Montag-Donnerstag
Die Woche vor dem Hermannslauf und somit die Woche, in der man sich schonen sollte. Gut also, dass für Mittwoch Aikido und für Donnerstag Leichtathletik und Feldenkrais auf dem Programm standen. Ungewohnte Belastungen sind das neue Tapering.

Da sowohl bei Aikido als auch Feldenkrais die erste Kursstunde anstand (bei Leichtathletik #2), konnte ich schlecht nicht erscheinen.
Glücklicherweise waren die Bewegungsabläufe im Aikido-Kurs zwar tatsächlich etwas ungewohnt aber nicht sehr belastend (glaube ich zumindest, im Nachhinein bin ich mir nicht mehr sicher) - ich bin übrigens deutlich zu "kopflastig", auch wenn sich das gegenüber früher schon erheblich gebessert hat. Und glücklicherweise stand in Leichtathletik nur Lauf-ABC (zugegebenermaßen, geschätzt 20 Minuten - vielleicht auch mehr - mit im Rückblick ungewohnt kurzen Pausen zwischen den Übungen) und ein bisschen Sprinten an, das bin ich ja gewohnt. Feldenkrais (das hat übrigens nichts mit sich-bei-den-Händen-halten-und-in-einem-Feld-im-Kreis-tanzen zu tun, auch wenn das meine Assoziation war, als ich den Namen zum ersten Mal las:
https://de.wikipedia.org/wiki/Feldenkrais-Methode) war dann zudem tatsächlich einfach entspannend und für mich sehr interessant, da mein Körpergefühl definitiv nicht das Allerbeste ist.
Freitag
Wie konnte
das denn passieren? Muskelkater (ziemlich heftig) im gesamten oberen Drittel der Waden sowie in den kompletten Vorderseiten der Oberschenkel, insbesondere den Hüftbeugern. Dazu noch ziemlich verspannter Rücken, was vielleicht teilweise doch mit Aikido zusammenhängt, jedoch größtenteils an den harten Bänken in der Uni liegt, die vor 2 Wochen wieder begonnen hat. Dabei hatte ich mir doch ganz fest vorgenommen, in Leichtathletik nichts zu machen, was den Hermannslauf gefährden könnte. Nun gut, war mir auch nicht klar gewesen, dass das "Bisschen" Lauf-ABC solche Auswirkungen haben würde.
Ärgern bringt bekanntlich nichts, Sorgen machen auch nicht, also vermied ich beides so gut es eben ging und hoffte darauf, dass bis Sonntag alles wieder gut sein würde. Ein heißes Bad nach dem kurzen Läufchen des Tages tat den Beinen jedenfalls gut.
Samstag
Hmmm ok, zumindest ist der Muskelkater nicht schlimmer geworden, das Ausschlafen half bestimmt. Allerdings auch nur marginal besser. Schade. Aber nicht verzweifeln und nach dem kurzen Läufchen (inkl. Antesten des WK-Tempos: war nach gewissen Anlaufschwierigkeiten zwar nicht gut aber besser als befürchtet) erneut ein heißes Bad. Muskeltonus ist bei mir sowieso kein Problem, die haben bei mir meist eher zu viel Spannung als zu wenig.
Sonntag
Wecker klingelt um 6:45 (nach ca. 5 1/2 Stunden Schlaf): wie geht es den Beinen? Cool, Muskelkater beinahe weg - auch wenn ich mir der Tatsache bewusst bin, dass die Heilung wohl (bei weitem?) noch nicht abgeschlossen ist. Gemütlich Kaffee trinken, vier Scheiben dick mit Honig beschmierten Toastbrots verspeisen, alles zusammenpacken, Duschen, Zähne putzen, mehr Kaffee, von der Freundin verabschieden und los geht’s.
Um 8:35 (gut 10 Minuten, nachdem ich zu Hause los bin), stehe ich auch schon bei den Bussen, welche die Läufer von Bielefeld nach Detmold bringen und kann direkt einsteigen. 45 Minuten später sind wir am Hermannsdenkmal, bis zum Start bleibt somit noch mehr als genug Zeit. Also erstmal hoch zum Denkmal, auf eine Bank gesetzt, in Ruhe ein wenig gelesen, die anderen Läuferinnen und Läufer beobachtet, zwischendurch praktisch ohne Anstehen aufs Klo, alles sehr entspannt.
