
Mir kommt der gestrige Wetterbericht in den Sinn, wonach die nächsten zwei Wochen heiß bis sehr heiß werden sollen. Ich beschließe, meine Lauferei schwerpunktmäßig mal auf den frühen Morgen zu verlegen. Nicht jeden Lauf, ein bisschen Schweiß darf auch mal fließen, aber zumindest die harten Einheiten. Und das heute wird eine harte Einheit, auch wenn es mit 14 km nur der kürzere der beiden wöchentlichen Endurance Runs sein wird. Die gestrigen Uphill Strides haben deutliche Spuren hinterlassen, aber der Herr Pf. wird sich etwas dabei gedacht haben, dass er den Endurance 2 gleich am nächsten Tag aufruft. Ich bin nur heilfroh, dass ich das für gestern abend ursprünglich geplante Krafttraining mit Schwerpunkt Hüftstabilität dann doch noch schwänzte. Die Nachwirkungen des Oberköpertrainings vor 36 Stunden reichen mir vollauf.
Ich parke tatsächlich schon um 6:30 Uhr an meiner Flachstrecke (nach Hügeln steht mir der Sinn heute nicht). Das Wetter ist äußerst seltsam. Da wo ich hin will, türmen sich diffuse, dunkle Wolken auf, irgendwie liegt Gewitter in der Luft. Und genauso fühlt es sich auch an. Obwohl eigentlich angenehme 19°C, ist es schwül und drückend, über 80% r.F. Na, denn mal nichts wie los, bevor mich noch ein Blitz erschlägt. Obwohl mir Letzteres heute als durchaus nachdenkenswerte Alternative erscheint. Denn schon auf den ersten 50m droht mir der Kopf zu explodieren. Zu vieles schießt da durcheinander, nach dem die südlichen Hartgummipfosten, formerly known as "Beine", ihre ersten Signale nach oben schicken. Das fühlt sich so grauenhaft tappsig an, zieht in Po und hinterem Oberschenkel - und von der Sorte heute 14 km ? Nie und nimmer! Soll ich's nach 4 km Recovery beenden und auf morgen verschieben ? Keine gute Idee, die ganze Woche leidet irgendwie schon unter Verschieberitis, nämlich der Tatsache, dass die LT Intv vom Sonntag auf den Montag gerutscht waren. Also werde ich das heute irgendwie und so weit es geht durchziehen, damit ich endlich mal wieder zwei ruhige Tage am Stück habe, bevor Dienstag die nächste LT Einheit folgt.
Die ersten beiden Kilometer fühlen sich anhaltend grauenhaft an, und mit 7:48 und 7:49 geraten sie genau so auch rein objektiv. Ich schaffe es auf diesen 2 KM buchstäblich nicht, meinen Puls über 70% zu hieven. Der Kopf sagt "Macht endlich hinne!", die sog. Beine sagen "Pöh, mach doch selber." Der dritte KM geht mit 7:22 zwar etwas besser, aber der geht auch mehr bergab als bergauf. Und fühlt sich aber genauso beschi**en an wie die vorigen.
Ich schalte augenblicklich komplett um. Dies war das letzte Mal, dass ich während dieses Laufs überhaupt aufs Tempo schaue. Ich pfeife auf alle Steigerungsstrategien und will einfach nur noch durchkommen, irgendwie überleben. Dazu sollte eigentlich gehören, dass sich das einigermaßen nach Laufen anfühlt. Tut es aber nicht. Das einzige, was ich mir heute erlaube, ist ein gelegentlicher Blick auf den Puls - aber nur zur Erheiterung. Könnte mich totlachen darüber, dass der Puls auch bei KM 5 noch auf 75% festgenagelt ist. Mehr geht einfach nicht. Erst auf KM 7 bis 9 blitzt gelegentlich mal so etwas wie Laufgefühl auf. Aber die Landungen bleiben ungeschickt, tappsig und schlurfig.
Bis KM 10 geht es irgendwie so halbwegs, aber dann lassen die Beine nach. Typischer Fall also von "Schwach begonnen, aber stark nachgelassen". Ich habe jetzt das Gefühl, irgendwo zwischen 8:30 und 9:00/km unterwegs zu sein, weiß es aber nicht genau, da die Paceanzeige ja weggeklickt ist. Und will es auch gar nicht wissen, denn ändern kann ich an diesem jämmerlichen Zustand ja doch nichts, allenfalls mich noch mehr gruseln, als das eh' schon der Fall ist. Der einzige Stolz, der mir noch bleibt, ist, die geplanten 14 km durchzu"laufen". Geht auch gar nicht anders - würde ich eine Gehpause einlegen, würde ich anschließend wohl kaum wieder in die Puschen kommen.
Dann der Maulwurfshügel. Ich versuche einfach, konstante Anstrengung beizubehalten, aber der Puls kratzt jetzt doch mal an der 80%-Marke. Während des anschließenden kurzen Gefälles kehrt für Sekunden mal wieder eine Art Laufgefühl zurück, aber viel zu schnell geht's wieder flach und damit mühsam weiter. Jetzt ist das Ende abzusehen und ich will das mit Anstand durchziehen. Merke, dass auf dem letzten KM sogar mal etwas geht. Muss mich aber sofort wieder bremsen, weil ich befürchte, das auf den letzten paar hundert Metern nicht mehr durchzustehen. Immerhin steigt der Puls auf den letzten zwei Kilometern bis 88% an. Kein Wunder, denn beim Stoppen der Uhr sehe ich, dass ich auf den letzten 200m mit 5:35/km unterwegs war ...

Zu Hause kurz trockengelegt und an den Frühstückstisch gesetzt. Die Holdeste aller Holden hat damit geduldig eine Stunde über unsere übliche Frühstückszeit hinaus gewartet. Hach, heute mal extra dick Butter und Marmelade aufs gute Holzofenbrot, und die Welt sieht gleich ganz anders aus !

Aber irgendwann muss ich mich der nüchternen Wahrheit stellen und mir meine Laufdaten anschauen (*grusel* *schauder*). Und da trifft mich fast der Schlag - die Realität sieht ja viel besser aus als das Gefühl über sämtliche 14 km, wie es mein obiges Gejammer wirklich realistisch wiedergibt. Nach KM 1+2 war kein einziger Kilometer mehr langsamer als 7:30, nur KM 12 mit dem fiesen kurzen Maulwurfsanstieg kam dem überhaupt nahe. Alles andere war im Bereich 7:22 bis 7:06, die letzten beiden KM sogar in 6:55 und 6:24. Eine derartige Diskrepanz zwischen Gefühl und Wirklichkeit hatte ich wohl noch nie. Eine systematische Steigerung war's zwar nicht, aber wenn ich die heute auch nur ansatzweise versucht hätte, dann wäre ich bestimmt noch vor KM 10 hoffnungslos abgek*ckt.
Insgesamt 14,1 km mit 35 Hm in 7:12/km, Puls 135/180 = 75,0%. Dafür, dass ich vorher wusste, dass das heute verdammt grenzwertig wird, bin ich sehr zufrieden. Jetzt kommt's aber darauf an, dringend benötigte Erholung nachzuholen, damit ich die neue Woche wirklich ausgeruht beginnen kann.