RunODW hat geschrieben:Leuchtet mir alles soweit ein, ich werde nun ja bald (äh sehr bald) 45 Lenze möchte aber mit den Intervalltraining weitermachen, ich find's klasse für mich und für den Körper ist das okay. Wie ist das eure Meinung dazu und wie macht ihr das? In irgendnem Strang hier im Forum habe ich auch gelesen, dass über die Speed-Läufe bzw. das Tempo schon kontrovers diskutiert wurde - allerdings nicht bezogen auf 45 bzw. 45+.
Hallo RunODW,
unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Ansichten. Unterschiedliche Läufer auch und Schreiber von Trainingsempfehlungen machen da keine Ausnahme. So viel vorweg. Lass mich meine Antwort zweiteilen. In einen objektiven und einen subjektiv empfundenen Part. Objektiv ist unbestritten, dass ein Bewegungsapparat mit fortschreitendem Alter an Robustheit einbüßt und damit bei hohen Belastungen (= Einwirken starker Kräfte) verletzungsanfälliger wird. Ebenso unbestritten ist, dass die auf die verschiedenen Gewebe und Funktionseinheiten einwirkenden Kräfte bei schnell gelaufenen Intervallen am höchsten sind. Somit sollte "man/frau" im fortgeschrittenen Alter das Intervalltraining den eigenen Möglichkeiten anpassen. Erhebt sich die Frage, was unter fortgeschrittenem Alter zu verstehen ist und wie die Anpassung erfolgen sollte.
Mit den von dir zitierten 45 Jahren ist meines Erachtens und meiner Erfahrung nach noch keine Anpassung nötig. In diesem Alter ist die einst erreichte Höchstleistung von Läufern wie auch ihre Belastbarkeit noch kaum reduziert. Darüber hinaus scheint es mir unmöglich für den Terminus "fortgeschritttenes Alter" überhaupt eine Zahl anzugeben. Das ist in hohem Maße individuell und im Einzelfall zu beurteilen. Ich komme dazu noch beim subjektiven Part.
Wie anpassen: Intervalltraining ist hinsichtlich "Länge des Intervalls", "Tempo", "Wiederholungszahl" und "Pausengestaltung" festgelegt. Klassisch im Marathontraining sind beispielsweise 1.000er Intervalle, die je nach Zielzeit hinsichtlich Tempo und Wiederholungszahl variieren. Die so genannte "lohnende Pause" dazwischen wird oft vernachlässigt, spielt aber eine wichtige Rolle. 500 bis 800 Meter weit sollte sie schon sein. Altersgemäße Anpassung würde nun bedeuten, dass man diese Pause länger gestaltet, als man es sich vormals zumutete. Darüber hinaus ist es sinnvoll die Anzahl der Intervalle zu reduzieren. Am Tempo braucht man dagegen keine Veränderungen vorzunehmen, das reduziert sich automatisch und zwar so: Ein älterer Mensch braucht für einen Marathon zwangsläufig länger als in seiner besseren Zeit. Kurz subjektiv: In meiner besten Zeit lag ich bei ca. 3 Stunden, heute mit 66 habe ich Mühe unter 4 Stunden zu bleiben. Ergo sind die Intervalle des Trainingsprogramm entsprechend reduziert im Tempo.
Jetzt voll subjektiv: Ich lief meinen ersten Marathon mit 48. Und ich habe Intervalle ohne jede Rücksicht auf etwaige Risiken "gebolzt". Weil ich mir damals über dergleichen noch keine Gedanken machte. Mit 48 lief ich meinen ersten Marathon in 3:42 (Zielzeit war 3:45). In den Folgejahren schraubte ich meine Bestzeit bis auf fast 3 Stunden runter. Zielzeit 3 Stunden erfordert allerdings 1000er-Intervalle, die um die 4 min pro km liegen oder sogar darunter. Da gehen die Ansichten diverser TP-Schreiber auseinander. Diese Intervalle habe ich mir noch mit 55 Lebensjahren zugemutet und hatte dabei nicht den Eindruck ein Risiko einzugehen. Tatsächlich habe ich mich auch nie durch Intervalltraining verletzt, sondern immer durch die Belastung in Training und Wettkampf insgesamt. Doch das ist ein anderes Thema.
Damals, das ist jetzt 10 Jahre her, ging ich auf die Tartanbahn und klotzte die Dinger einfach runter. Hat mir nix ausgemacht. War kein Spaß, aber auch nicht sonderlich eklig. Heute ist das komplett anders. Heute hasse ich Intervalle. Nicht nur die auch jeden heftigen Tempolauf. Ich laufe gern weit und dafür langsam. Jetzt bin ich 66. Ich trainiere noch immer Intervalle, weil sie eine hochwirksame Trainingseinheit sind, um das Tempo zu verbessern. Das tue ich nicht mehr für meine Marathonzeiten, sondern um meinen Laufstil nach einer langen Ultrasaison zu rekultivieren. Auch wenn mir die Dinger mental und physisch schwerfallen - paradoxerweise habe ich gerade während bei diesen hochfrequenten Schritten die wenigsten Beschwerden. Das ist auch nur scheinbar paradox, weil schnelle Schritte notwendigerweise "saubere" Schritte sind - Stichwort: Rekultivierung des Laufstils - doch das ist wieder ein anderes Thema. Um kein Risiko einzugehen habe ich inzwischen die Anzahl der Intervalle reduziert. Versuchsweise habe ich auch die Pause verlängert, damit jedoch keine nützlichen oder sinnstiftenden Erfahrungen gemacht. Will heißen: Es fühlte sich einfach nicht richtig an die Pause zu verlängern. Absolut subjektiv geurteilt sind die von Beck ins Feld geführten 45 Lebensjahre für den Zeitpunkt einer Anpassung - ich kanns nicht anders ausdrücken - lächerlich. Es kommt darauf an sich selbst zu beobachten und die Reaktion des eigenen Bewegungsapparates zu erspüren. Der sagt einem dann schon, wenn es Zeit ist - im sprichwörtlichen Sinne gemeint - kürzer zu treten. Mein Körper teilt mir das über diverse Empfindungen mit und ich höre auf ihn.
Von der Empfehlung statt Intervallen auf Fahrtspiele umzusteigen halte ich übrigens noch weniger als nichts. Begründung: Intervalltraining ist von seiner Auslegung und damit Belastung her über die oben aufgezählten Parameter absolut berechenbar. Ich kann die "Dosis des Gifts" exakt festlegen. Wenn ich heute X Tausender mit Tempo Y laufe und dazwischen Z Meter trabe, dann kann ich mit denselben Werten nächste Woche genau dieselbe Belastung erzielen. Die Gesamtbelastung eines Fahrtspiels wie auch die wirkenden Spitzenkräfte sind dagegen immer situationsabhängig. Ich werde nie sagen können, ob ich diese Woche mehr Anstrengung aufwenden musste als letzte Woche. Im Übrigen ist die Wirkung eines Fahrtspiels sehr vom Naturell eines Läufers abhängig. Ehrgeizige überfordern sich mit Fahrtspielen relativ leicht. Als ich noch Intervalltraining und Fahrtspiele wochenweise wechselte war es nicht selten so, dass mich Fahrtspiele tiefer in die Erschöpfung trieben als je ein Intervalltraining.
Gruß Udo