Hier mal ein Bericht zu meinem heimischen Ersatzlauf für den ausgefallenen Rennsteiglauf:
Gemeldet war ich für den Supermarathon (73,9km),- es wäre meine allererste Rennsteig-Teilnahme gewesen. Der Alptraum Corona & die erwartete Absage folgte dann bekanntlich, und ich meldete mich wie so viele für die Aktion "Rennsteigläufer@home" an. Ich überlegte eine Weile, ob ich zuhause eine kürzere Strecke (Marathon) wählen sollte, entschied mich dann aber doch für den Ultra: Wenn schon, denn schon!
Die Gefilde, in denen ich laufen wollte, standen auch schnell fest: Der Teutoburger Wald musste es sein; spezifisch der berühmt-berüchtigte Hermannsweg, auf dem ich bereits extrem viele lange Trailläufe absolvierte und der zu meinem absoluten Lieblings-Revier zählt.
3 Wochen zuvor wollte ich hier beim 48. (u. meinem 6.) Hermannslauf teilnehmen,- aber natürlich wurde der auch abgesagt. Stattdessen absolvierte ich an diesem Tag im Teuto einen 50km-Trainingslauf (mit knapp über 1000HM), die bis dato längste Distanz, die ich am Stück gelaufen war. Zeit knapp 5 Std. In den Wochen zuvor hatte ich aber schon zahlreiche lange Läufe zwischen 31 und 45km abgerissen (natürlich auch im Teuto), so dass ich ganz gut gerüstet war. Natürlich liefen nicht alle Läufe perfekt,- aber das ist ja ganz normal in einer Vorbereitung.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich seit Anfang des Jahres bereits 2000 Trainings-Km in den Beinen,- mit nur wenigen Entlastungswochen, und mittlerweile habe ich den Verdacht, das der Formpeak bereits Mitte bis Ende April gewesen sein könnte.
Zum Glück blieb ich weitgehend verletzungsfrei,- nur in den letzten Wochen hatte ich ein paar leichte Knieprobleme, so dass ich noch überlegte, den Ultra evtl. um 1 Woche zu verschieben. Da sich die Beschwerden aber wieder legten, entschied ich mich doch, am 17.05. zu laufen, zumal die Wetterbedingungen an diesem Tag super waren: Nicht zu warm,- beim Start gegen 8 Uhr morgens an der Sparrenburg Bielefeld (wo ich erst mit dem PKW anreisen musste,- Fahrzeit aber nur ne halbe Stunde) waren es nur 10 Grad,- später am Nachmittag bis ca. 18Grad. Sonnig, wenig Wind.
Hatte von vorneherein großen Respekt vor der Streckenlänge, die vor mir lag: Nochmal 24km mehr als ich bisher bewältigte, und dass auf einer solch technisch anspruchsvollen, schwierigen (u. oft auch tückischen) Strecke wie dem Hermannsweg ist wahrlich kein Pappenstil.
Es meinen ja einige, die bereits beide Strecken gelaufen sind, dass der Hermannsweg trotz weniger Höhenmeter technisch schwieriger als der Rennsteig sei, was ich selbst nun nicht beurteilen kann, da ich auf den Thüringer Höhen eben noch nie gelaufen war. Von den Hermannsläufen weiß ich aber, dass die mir oft noch länger in den Knochen steckten als ein Marathon,- besonders die Oberschenkel und Knie werden hier durch das ständige Auf-und Ab extrem beansprucht, und gerade im letzten Drittel der Strecke zeigt der Hermann nochmal so richtig seine Zähne,- da hat es schon so manchen "zerrissen".
Von Anfang an spielte die Laufzeit bei diesem Ultra eine untergeordnete Rolle,- zumal bei solch einem Sololauf ja auch das wichtige Wettkampf-Adrenalin fehlt und man einfach auch nicht diesen extremen Ehrgeiz hat. Wichtig war also vor allem, die Strecke zu bewältigen, daher ging ich es von Anfang an sehr zurückhaltend und defensiv an (etwa im 6er-Schnitt),- wollte nichts riskieren u. dachte dabei auch an meine leicht angeschlagene Orthopädie (wobei die Beine eigentlich relativ locker am Beginn wirkten,- dass Knie gab zunächst auch noch Ruhe).
Tapering und Carbo-Loading liefen vorher eigentlich ähnlich ab wie vor einem Marathon-WK. Das Gewicht passte auch in etwa (62,5kg).
Der limitierende Faktor war nun aber der neue Laufrucksack, mit dem ich bisher noch nie unterwegs war. Daran musste ich mich erstmal gewöhnen.
