ich kurz schmunzeln. Da wir nun doch schon alle wach waren, konnten wir noch gemütlich in Familie frühstücken, bevor es gut gestärkt für mich zum Start ging. Unterwegs traf ich zufällig noch eine Freundin aus Schulzeiten, sodass ich über das nette Gespräch ein bisschen die Zeit aus den Augen verlor. Dann verliefen wir uns auch noch auf dem Weg zur Kleiderbeutelabgabe und so blieben mir nur noch 30 Minuten bis zum Start, als ich mit dem Warm-up begann. Zum Glück habe ich mir da mittlerweile verschiedene Routinen zurecht gelegt, je nachdem wieviel Zeit bleibt.
Das Wetter war entgegen der Vorhersage am Abend deutlich sonniger. Die Temperaturen waren mit ca. 17 Grad am Start noch erträglich, aber der strahlend blaue Himmel hätte sich gern noch 2h Zeit lassen können

Dafür war der Wind dieses Mal kaum ein Faktor und kam wie vorher gesagt auf den schweren Kilometern von 12-19 sogar leicht von hinten.
Pünktlich 5-6 Minuten vor dem Start war ich in der Aufstellung und musste mich unter freundlicher Mithilfe eines jungen Polen erstmal etwas nach vorn "drängeln". Immer wieder interessant, wer sich da so in der ersten Reihe hinter der Elite einreiht

Unter klassischer Musik fiel dann der Startschuss und es hieß erstmal Positionen gutmachen, um dieses Mal die richtige Gruppe nicht zu verpassen. Die ersten 500m lag ich um 3:00er Pace und nun begann ich langsam nach der richtigen Gruppe Ausschau zu halten. Nachdem ich zwei gehen ließ, die eher auf 1:08 bzw. 1:10 anliefen, fand ich recht schnell einige Mitstreiter deren Tempo gut zu passen schien. Ich reihte mich ein und die Kilometer flogen jetzt recht entspannt vorbei.
Bei km7 kam uns die Spitze entgegen, was immer wieder ein Erlebnis ist. Das ist wirklich ein komplett anderer Sport, wenn man die Jungs laufen sieht. Erfreut mich jedes Mal wieder. Dahinter in den Gruppen sah man schon etwas mehr Kampf und auch uns kamen bereits die ersten Läufer aus der 1:10er Gruppe wieder entgegen. Nun hatte sich auch noch die schnellste Europäerin mit in unsere Gruppe gesellt, die nun recht stabil bei 5-7 Läufern lag. Ein paar Jungs setzten sich noch nach vorne ab, ich versprach ihnen innerlich ein Wiedersehen.

Ich versuchte jetzt mental wie körperlich möglichst wenig Kraft zu verbrauchen. Also begann ich meine Mitläufern etwas zu studieren. An der Spitze machte der junge Pole Druck, mit dem ich am Start nach vorne gekommen war. Ich taufte ihn den "polnischen Ethan", da er äußerlich mit seiner Athletik an die Bilder, die selbiger hier gepostet hatte, erinnerte.

