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von Jep
So, bin durch für heute. Gegrillt, gewendet, durchgebacken. Das war kein Laufwettkampf, sondern eine Prüfung in mentaler Härte und Willenskraft. Morgens um 10 schon gut über 25 Grad. Ich treffe sljnx, der mir ob der Wärme ebenso einen leicht verunsicherten Eindruck macht, kurzes Pläuschchen mit den besten gegenseitigen Wünschen, dann Einlaufen, Startaufstellung. Nach dem betont lockeren Einlaufen läuft mir die Brühe schon in Strömen herab. Das kann ja heiter werden, gestern um die gleiche Zeit war es mindestens 5 Grad kühler und ich froher Hoffnung, dass das heute was werden könnte. Und nun schon vor dem Start durchgeschwitzt.
Startschuss, ca. 2000 Läufer machen sich auf die 10 km Runde, die für die Halbmarathonis nebst einer Schleife zweimal zu laufen ist. Erst geht es auf recht breit angelegter Strecke ohne großes Startchaos minimal aufwärts in die Wormser Innenstadt. Dort werden ein paar Schleifen gedreht, wobei man bei einem guten Teil der Strecke wenigstens eine schattige Straßenseite wählen kann, vorbei an drei Samba-Bands und ein paar Zuschauern, bevor es über eine Brücke über die B9 aus der Stadt raus auf eine zweieinhalb km lange halbschattige Gerade geht. An deren Ende dann links ab, und 3 km in der prallen Sonne zurück zum ebenso sonnigen Festplatz.
Ich widerstehe der Versuchung, zu schnell loszulaufen und finde recht schnell meinen Rhythmus. Der erste km geht in 4:44 durch, der zweite in 4:46. Perfekt auf Kurs 51/49 mit Ziel 1:40, ich fühle mich gut, strecke dem eben auf einer Schleife entgegenkommenden sljnx einen Daumen hoch entgegen, den er ebenso erwidert. Na also, geht doch, wird schon nicht so wild werden. Doch locker ist das Tempo schon bei km 3 nicht mehr, die km 4 und 5 gehen in 4:48 durch, obwohl sie tendenziell eher minimal abwärts als aufwärts gingen. Für Km 6 zeigt die Uhr dann plötzlich 5:11. Wie, 5:11? Ich laufe gefühlt konstant, die HF hat sich ebenso konstant bei 175 = ca. 87 % eingependelt. Schneller geht doch jetzt nicht, sonst verschieße ich das ganze Pulver. Vielleicht ja auch ein GPS-Fehler in den Häuserschluchten, mal den nächsten km abwarten. 5:05. Shit, viel zu langsam, aber gefühlt nahe am Anschlag. Inzwischen ist es richtig warm, ja heiß geworden, an die 30 Grad, und die Hitze fordert ihren Tribut.
Eigentlich wollte ich die ersten 10 km mit 4:45 laufen (bin sie im Training ja vor knapp 2 Wochen ungetapered in 4:39 gelaufen) und dann je nach Zustand noch etwas Gas geben, um mir die 1:40 zu krallen oder eben wenigstens eine 1:42 nach Hause laufen. Und jetzt kämpfe ich hier nach 7 km um eine 5er Pace, die einer 1:45 entspricht, wobei das Zeitpolster der ersten km in der Hitze wie Eis dahinschmilzt. Und ich verliere den Kampf, für den nächsten km zeigt die Uhr 5:13, dann gar 5:17, und das Ganze ohne, dass ich nachgelassen hätte zu pushen. 5:17, das ist eigentlich ein locker-zügiges Lauftempo am Abend nach einem anstrengenden Arbeitstag, aber doch keine getaperte und carbogeloadede WK-Pace? Doch, heute und hier bei 30 Grad im Schatten, doch in der prallen Sonne laufend, ist sie ist es. Ich pushe, will wieder auf unter 5:00, aber es geht einfach nicht. Der Körper verweigert sich, und das bereits auf der ersten Hälfte.
Nach und nach sehe ich meine Zielzeiten dahinschwinden. Das Maximalziel ist längst kassiert, das realistische Ziel (1:42) auch, und spätestens bei der 10 km Durchgangszeit von 49:53 wird mir klar, dass es heute trotz bester Vorbereitung nichtmal ne neue PB geben wird. Die zweite Runde wird ein einziger Kampf gegen das Verlangen, einfach anzuhalten. Ich sehne jeden Wasserstand herbei, der wenigstens eine kurze Abkühlung bringt. Dieses Mal trinke ich auch etwas, in kleinen Schlücken, wie im Training geübt.
Nach km 14 meldet sich Seitenstechen, welches mich 2 km lang begleitet, um anschließend von einer zickenden Achillessehne abgelöst zu werden. Frust macht sich breit. Hat sich denn heute alles gegen mich verschworen? Nicht ganz bzw nicht nur gegen mich, anderen gehts genauso, jeder um mich rum jammert und stöhnt, kaum einer läuft ne konstante Pace, im Zieharmonikarhythmus zwischen 5:13 und 5:50 (!) überhole ich immer wieder die gleichen Läufer, um wieder von ihnen kassiert zu werden. Dem Kollegen am Strassenrand, der die eben am Verpflegungsstand aufgenommene Flüssigkeit und wohl noch etwas mehr direkt wieder dem Gulli zuführt, gehts noch deutlich dreckiger. Also reiß Dich gefälligst zusammen und bringe das mit Anstand zu Ende!!!
Die letzten sonnigen Kilometer schaffe ich es wenigstens, konstant unter 5:30 zu bleiben, und mit letzter Kraft rette ich im Zielspurt eine 1:48:58 ins Ziel. Aus, Ende, geschafft. Fix und fertig nach einer reinen Willensleistung in einer Hitzeschlacht erster Güte. Heute hat mir einer nach 5 km den Stecker gezogen und mir anschließend meine Grenzen aufgezeigt. Das muss ich anerkennen, und jetzt, wo ich mit ein paar Stunden Abstand diese Zeilen schreibe, überwiegt der Stolz, den Kampf angenommen und das zu Ende gebracht zu haben, und so gilt für heute:
Pain is temporary - Pride is forever
Start: 08/2015. 10 km: 46:59,8 min (03/2016) HM: 1:44:40 (06/2016)