dicke_Wade hat geschrieben:Bevor du dir einen Pulsmesser anschaffen willst, informiere dich erst einmal gründlich über pulsgesteuertes Training (und dazu benötigst du deinen realen Maximalpuls, also den musst du erlaufen). Sonst ist sein Nutzen gleich NULL oder sogar negativ, da du dich von den Werten nur verwirren lässt.
Lieber Tommi,
alle paar Monate greife ich bei solchen Thesen ein, um sie als Blödsinn zu charakterisieren. Jetzt trifft es zufällig 'mal Dich (mit dem ich sonst meistens einer Meinung bin). Fast alle Pulsuhren-Skeptiker oder -Gegner in diesem Forum gehen davon aus, daß der (einzige) Sinn einer Pulsuhr sei, nach den Pulsbereichen, die vom Maximalpuls abgeleitet sind, pulsorientiert zu trainieren. Da das für Anfänger aber sinnlos ist (und der Maximalpuls oft auch gar nicht festzustellen ist), wird als Folge postuliert, wenn überhaupt, dann seien solche Pulsuhren nur für Fortgeschrittene oder Profis sinnvoll einsetzbar. (Gleichzeitig wird dann oft auf das Körpergefühl verwiesen: Ein totaler Quatsch, weil das erst viel später einschätzbar ist als zB. die HFmax und selbst dann oft täuschen kann; siehe Faden mit "Sportsucht").
Nur um nicht mißverstanden zu werden: Ich will hier kein Plädoyer dafür halten, daß man eine Pulsuhr
braucht. Aber daß man sie
nicht gebrauchen könne, das ist allerdings falsch. Ich selbst habe einen Garmin FR 305 bekommen, als ich gerade 2 Monate mit dem Training begonnen hatte (Das war vor gut vier Jahren). Seitdem bin ich drei oder vier Mal ohne Pulsmessung gelaufen, weil ich entweder den Gurt vergessen hatte oder weil er defekt war. Mir hat
gerade am Anfang die Pulsmessung besonders gut geholfen!! Warum und wie?
1. Körpergefühl hat man als Neuling nicht. Pulswerte aber sind objektiv. Wenn ich also (zB.) merke, daß ich eine Strecke im gleichen Tempo wie vor 2 Monaten, aber mit 10 Schlägen weniger absolviere (resp. mit gleich viel Schlägen schneller), dann kann ich Fortschritte objektivieren. Dazu ist es natürlich nötig, seine Trainings zu dokumentieren. Wie oft ist es mir schon passiert, daß ich dachte, meine Leistung ginge zurück. Und wenn ich dann nachgeschaut habe, war es nur mein Gedächtnis, das mich getäuscht hatte (leider manchmal auch anders herum). Das wird ja vielleicht manchen egal sein. Mich motivieren solche Zahlen. Insofern war die Pulsmessung von Anfang an gut für mich.
2. Die schon angesprochene Erholung! Ganz egal, wie hoch meine HFmax ist: Wenn ich nach einem halben Jahr Training in der ersten Minute (oder den ersten zwei- egal) 15 Schläge mehr verliere als vorher, dann ist das eine Aussage! Und die motiviert mich.
3. Das Körpergefühl. Wie gesagt, das kann sehr täuschen. Aber man lernt seinen Körper mit Pulsuhr sehr viel besser und vor allem schneller kennen. Wie reagiere ich auf Hitze, Wassermangel, Tempo, Kälte und, und, und .... Wenn man seine aktuellen Empfindungen mit der Anzeige vergleicht, versteht man manches/vieles besser. Bei mir war das jedenfalls so. Das gilt für mich auch heute noch zB. für außergewöhnliche Situationen, bei aufziehenden Infekten oder neuartigen Belastungen.
4. Der Ruhepuls. Wie meßt Ihr bitte schön den denn? Bei mir gibt es beim morgendlichen Messen zwei Probleme: Erstens kann ich kaum meinen Puls fühlen (schon gar nicht, wenn ich noch müde bin). Zweitens bin ich durch den Wecker so hochgeschreckt, daß mein Puls höher ist als zB. tagsüber beim Autofahren. Nützt also wenig. Ich lassen alle halbe Jahr über Nacht meinen FR laufen und habe so eine wunderschöne Dokumentation meiner nächtlichen Pulsverhaltens.