Als Verpflegung nahm ich mit: 10 Energie-Gels (die brauchte ich dann später auch alle!); dazu ein paar Energieriegel und Datteln. Zu trinken nahm ich erstmal nur 1 Liter Wasser u. 0,5l Cola mit, um den Rucksack nicht zu schwer zu machen; konnte dann aber später am Hermannsdenkmal u. danach in Oerlinghausen nochmals je einen halben Liter Apfelschorle & Wasser kaufen, so dass ich am Ende mit insgesamt 2,5 Liter Flüssigkeit ganz gut hinkam.
Pro Stunde machte ich eine kurze Verpflegungspause, bei der ich aber stets in Bewegung bleiben musste, denn gerade das Wieder-Anlaufen ist besonders mühsam u. es brauchte auch immer ein Weilchen, dann wieder in den Rhythmus zu kommen.
Als Schuhe wählte ich meine bewährten Asics-Sonoma4-Trailschuhe, die ich schon bei den Trainingsläufen anhatte. Sind zwar nicht besonders leicht,- aber Stabilität war mir heute wichtiger; und es war ja auch kein WK angesagt.
Auf den ersten ca. 20km genoss ich den gemütlichen Lauf durch den schönen Teuto regelrecht; aber dann zickte auch schon zum ersten mal das Knie herum,- besonders an den knackigen Steigungen u. auch bergab. Es kam dann immer mal wieder sporadisch,- kein richtiger Schmerz, aber doch beunruhigend, so dass ich dass Tempo zwecks Schonung noch mehr drosseln musste.
Ich lief übrigens fast durchweg auf der Original-Ur-Hermannslauf-Strecke, so wie sie noch in den ersten 5 Jahren absolviert werden musste, und zwar fast durchweg durch den Wald, am Donoper Teich etc. vorbei. 1976 haben die Organisatoren dann eine Änderung vorgenommen, um bei immer grösser werdenden Starterfeld diverse Straßenübergänge/nötige Absperrungen zu vermeiden,- von da an liefs' dann immer über Augustdorf am Truppenübungsplatz entlang (freilich auch mit Sondergenehmigung!)
Ich näherte mich allmählich dem eindrucksvollen Hermannsdenkmal, dass ich nach knapp 3 Std. und 31km erreichte,- nachdem ich mich zuvor 1x kurz verlaufen hatte und schon verzweifelt flehte: "Ja wo ist er denn nu, der Hermann ???" Dann erspähte ich schemenhaft durch die Baumwipfel einen imposant in den Himmel gereckten Arm samt Schwert und wusste nun, worauf ich zusteuern musste.
Nicht gefunden Nicht gefunden
Auf dem weitläufigen Denkmals-Gelände machte ich erstmal Verpflegungs-Pause,- die Beine waren hier schon merklich schwerer geworden und die gesamte Muskulatur spürte ich deutlich intensiver. Das merkte ich besonders, als ich nach gut 20 Min. zum Rückweg aufbrach und erst sehr schwer wieder in Gang kam. Und die Knie-Probleme wurden in der Folgezeit auch nicht weniger,- aber zum Glück auch noch nicht so stark, als dass ich in den Geh-Modus hätte wechseln müssen.
Die Marathonmarke erreichte ich nach 4:21Std., aber es wurde jetzt schon deutlich zäher und die Beine immer schwerer. Ich spürte, das die Pace mehr absackte und ich den Schnitt der ersten 30km bei weitem nicht mehr halten konnte. Auch das Knie wollte kaum noch Ruhe geben.
Es galt nun mehr und mehr, mentale Stärke zu beweisen und sich irgendwie durch zu beissen. Immerhin bewältigte ich den Tönsberg, eine der anspruchsvollsten Steigungen, noch ganz solide ohne Gehphase, wenn auch mit sehr kleinen Schritten. Aber ein Kraftakt wars' natürlich dennoch.
Dann bergab nach Oerlinghausen, wo ich es sonst bei meinen 30km-Trainingsläufen oder im WK so richtig schön hab' rollen lassen und die Pace oft bis etwa 4:10/km hoch ging, wurde es diesmal eher ein quälender Krampf mit angezogener Handbremse, da ich nie richtig wusste, wie sich das malade Knie verhält und ich es lieber nicht zu sehr reizen sollte.
Keinen einzigen KM bin ich während dieses Ultras unter 5er-Schnitt gekommen,- das war schon ernüchternd. Schnellster war 5:11; langsamster (am Berg) knapp 9 Min.

