Feldweg hat geschrieben:Der Therapievorschlag des Arztes lautete Hyaluron und Akkupunktur. Nach Durchsicht von Studien überzeugt mich keins von beidem. Die Logik, dass die Korrektur des Fußes das Knie entlastet, man es zusätzlich stabilisieren könnte und mit explizit dafür ausgesuchten Schuhen und meinetwegen auch weichem Untergrund was dauerhaftes hinbekommt, erschließt sich mir eher.
Hallo Feldweg,
der "Weg" eines Läufers mit Schmerzen am Bewegungsapparat wird von Künsten (Kentnnissen/Fertigkeiten) Außenstehender und eigenem Ermessen bestimmt. Der Arzt und seine "Erfüllungsgehilfen" (Physio, orthopädischer Schuhmacher für Einlagen, etc.) betrachten das Problem von außen, ohne selbst darunter zu leiden, mithin mit mehr Objektivität. Das heißt nicht automatisch, dass ihre Aussagen richtig sind. Und wenn doch, dann nicht, dass ihre Vorgehensweise/Maßnahmen unbedingt zum Erfolg führen müssen. Das liegt daran, dass es Milliarden Menschen auf dieser Welt gibt, deren Körper lediglich im Grundsatz übereinstimmt, die jedoch als Individuum anders empfinden und auf Behandlung nicht in derselben Weise reagieren. Manchmal reagiert geschädigtes Gewebe auch überhaupt nicht. Man muss sich dessen bewusst sein, um MIsserfolge schon bei ärztlicher Diagnose, mehr noch bei anschließenden Behandlungsansätzen einordnen zu können. Ein Arzt ist nicht automatisch ein schlechter Arzt, weil er eine Diagnose stellt, die das Problem nicht richtig beschreibt. Oder, weil er etwas anordnet, was nicht zielführend ist (Ziel ist nicht nur Schmerz- sondern Problembeseitigung). Einen Arzt lehne ich nur dann ab, wenn er sich nach ausbleibendem Erfolg nicht um weiterführende Erkenntnisse/Behandlungen müht. Dasselbe gilt natürlich auch für Physios und andere, deren handwerkliche Kunst mir helfen soll.
Ich habe mit Ärzten und Behandlern nach einem bisher sportlich geführten Leben, das ein Sammelsurium von Sportarten ausfüllt, zu Beginn eher als Fußballer, seit etlichen Jahren nun als Läufer, unendlich viel Erfahrung. Auf dieser fußt diese Aussage (unter anderem). Als junger Mensch hing ich an den Lippen dieser meiner Helfer. Weil ich wenig von dem verstand, was mein Körper mir mitteilte. Aber das lernt man, wenn man ihm zuhört mit den Jahren. Als Läufer noch eher, weil das Gleichmaß der Schritte, mit denen man diesen Sport ausübt, einem erlaubt die Sensorik von Bewegungsapparat und anderen Organen gut "im Auge" zu behalten.
Deshalb habe ich manchmal Dinge/Maßnahmen forciert, bei denen ich mich gut oder gar zunehmend besser fühlte, die widersinnig zu sein schienen. Zum Beispiel merkte ich, dass die Anfälligkeit meiner Wirbelsäule (will ich jetzt nicht thematisieren) mit wachsendem Laufumfang abnahm. Als ich gerade ein akutes Problem hatte (Einriss einer Bandscheibe, wenn ich mich recht erinnere), das mich anderthalb Tage schier bewegungsunfähig machte, befand ich mich mitten im ersten Marathontraining. Der Einriss wurde durch eine plötzliche, blöde Querbelastung beim Paddeln verursacht (im Ulk die Insassen im Nachbarboot nassspritzen). War nie zuvor gepaddelt ... Nach Diagnose und Krankschreibung merkte ich nach anderthalb Tagen, dass ich mich plötzlich wieder bewegen konnte und quälte mich in meine Laufschuhe. Nach höllischen ersten Minuten ließen die Schmerzen nach und verschwanden völlig!!! Danach, in Ruhe, kamen sie zurück. Doch immer wenn ich es in die Laufschuhe geschafft hatte und die ersten Meter hinter mir lagen, ging es mir blendend. Ich nutzte Laufen von diesem Tag an als Therapie gegen Rückenprobleme und bin damit immer gut gefahren ... äh ... gelaufen. Lange ließ ich diese "Therapie" ärztlicherseits nicht absichern. Doch irgendwann fragte ich mal einen Orthopäden meines Vertrauens, wie er sich dieses "widersinnige Verhalten" meines Körpers erkläre, wo doch jeder wisse, dass beim Laufen vertikale Kräfte auf die Bandscheiben einwirken, die eigentlich zu Schmerzen führen müssten. Seine Antwort kleidete er in Frageform: "Woher ich denn wissen wolle, dass das so wirken müsse. Warum es denn nicht auch so sein könne, dass die Belastung des Laufens die Wirbelsäulenmuskulatur straffe und dadurch alles in Form gepresst würde, was in Ruhe in Unordnung ist!?" - Dieses Gespräch war der erste für mich sehr entscheidende Moment, der mir bestätigte, dass meine persönliche, vorsichtige, verantwortungsvoll getroffene Entscheidung durchaus mehr Erfolg haben kann, als Rat und Verordnung eines Arztes.