5. Kommen wir fünftens und (zunächst) letztens auf das Training selbst. "Sinnlos, wenn Du deine HFmax nicht kennst!"? Ich behaupte, das ist Nonsense. Der Profi, der das letzte aus sich herauskitzeln will, der sollte sich natürlich genau an den für ihn gültigen Grenzen orientieren. Für den Anfänger ist das doch gar nicht wichtig. Er soll/will sich verbessern. das macht man u.a. durch Training in verschiedenen Bereichen. Ich nehme mich selbst wieder als Beispiel: Irgendwann zu Beginn meiner Messungen hatte ich bei einem steilen Anstieg und schwülem Wetter einen Puls von 157. Den habe ich als HFmax gesetzt und entsprechend trainiert. Mein wahrer Maxilmalpuls liegt höher, also habe ich "zu lasch" trainiert. Gut so! Denn ein beliebter Anfängerfehler ist das zu schnelle Training. Trotz dieser falschen Frequenzbereiche habe ich gute Fortschritte gemacht. Vielleicht hätte ich das mit den richtigen etwas schneller erreicht: Ist das wichtig? Zwei Monate später hatte ich meinen ersten 10-er. Einen Kilometer vorm Ziel ging es richtig heftig aufwärts - und vor mir waren vier Teilnehmer, die ich packen konnte! Ich habe alles aus mir herausgeholt, habe sie wirklich auch überholt und war oben (ca. 700 Meter vorm Ziel) richtig platt. Puls: 167 ! Und jetzt kommen gleich zwei Dinge, deretwegen ich den Pulser weder als Anfänger noch (wie von vielen apostrophiert) in WKs missen möchte: Ich habe mein Tempo abwärts ein klein wenig herausgenommen und war ruckzuck auf Werten unter 150. Also volle Pulle weiter. Meine beiden Erkenntnisse: Meine HFmax ist min. 167 (Ich habe also meine Bereiche ab jetzt angepaßt) und ich kann mich auch während eines Laufes schnell erholen.
Heute trainiere ich kaum mehr nach Pulszonen, sondern entweder nach Tempobereichen oder laß es frei laufen (Fahrtspiel). Aber ich habe meine Pulsmessung permanent laufen, schaue oft kurz drauf, wenn ich steile Anstiege hochjage, mich unwohl fühle oder einfach aus Neugier. Ich weiß inzwischen auch, daß ich wohl Hochpulser bin, da ich trotz Ü60 inzwischen bei einer gemessenen HFmax von 178 angekommen bin (vor 2 Jahren). Ob sie nun wirklich derzeit 177 oder 181 beträgt, ist für die Trainingsbereiche eines Nichtprofis völlig egal. Ich nehme sie sowieso erst hinterher zur Kontrolle: Habe ich wirklich bei Intervallen/Tempotraining alles herausgeholt oder soll ich nächstes Mal noch ne Schippe drauflegen?
Mein (ganz persönliches) Fazit aber lautet: Gerade für Anfänger kann eine Pulsuhr enorm sinnvoll sein. Zumal, wenn er - wie ich - fasziniert ist von technischen Spielereien. Deshalb mußte es bei mir ja auch eine GPS-Uhr sein. Ob ich ohne meine Garmin a) so sehr dran geblieben wäre und b) so schnelle Fortschritte gemacht hätte, weiß ich nicht. Übrigens hat sie mir vor einem Jahr noch einmal gute Anfängerdienste geleistet: Da bin ich vom Nordic-Walking zum ersten Mal ins gezielte und regelmäßige Lauftraining eingestiegen (zusätzlich, nicht anstatt). Und auch da habe ich wieder die gleichen Vorteile genutzt, meinen Körper schneller kennen zu lernen - jetzt aber mit meinen ganzen Vorerfahrungen.
Eines zum Schluß: Wie bei jeder technischen Apparatur ist ihr Einsatz nur sinnvoll, wenn man die Möglichkeiten und Grenzen der Technik kennt. Wenn man - wie viele Anfrager und Ensteiger es hier tun - völlig ohne Wissen um Technik und Puls einfach nur so eine Uhr einsetzen will, ist sie wirklich sinnlos. Ich kenne aber auch Kollegen, die konnten nicht einmal ihren Videorekorder programmieren. Das kann man aber weder dem Rekorder noch denen vorwerfen, die so ein Ding bedienen können. Ähnlich ist das auch hier. Man sollte sich ausgiebig mit seinem Gerät und mit den Möglichkeiten der Pulsmessung auseinandersetzen. Dann aber kann eine Pulsuhr
gerade für Anfänger sinnvoll sein, auch ohne die HFmax zu kennen.