Es kam die schwere Phase, wo es nach der Passage durch Oerlinghausen wieder plötzlich bergauf ging und dann durchs' Schopketal … dann wieder bergauf und Richtung den berüchtigten "Lämershagener Treppen", wo beim Hermannslauf schon oft die Vorentscheidung um den Sieg gefallen war und sich die Spreu vom Weizen trennte. Die Treppen bin ich hochgegangen, um oben nicht völlig platt anzukommen. Aber da musste ich mir ohnehin erstmal wieder ein Gel reinziehen und kurz was trinken, ehe ich durch den Wald mehr schlecht als recht weiter trabte. Ein Riemen des blöden Rucksacks hatte mir bereits eine Stelle am Hals aufgescheuert.
Es lief weiter auf-und ab, ich hatte nun schon über 50km in den Knochen und spielte mit dem Gedanken, es evtl. doch bei 62km an der Sparrenburg bewenden zu lassen,- immerhin: Einen "doppelten Hermann" zu bewältigen, das haben auch noch nicht so viele Läufer geschafft, da hätte ich schon was vorzuweisen gehabt.
Dann kam erstmal noch die letzte berüchtigte Schlüsselstelle, eine zwar relativ kurze, aber ganz harte, steile Steigung hinter dem "Eisernen Anton", wo ich ein Teilstück denn auch gehen musste,- was aber wahrlich keine Schande hier ist, wo es schon einige "zerlegt" hat.
Kurz danach wieder n`Gel; Riegel und Trinken und dann waren es nur noch knapp 5km bis zur Sparrenburg. Aber schon hier wusste ich, dass ich die 74km heute doch voll machen wollte nach dem Motto: "Jetzt erst recht"! Ich wollte einfach wissen, ob ich die Distanz wirklich drauf hab',- egal wie langsam es nun wurde. So lief ich nun noch zusätzlich über andere Waldwege etwas abseits des Hermannswegs, zum Teil wieder etwas zurück, um auf die nötigen KM zu kommen.
Alles war jetzt fast nur noch eine mentale Sache; ich versuchte das Knie zu ignorieren,- was mir indes nicht ganz gelang bzw. es widersetzte sich beharrlich.
Als ich dann über die 60km-Marke gelangte, spürte ich, das es selbst für die anvisierten 8 Std. eng werden könnte. Aber das war dann auch irgendwie egal,- später kräht da ohnehin kein Hahn mehr nach.
Trotzdem versuchte ich manchmal noch, wenn das Knie wieder Ruhe gab, auf Flachstücken zu forcieren, was sogar mal gelang,- aber zumeist waren die KM-Splits schon eher ernüchternd und ich bemühte mich krampfhaft nur darum, dass man mich wenigstens noch gerade so für einen Läufer hält und nicht für einen Wanderer.
Ich wusste, was einen Ultra-Läufer doch ganz besonders ausmacht: Enorme Zähigkeit zu beweisen und die mentale Härte, sich immer wieder aus tiefen Krisensituationen befreien zu können, um das verdammte Ding doch noch zuende zu bringen. Das wollte ich nun, als ich auf der langgezogenen, meist abschüssigen, gut besuchten Promenade oberhalb Bielefelds gelangte, auch beweisen und schaffte es letztlich auch,- wenn auch erst nach
8Std., 10Min., 41 Sek., als ich kurz vor der Sparrenburg die Uhr stoppte. Gemessene
Höhenmeter: 1563
Was für ein mörderischer, zäher Kraftakt.

Hauptsache geschafft!
Wenn ich eine solche Zeit beim offiziellen Rennsteig-Ultra gelaufen wäre, wäre ich schwer enttäuscht gewesen; da dürfte ich mir angesichts meiner Marathon-PB oder auch Hermannslauf-PB unter normalen Umständen eigentlich eine Zeit um die 7Std. ausrechnen,- wobei ich mir jetzt aber nicht sicher bin, ob angesichts meiner Knieprobleme und muskulären Defizite in diesem Jahr nicht doch eher eine 7:30h rausgesprungen wäre.
Egal, alles Mutmassung,- jetzt erstmal Beine hochlegen, sehr lange regenerieren; d.h., die längst überfällige Saisonpause bis in den Juni hinein ist nun überfällig.
Von Ultraläufen habe ich vorerst die Schn …. voll,- einen Herbst-Marathon möchte ich in diesem Jahr aber schon noch in Angriff nehmen,- eine Herausforderung, die ja wahrlich auch nicht zu verachten ist …