Anderthalb Stunden nachdem ich aus dem Bus gestiegen bin stehe ich dann im Startblock, die Nervosität ist jetzt doch spürbar: ich bin mir unsicher, ob/wie gut die Beine halten werden. Um Punkt 11 dann der Startschuss, eine Minute später überquere ich auch die Matte, setze die Uhr (ja, die habe ich heute mitgenommen) in Gang und lasse mich mit der erstaunlich langsamen Masse mittreiben. Ich frage mich, wie viele von denen wirklich unter 2:30 laufen werden (eine Zeit von 2:30 oder eine vergleichbare Vorleistung ist Voraussetzung für Startblock A) – ich vermute nicht sehr viele. Das Tempo passt für mich aber eigentlich genau, so meint zumindest der von mir ausgedruckte (kleine) Zettel, auf dem die für eine 2:25 ungefähr benötigten Kilometerzeiten notiert sind. Und bergab habe ich mir sowieso vorgenommen, lieber zu langsam als zu schnell laufen – und langsam ist es denn auch tatsächlich. Ein Tempo von über 4:00 min/km bergab ist für mich in einem Wettkampf mehr als ungewohnt.
Die ersten 10 Kilometer vergehen so eigentlich relativ schnell, nach vier oder fünf Kilometern verteilt sich das Feld auch immer mehr, so dass es sich diesbezüglich für den Rest des Rennens eigentlich sehr entspannt laufen lässt. Von Zeit zu Zeit schaue ich, was mein schlauer Zettel von meinem Tempo hält (merke: nächstes Jahr die Zahlen etwas größer drucken!) und bin soweit zufrieden, auch wenn ich teilweise leicht langsamer unterwegs bin. Da die Sonne richtig schön (außer man darf laufen) scheint und es für meinen Geschmack etwas zu warm ist, trinke ich bei den beiden Verpflegungsstellen jeweils einen Becher Wasser, wofür ich kurz gehen muss, was es mir heute aber wert ist. Im Laufen trinken klappt bei mir nicht – ich habe das Talent mich ständig zu verschlucken, wenn ich mich beim Trinken im
Alltag nicht wirklich auf die Handlung des Trinkens konzentriere und z.B. nebenher etwas lese. Auch der erste «Hügel» (die Zuschauer beim Hermannslauf verstehen übrigens nicht immer, was man meint, wenn man bei den «Bergen» von Hügeln spricht

) ist schnell vorbei und deutlich angenehmer zu laufen als befürchtet. Nach 10 Kilometern bin ich zwar knapp zwei Minuten langsamer als der Fahrplan dies empfiehlt, fühle mich aber noch gut und auch die Beine sind noch locker.
Die nächsten gut zwei Kilometer sind sehr angenehm zu laufen. Wie schon seit ca. Kilometer 4 bin ich permanent am Überholen, ganz selten läuft mal jemand von hinten an mir vorbei. Das ändert sich dann zwar ganz kurz, als es in den Tönsberg geht und ich (wie die meisten um mich herum) das erste Mal ein Stück gehe, danach ist aber wieder alles beim Alten und ich passiere Läufer um Läufer. So wie einige hier schon am Keuchen und Schnaufen sind, frage ich mich, wie das bei denen auf der zweiten Hälfte wird und ich beneide sie nicht.
Wenn es hoch geht, geht es auch wieder runter. Und zwar nach (und in) Oerlinghausen. Und zwar steil. Und zwar teilweise auf Kopfsteinpflaster (wobei man zum Glück grösstenteils in der Regenrinne laufen kann). Trotzdem merke ich, als es am Ortsausgang erneut auf Asphalt steil hinuntergeht, dass meine Oberschenkel eigentlich schon jetzt eigentlich nicht mehr so richtig Bock haben, weiter zu laufen. Das ist ein wenig unglücklich, da noch über 10 Kilometern mit einigen Höhenmetern sowohl hinauf als auch hinunter anstehen, wovon einige – wie könnte es auch anders sein – ziemlich steil sind. Bei Kilometer 20 habe ich dann zwar sogar leicht aufgeholt gegenüber der 2:25er-Marschtabelle, mein Optimismus hält sich nun aber doch in ziemlich engen Grenzen.