Ja, ja, was der Kopf halt so für lustige Spielchen treibt.
Ich sah nun auch das erste Mal meinen kleinen Fanclub, der mich lautstark anfeuerte. So verging die Zeit bis Kilometer 10 ohne größere Probleme. Nach der zweiten 180 Grad Wende bei Kilometer 11 begann ich jedoch etwas kämpfen zu müssen. Immer öfter musste ich nun am Ende der kleinen Gruppe Lücken schließen und obwohl ich mit 33:58 exakt auf Kurs lag, wurde der innere Monolog schlagartig negativ. Ohne objektiven Grund schrieb ich die 72 und eine neue Bestzeit bereits ab. Auch im Nachhinein verstehe ich noch nicht so richtig, was da eigentlich los war.
Nun ging es auf einen neuen Streckenabschnitt, ins Herzen von Prag. Optisch und stimmungstechnisch ein Highlight, aber die Streckenverhältnisse waren hier schon hanebüchen. Kopfsteinpflaster, enge Kurve, Bordsteine hoch und runter, das alles half wenig um aus meinem Loch zu kommen. Ich blieb trotzdem weiter dran. Dann bei km15, kurz bevor es aus der Altstadt raus und wieder ans Moldau-Ufer ging, kam eine Verpflegungsstelle, die ich, wie auch alle anderen, unbeachtet ließ. So lag ich plötzlich an der Spitze der Gruppe und zog mein Tempo einfach weiter durch. Zu meiner Überraschung überholte mich nach der Verpflegung aber niemand und bei km16, als ich zum zweiten Mal von meinen zwei Liebsten angefeuert wurde, hörte ich nur noch einen einzelnen Läufer hinter mir. Ein kurzer Kontrollblick bestätigte, ich hatte die Gruppe gesprengt.
Das setzte noch einmal Kräfte frei und ich orientierte mich nun nur noch nach vorn. Die beiden Kollegen, denen ich ein Wiedersehen versprochen hatte, konnte ich tatsächlich ein- und überholen. Fast jeder war nun allein unterwegs und litt mehr oder weniger unter der Sonne. An meinen Fersen hing weiterhin ein drahtiger Spanier, der sich schon in der ursprünglichen Gruppe durch konsequentes Verstecken im Windschatten keine Freunde gemacht hatte. Als es kurz vor Kilometer 20 die letzte Brücke hinauf ging, kam was kommen musste und er attackierte. Ich zog auch leicht an, wollte es aber zu dem Zeitpunkt noch nicht übertreiben. Der letzte Zwischenzeit-Check bei Kilometer 20 sagte mir, dass 72 Minuten sehr schwer werden würden, aber eine neue PB fast sicher war.
Angetrieben von der Aussicht vielleicht doch noch mein A-Ziel zu erreichen beschleunigte ich nun. Das Spalier am Rand wurde nun wieder dichter und die Anfeuerungen lautstärker. Ich sah, wie ich wieder näher an meinen spanischen Konkurrenten heran kam, aber auch er zog nochmal deutlich an. Von hinten sprintete auch noch ein zuvor eingeholter Läufer wieder vorbei und so kamen wir 3 fast zeitlich hintereinander ins Ziel. Als ich die Zeit auf der Anzeigetafel hochticken sah, war ich zunächst etwas enttäuscht, wie knapp ich an der 72 vorbei gelaufen war. Es dauerte allerdings nur Sekunden, bis mir klar wurde, dass ich hier unter schwierigen Umständen eine deutliche PB gelaufen war. Ich wartete noch auf den Rest unserer ursprünglichen Gruppe und beglückwünschte die Läufer, bzw. bedankte mich für die Unterstützung.
Den Rest des Wochenendes genossen wir dann die Sonne und die wunderschöne Innenstadt von Prag. Am Abend ging es noch mit meiner Schulfreundin und ihrer Familie in ein tschechisches Restaurant, wo es natürlich Gulasch mit Knödeln und zur Feier des Tages auch noch ein paar leckere tschechische Bier gab

Es war ein rundum gelungenes Wochenende und wenn alles klappt dann bin ich im September zum 10er schon wieder da.
Hier noch die nackten Zahlen zum Lauf:
Splits:
5km - 16:48 - 3:22Min/km - Platz: 60
10km - 33:58 (17:10) - 3:26Min/km - Platz: 53
15km - 51:01 (17:03) - 3:25Min/km - Platz: 44
20km - 68:21 (17:20) - 3:28Min/km - Platz: 38
21.1km - 72:05 (3:44) - 3:24Min/km - Platz: 38
Ergebnis:
Gesamt: 38/13.507
Männer: 32/8.624
M40: 2/1.194
Mit einem entspannten 20er und erstaunlich frischen Beinen ging die Woche nach der Rückreise am Sonntag dann zu Ende. Damit ist die Vorbereitung für London durch und es geht ins Tapering.
Trainingswoche (8/10):
Mo - 10km mit 6 Bergsprints
Di - 16km mit
4 * 1 Meile @3:39 (Gegenwind) + 19km Radpendeln
Mi - 19km Regenerativ + 17km Radpendeln
Do - 10km mit
3km @3:30 (Gegenwind)
Fr - Anreise nach Prag
Sa -
21.1km @3:25 Halbmarathon Prag
So - 20km Easy
Gesamt: 97km Laufen, 36km Radpendeln
Nach der gesundheitlich schwierigen Zeit von Ende Dezember bis Anfang Februar lief es die letzten 8 Wochen wirklich wie am Schnürchen. Ich konnte alle Einheiten wie geplant umsetzen. Der Vergleich mit den beiden bisher besten Marathons schaut auch gut aus (jeweils letzte 8 Wochen vor dem Tapering):
London (2024): 832km, Avg. Pace 4:21Min/km, Avg. HR 132bpm
Chicago (2023): 837km, 4:17Min/km, 133bpm
Hamburg (2022): 708km, 4:26Min/km, 133bpm
Nun stellt sich die Frage, wie ich in London angehen werde. Noch vor 4 Wochen wäre ich mit 2:32 bis 2:35 absolut zufrieden gewesen, aber mittlerweile ist die Form so gut, dass sich die Überlegungen eher Richtung 2:30 und PB (2:29:37) entwickeln. Wie sehr sich die fehlenden Kilometer und langen Läufe aus den 6 Wochen im Dezember-Februar auswirken werden kann ich ehrlich gesagt nicht wirklich einschätzen. Aktuell tendiere ich zu Start in 3:33-3:35 Pace und dann nach der HM-Marke einfach schauen was noch geht. Das Wetter ist dabei natürlich noch die große Unbekannte und könnte nach den Erfahrungen des letzten Wochenendes alle Spekulationen und Pläne ganz schnell umwerfen.