Zeit für eine lange (richtig lange!) Kaffeepause? Na dann mal los:
Berlin 2019
So schnell geht das, kaum das Training gestartet, schon ist der Marathon vorbei.
Sei gut hydriert, haben sie gesagt, trink früh vorher...
Aber von vorn:
Schön war es. Und alles hat bereits vorab super geklappt, die Anreise problemlos, das Zimmer war schon fertig, das Abholen der Unterlagen ging schneller als gedacht.
Die Nacht war dann aber doch kurz. Im Startbereich wie geplant Isse, Rauchzeichen und Raffi getroffen. Wir haben uns die Zeit mit Quatschen, Dixieanstehen, Verlaufen, Quatschen, Dixieanstehen und lustigen Fotos verkürzt. Und unsere liebe Isse hat ihr Bestes getan, mich zu beruhigen- ich könnte dich immer noch knutschen dafür
Isse und Raffi sind dann zusammen gestartet und Rauchzeichen und ich haben uns auch auf den Weg gemacht. Wie immer: ab Überqueren der Startlinie war die Nervosität weg.
Die ersten Km verflogen und Rauchzeichen schickte mich bei etwa km 4 allein weiter.
Ich war mir sicher, er sammelt mich bald wieder ein.
Ich fand es dieses Mal extrem voll, habe gefühlt im 5 Sekunden Takt überholt. Immer mit dem Gedanken „Bremsen, langsam machen....“
Irgendwann habe ich die 5 Stunden Pacer überholt, die anfeuernde Pacemakerin ist mir auch aufgefallen @Rauchzeichen.
Vor dem Start habe ich noch gescherzt: „wie lange dauert das noch, ich muss mal, sind wir bald da?“ und Zack, km 6 und die Blase...voll.
Alle Versuche, dies zu ignorieren, scheiterten. Also km 8/9 etwas flotter (5:55) gelaufen und am Verpflegungsstand in die Dixieschlange eingereiht. Der KM ging dann mit 7:32 durch. War mir aber egal, ich wäre nicht gut angekommen sonst. Ich wollte ankommen. Ein Zeitziel hatte ich da nicht mehr. Und wieder die überholt, die ich vorher schon gesehen habe.
Sehr schnell war das erste Drittel um. Nur noch 28 km, Beine locker, läuft.
Die Wade zickte etwa ab km 12 leicht, die Blase war plötzlich m wieder am Mäkeln, ergo nächster Halt KM 15, Dehnen, Dixie, Dehnen.
Kmpace dadurch 8:12.
Aber: danach lief es, oder besser ich, leichter.
Allerdings kam mir da der Rest noch sehr lang vor.
Der erste HM war mit 2:18 plus Keks durch.
Auf meiner Uhr ploppten immer wieder liebe Nachrichten von meinem Mann auf, das war so schön und hat toll motiviert.
Ab der Hälfte habe ich mich auf den Forumsstand gefreut, das ist immer ein schönes Zwischenziel, und Tommi gerade noch erwischt. Er rollte gerade das Plakat ein, was mich nicht hinderte, ihm einfach kurz um den Hals zu fallen -pudelnass und schwitzig, sorry
Kurz darauf habe ich ein Gel genommen, bin fast verendet beim Verschlucken - soviel zum Üben vorher- und Salztabletten auf Empfehlung vom Doc. Das Gleiche nochmal bei KM 30 und 36.
Nur noch 17 km und die Beine waren noch gut dabei. Kalt, Regen, aber insgesamt fühlte sich das alles noch gut an. Klar, die Belastung ging langsam in die Beine, aber insgesamt alles prima.
Die Schuhe waren schwer und durch, aber die Stimmung an der Strecke war trotz Regen toll. Respekt an alle, die da so lange an der Strecke standen.
Außer an den Verpflegungsstellen bin ich durchgelaufen und habe überholt, überholt, überholt. Das war teilweise wirklich nervig, wenn Leute meinten, in 4er oder 5er Pulks unterhaltend vor sich hin zu traben.
Es wurde nicht leerer, lag vielleicht auch am Zeitbereich.
Der Kreislauf muckte bei km 27/28 etwas, leichte Schwindelgefühle, die Beine taten etwas mehr weh, aber es lief. Und der Kopf? Dem ging’s auch prima. Ich habe den Lauf so genossen, trotz der Anstrengungen. Dachte immer wieder, dass genau dafür das Training war, das elende frühe Aufstehen usw. und dass ich jetzt nicht langsamer werde, wie mein Körper gern wollte, sondern Tempo halte oder schneller laufe.
Und dann ging es immer wieder. Ja, hart war es schon, gerade die Überwindung, nicht langsamer zu werden, aber dabei auch richtig gut. Schwer zu beschreiben.
Nur einmal hatte ich das Gefühl, das verfluchte Schild kommt und kommt einfach nicht, das war auf km 39.
Ab km-Schild 40 habe ich tatsächlich nochmal angezogen mit dem Tempo, auch wenn sich meine Beine anfühlten wie brennende Tonnen
und der Kopf da schon meinte, das schneller nicht geht. Innerlich das Mantra „komm schon, zwei Kilometer, alles was geht, du kannst das!“
Ich habe mich so auf die letzte Kurve gefreut und wieder festgestellt, dass außer archaischen Grunzlauten wohl nichts mehr aus meinem Mund kommt.
Und dann, Unter den Linden und wie immer dieser Moment:
„Oh, unglaublich! Ich schaffe es!“
Keine Ahnung, warum es mich immer wieder überrascht, dass ich ankomme.
Von rechts ein, zwei laute Rufe: mein Mann.
Glücklich angestrahlt und weiter.
Durch das Brandenburger Tor und die letzten paar Meter ins Ziel habe ich einfach nur genossen zwischen lachen, weinen, freuen... Glück, Demut, was mein Körper mir möglich macht... und schon im Ziel.
Und ich bin sehr zufrieden mit der Zeit, der Lauf war einfach richtig gut. Nie hatte ich das Gefühl, ich komme nicht an, nicht einmal den Wunsch „gebt mir ein Fahrrad- einen Roller- ein Pferd- was auch immer“, damit das ein Ende hat. Klar war es anstrengend, die Oberschenkel wie roh teilweise und ja, ich wäre auch nicht böse drum gewesen, wenn so ein Marathon „nur“ 35 km hätte.
Aber allein, dass auch der Kopf so gut mitgemacht hat, mich kein Zeitziel unter Druck gesetzt hat, das war toll.
So, lang wie immer
Das größte Vergnügen im Leben besteht darin, das zu tun, von dem die Leute sagen, du könntest es nicht. (Walter Bagehot)
"Ist der Marathon für Frauen etwa auch 42,2 km lang?" (Überraschter Kollege im Büro)