Nichtsdestotrotz versuche ich weiterhin, dem zahlreich erschienenen Publikum am Wegrand immer freundlich zuzulächeln um ihnen zu zeigen, dass ich die Unterstützung zu schätzen weiß (ich glaube, ich habe mindestens die Hälfte der Zeit gegrinst, auch wenn es mir gegen Ende von den Beinen her wirklich nicht mehr sonderlich gut ging und mein Kreislauf zwischendurch auch mal kurz ein wenig rum gezickt hat, was aber nach einer kurzen Gehpause bergauf wieder besser geworden ist). Zwischen Kilometer 21 und 27 muss ich sowieso jedes halbwegs steil bergauf führende Stück gehen, da ich ganz einfach keine Kraft mehr in den Beinen habe. Überholen ist jetzt auch nicht mehr groß, ich halte meine Position und bin glücklich darüber, dass es nicht mehr weit ist.
Die letzten drei Kilometer gehen zum Großteil runter – eigentlich meine Stärke – aber mittlerweile fühle ich mich bei einem Tempo von schneller als ca. 4:30 min/km nicht mehr wohl. Bei solch horrender Pace fürchte ich, die Kontrolle über meine Beine zu verlieren und so kurz vor dem Ziel möchte ich mich eigentlich ungern hinlegen, zumal das nicht die allerschnellste (und bequemste) Fortbewegungsart ist. Außerdem weiß ich, dass ungefähr einen Kilometer vor dem Ziel am letzten kleinen Anstieg meine Freundin auf mich wartet und ich will ja nicht, dass sie sich Sorgen machen muss, wenn ich nicht auftauche (oder albern durch die Gegend rolle). Sie steht denn auch wie verabredet da, motiviert mich nochmal und nachdem ich ein Küsschen dalasse, lege ich auch noch den letzten Kilometer (bzw. etwas mehr) zurück. Dabei werde ich zwar noch von einigen Läufern überholt, das ist mir jedoch herzlich egal, ich bin froh, lächelnd an den immer noch fleissig anfeurnden Zuschauern vorbei ins Ziel zu laufen. Die Zeit von 2:26:15 entspricht dabei zwar nicht so ganz dem, was ich mir ursprünglich mal erhofft hatte, ist aber durchaus in Ordnung für meine bisher längste gelaufene Strecke. Und naja, vielleicht mangelt es mir an Ehrgeiz diesbezüglich, aber es ist nur eine Zeit. Sollte ich den Hermann nächstes Jahr oder zu einem späteren Zeitpunkt erneut laufen, werde ich mit großer Wahrscheinlichkeit schneller sein. Von daher bin ich wirklich glücklich, sowohl über den heutigen Tag als auch über meine Entwicklung.
PS. Um die gelaufene Zeit etwas einordnen zu können: die Zweite (war beim 10er im März ein paar Sekunden hinter mir) und Dritte (bei zwei Wettkämpfen Ende letztes Jahr einmal kurz vor und einmal kurz hinter mir im Ziel) der Frauen sind Zeiten von 2:15 respektive 2:17 gelaufen. Aber für eine solche Leistung fehlte heute bei mir einiges und das lag nicht nur an den suboptimalen letzten Tagen vor dem Wettkampf. Dafür müsste ich in der Vorbereitung auch definitiv einige lange, schnelle Einheiten mehr laufen. Das lag jedoch nicht drin (oder nur auf Kosten des Umfangs), denn auch so bewegte ich mich teilweise schon nahe am Maximum dessen, was für mich zum aktuellen Zeitpunkt meiner mit jetzt genau drei Jahren immer noch sehr jungen Laufkarriere sinnvoll machbar ist. Und längerfristig sowie motivationstechnisch ist mir mit Abstand das Wichtigste, dass ich verletzungsfrei laufen kann. Alles andere kommt dadurch über kurz oder lang sowieso von selbst.