Noch gravierender dann diese Erfahrung: Als ich begann Marathon zu laufen, bekam ich alsbald Probleme mit meiner Achillessehne. Sie ist, wie per MRT diagnostiziert wurde, irreparabel geschädigt, enthält Narbengewebe. Die Schädigung ist älteren Datums, hat also nichts mit dem zu jener Zeit forcierten Lauftraining zu tun. Der behandelnde Orthopäde, ein sehr erfahrener Oberarzt der Orthopädie in einem Bundeswehrkrankenhaus, malte mir ein schlimmes Schicksal an die Wand, das mir bevorstünde, wenn ich die Sehne nicht operieren ließe. Sollte ich nichts unternehmen, werde die Sehne eines nicht allzu fernen Tages reißen. Er schlug eine OP vor, bei der das Narbengewebe entfernt werden sollte. Linderung meiner Beschwerden versprach er mir allerdings nicht. Fest stand nur, dass ich für ein halbes Jahr nicht würde laufen können und das Gehen neu erlernen müsste ... Das war im Frühjahr 2006. Ich verschob die OP auf den folgenden Winter, weil ich vorhatte im Mai meinen ersten Marathon unter drei Stunden in Prag zu laufen. Ging also ein Risiko ein, hoffte, die Sehne werde bis November oder so schon noch halten ... Was ich dann erlebte, war unfassbar: Im folgenden härtesten Marathontraining meines Lebens gingen die Schmerzen zurück, lagen zum Ende hin meist unterhalb der Wahrnehmungsgrenze (ich habe Erklärungen dafür, warum sich das so entwickelte, will das hier aber auch nicht thematisieren. Eine wundersame Heilung war es jedenfalls nicht.) Das blieb dann auch so und deshalb entschied ich für mich, diese OP nicht durchführen zu lassen und den Signalen meines Körpers Vertrauen zu schenken. Der Prag Marathon 2006 war mein 6. Marathon überhaupt. Heute sind es 239 Marathons und Ultras, einige weiter als 100 km und die Sehne ist nicht gerissen.
Meine Entscheidung auf meinen Körper zu hören gereichte mir also zum Vorteil. Danach hatte ich immer wieder solche Entscheidungen zu treffen, jedoch nicht so ggfs. folgenschwere. Eher im Kleinen.
Andererseits halfen mir ärztliche Kunst und diverse Behandlungen (Massagen, manuelle Therapien, Krankengymnastik, orthopädische Einlagen, und anderes mehr) in kritischen Situationen oft weiter. Manches "adaptierte" ich auch an meine Bedürfnisse. Zum Beispiel die "Krankengymnastik am Gerät", die ja viel Ähnlichkeit mit Krafttraining hat. Ich muss da heute noch meine Übungen machen. Wenn ich nachlasse, bekomme ich wieder Probleme mit dem "Kreuz". Nur habe ich inzwischen diverse Übungen hinzugefügt, die mir als Läufer guttun.
Niemand kann dir sagen, welcher Weg zwischen Selbstwahrnehmung gefolgt von verantwortlicher Entscheidung und den Diagnosen/Ratschlägen/Behandlungen/Maßnahmen deiner medizinischen Helfer der richtige ist. Ganz entscheidend ist sich selbst sehr genau wahrzunehmen, zu erfahren, Signale des Körpers nicht zu überhören.
Ich wünsche dir baldige Besserung
Gruß Udo