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von U_d_o
Hallo Klaus,
in meiner todo-Liste steht, unbedingt noch auf deinen Post zu antworten. Nun denn, auch wenn’s länger gedauert hat:
Das Altern verläuft sehr individuell. Schon allgemein für alle Menschen, ganz besonders aber für ambitionierte Läufer, die sich Ziele setzen und von sich, das heißt von ihrem Körper-Geist-Gespann, die Erfüllung dieser Ziele/Träume erwarten. Solche Leute, zu denen ich dich und mich und tausende andere zähle, sind es gewohnt ihren Lorbeer zu ernten. Sie wissen, was man dafür tun muss. Es mag durchaus mal titanischen Einsatz erfordern, aber sie bekommen, was sie wollen - früher oder etwas später. Wenn nun so ein „Typ“ altert, fällt es ihm schon schwer die Tatsachen an sich zu akzeptieren. Man wird nicht nur weniger ausdauernd, es fällt auch zunehmend schwerer diese Ausdauer zu trainieren. Darüber hinaus häufen sich die Zipperlein, die Schmerzen - oder nennen wir es lieber Beschwerden. Der Bewegungsapparat hat mehr „Spiel“, wird instabiler. Und auch sonst stellt man fest, dass die eine oder andere, nicht unmittelbar an der Erbringung von Laufleistungen beteiligte Bio-Einheit sich zuweilen „indisponiert“ gibt. Die Haut wird empfindlicher (früher habe ich nicht mal wahrgenommen, dass ich so etwas wie Haut überhaupt besitze, schon gar nicht musste ich sie pflegen), der Verdauungstrakt stottert, man kommt morgens nur schwer auf Touren (ich jedenfalls) und Diverses mehr. Einer, der längst tot ist, hat mal sinngemäß gesagt: Älterwerden ist nichts für Feiglinge. Ich will nicht sagen, dass man dazu Mut braucht. Aber - aus meiner Sicht - ein Spaß ist Älterwerden sicher nicht.
Was ich nun im Status 72 Lebensjahre vom Altern als Läufer weiß ist Folgendes: Ich konnte mir vor 7, 8 Jahren nicht annähernd vorstellen, wie es sein wird als Ü70 Senior zu laufen. Ich dachte: Okay, du wirst langsamer werden, länger brauchen, und deine längsten Strecken werden sich dadurch notgedrungen verkürzen. Wobei mir Letzteres noch am ehesten unschöne Gedanken bescherte, weil ich halt gerade erst auf den Geschmack der elend langen Kanten gekommen und dort die totale Erfüllung gefunden hatte. Tatsächlich ist sehr langes Laufen in diesem Alter wesentlich härter und komplizierter. Ich kenne ein paar Beispiele von Uralt-Läufern und Uralt-Läuferinnen, die mir seinerzeit immer wieder begegneten und ein krasses Beispiel davon abgaben, wie ich NICHT aussehen, wozu ich es NICHT kommen lassen wollte. Also definierte ich für mich mein Wettkampf-, zugleich mein Marathon-Ende. Wenn es mir nicht mehr gelingen würde einen flachen Marathon aufrecht und komplett durchzulaufen, obwohl ich meine Zeit zum Training genutzt hatte, dann wollte ich aufhören. Ich dachte: Das merkst du dann schon, es geht halt nicht mehr.
Tatsächlich stellt sich die Frage, wann Schluss sein soll, heute ganz anders. Ich wurde darauf gestoßen, weil sie sich mir zunächst für die super-langen Strecken stellte. Es war so, dass es mir zu früh, schon vor der Hälfte, einfach keinen Spaß mehr machte „irre weit“ zu laufen. Am deutlichsten merkte ich das 2023, als ich mich von meiner Lieblingsstrecke, dem Mauerweg, mit einer letzten Teilnahme verabschieden wollte. Schon nach einem Drittel war die Luft raus, der Spaß weg und nach der Hälfte war da nur noch Kampf, Schmerz, Qual. Trotzdem bin ich die vollen 160 km gelaufen, nichts gegangen. Und ich wusste die ganze Zeit: Das kann ich zwar noch, aber so will ich das ganz einfach nicht mehr. Etwas Ähnliches merke ich heute, wenn ich „nur“ Marathon laufe. Wobei ich hoffe derzeit in einer Übergangsphase zu sein. Durch die KnieOP war es mir lange Zeit unmöglich weit zu laufen. Ich verlor alle Robustheit und Ausdauer, die es braucht für so lange Strecken. Vor der Verletzung war es mir durch permanentes Wiederholen der Marathon-und-weiter-Leistungen in kurzem zeitlichem Abstand möglich die Substanz zu behalten. Dann war sie weg und ich habe sie bis heute nur zum viel kleineren Teil wiedergewinnen können. Ich hoffe nun nächstes Jahr - wenn der Winter vorbei ist, der mich zusätzlich bremst, weil kaltes Wetter schon immer mein Feind war - daran noch arbeiten zu können. So weit, dass es mir wenigstens bis hinter Km 30 Spaß macht zu laufen. Wenn mir das nicht gelingt, wird sich die Frage „Aufhören mit Marathon?“ schon viel früher stellen. Ich werde es zwar noch können, aber das Opfer, das zu frühe Spaßende, werde ich wohl nicht akzeptieren. Dann wird es wie beim Mauerweglauf sein: Ich kann das zwar noch, aber so will ich das nicht mehr.
Ich fand meine Schwierigkeiten, Befindlichkeiten, Überlegungen in deinen Sätzen wieder. Teils Klartext, teils aus dem Zusammenhang genommen. Du weißt also genau, wovon ich rede. Ich wünsche dir, dass du zurückfindest in eine Form, die dir noch lange deine geliebten Strecken ermöglicht.
Alles Gute Klaus und wir sehen uns sicher bald mal wieder auf einer Strecke. Ich muss mich nur trauen eine der profilierten Strecken in deiner Region wieder in Angriff zu nehmen. Bisher suche ich mir möglichst flache Sachen aus.
Gruß Udo