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Lauf so schnell du kannst – eine „kurze“ Geschichte vom Rennsteig :o)

Lauf so schnell du kannst – eine „kurze“ Geschichte vom Rennsteig :o)

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Prolog

Zweimal ist sie die Strecke bereits gelaufen. 2012, der erste Marathon überhaupt, unvergesslich! 2013 als Trainingslauf zur Vorbereitung für einen anderen M, der dann ins sprichwörtliche Hochwasser fiel, doch dass sind andere Geschichten. Dieses Jahr hat sie sich als Ziel für den Rennsteig (gmrl) fest vorgenommen, „lauf so schnell du kannst“ …

Abends vorher, auf Grund der Erfahrungen der letzten beiden Jahre und den ständig wechselnden Prognosen, noch immer die Kleiderfrage nicht gänzlich geklärt. Dass sie gern noch einmal das Selbe wie beim ersten gmrl anziehen will, steht außer Frage. Offen bleibt; „kurz“ oder „sehr kurz“? Am frühen Morgen, nach dem ersten Munterlaufen und Temperaturfühlen, fällt die Entscheidung für „sehr kurz“. Sie wird nicht frieren unterwegs… das noch nebenbei.

Das übliche Procedere inkl. Warmlaufen und Einhopsen ist den meisten bekannt, jeder hat da seine eigenen Rituale und spezielle Vorlieben, unnötig, das hier nieder zu schreiben.

1. Akt „Versuch macht kluch…“

Da steht sie also am Eingang des kleinen Sportplatzes in Neuhaus, ein Stück hinter der Tribüne, mit nichts dabei als einer winzigen Glaskugel in der Hosentasche und einem „Freundschaftsarmband“ am Handgelenk, beides als Glücksbringer (und natürlich einem Taschentuch ;o)

Die letzten beiden Jahre ist sie vorsichtig, beinahe scheu, in den hinteren Bereich gehuscht. Im Grunde ist es egal, wann man durch den Startbogen läuft. …Im Grunde, wenn da nicht irgendwann, etwa bei km 22 der berühmte Wurzelweg kommt... Wenn man den mitten im Pulk des „Hauptfeldes“ erreicht, heißt es hier anstellen und im Gänsemarsch hinunterwandern. Kann auch Spaß machen, doch dieses Jahr ist sie fest entschlossen, so lange wie möglich, so weit vorne wie möglich mit zu laufen, um so früh wie möglich in dieses Nadelöhr einzufädeln. Also nutzt sie ein bisschen ihre Körpergröße, witzelt sich mit „Frauen und Kinder zuerst“… im unregelmäßigen Zickzack nach vorn, Reihe für Reihe. Bis neben ihr ein langer Kerl grinsend meint „naaa, willst wohl angreifen“. Sie kontert noch frech, „klar, Ihre Zeit vielleicht“ (ach ja, wieder das Ding mit dem „Läuferdu“… doch auch das ist eine andere Geschichte) dann schaut sie nach vorn und stellt, doch leicht erschrocken, fest; uups sie ist in der 3. Reihe angekommen. Egal, hier bin ich, hier bleibe ich!!! Schon beginnt das Singen des Rennsteigliedes, danach wird zum Schneewalzer geschunkelt. Beim Refrain, den Blick nach oben, muss sie schmunzeln. Ragen doch die meisten Hände rechts und links neben ihr mindestens 30cm höher in den Himmel.

2. Akt „ja wo laufen sie denn…“

Auf einmal geht es los! Sie lässt sich diesmal ganz bewusst vom Strom des Feldes mitreißen, hat sich vorgenommen, sich nicht wie sonst am Anfang vorsichtig einzubremsen… „egal, schwer wird es sowieso und langsamer wirst du allemal noch“. Diese, nennen wir es ironisch „Taktik“, geht auf. Bis zur Zeitnahme an der Halbmarathonmarke kommt sie damit nahezu in der vorher angepeilten Wunschzeit. Klar wird sie hier im Moment etwas mehr überholt, als sonst, doch es tut gut, im schnelleren Tempo einfach „mitzufliegen“. Kurz vor km 10 dann etwas, das viele sicher auch fürchten; ein unbedachter Schritt, sie rutscht auf dem teilweise doch recht feuchten Waldboden weg und fällt – weich! Uff, zum Glück nichts passiert, alles gut, sie rappelt sich auf, weiter geht’s. …

Hinter der Turmbaude Masserberg, geht es relativ flott bergab. Plötzlich, wohl von einem „Rennsteigneuling“ die Frage „das war doch jetzt der höchste Punkt, oder“… Nachdem diese Frage aus den Reihen mit Ja beantwortet und einem erleichterten Seufzer des jungen Mannes kommentiert wurde, meldet sich eine freundliche Stimme aus dem Hintergrund; „es kommen schon noch einige Steigungen“ :o) Die Stimme gehört zu Klaus der, wie sich herausstellt, in dem Ort arbeitet, wo die Dame wohnt und so kommen sie, wenn auch nur kurz, ins Gespräch, auch oder gerade zum Thema der kommenden Steigungen. Hier hat sie doch eine sehr eigene Auffassung. „Diese werden, um der Ehre willen nicht gegangen, die werden gelaufen“!!! Ehe sie sich versieht, kann sie im Weiterlaufen noch hören, wie Klaus einem anderen Klaus diese Auffassung weitergibt…. Dann kommt der Wurzelweg.

3. Akt „zwischen Berg und tiefem, tiefem Tal“

Es zeigt sich, dass es tatsächlich von Vorteil ist, so früh wie möglich dort anzukommen. Das Feld ist leicht auseinander gezogen, das hier hat noch immer mit Laufen zu tun. Wenn auch ein gewagter Hindernislauf. Und hier zollen die Gummibeine dem vorangegangenen Tempo, doch das erste Mal Tribut. Sie verliert mit ihren kurzen Trippelschritten und den Bemühungen nicht an Wurzeln hängen zu bleiben oder wieder fehl zu treten, ein Stückweit Anschluss an „Klaus und Klaus“ (so wollen wir die beiden nennen) Bald jedoch ist der Wurzelweg, gemessen an den Vorjahren, recht flott zurückgelegt.

Ein wenig später verläuft der Rennsteig nahezu parallel zur Straße. Viele lassen es sich hier nicht nehmen, lieber das Stück auf dem Asphalt zu laufen. Die letzten beiden Male hat sie es den anderen nachgetan, diesmal bleibt sie brav auf dem vorgesehenen Pfad (auch um der Ehre willen) und kann bis hier sogar wieder etwas zu „Klaus und Klaus“ aufschließen. Doch der Pfad ist verwurzelt und verläuft im Profil lange nicht so ideal wie die Straße. Weiter direkten Anschluss zu halten fällt nach und nach immer schwerer, und auch wieder an das geplante Tempo heranzukommen scheint langsam unmöglich. Allmählich rücken die beiden weiter vor, sie bleibt mit den Augen an ihnen haften, schließlich verliert der 2.Klaus selber den Anschluss…. der andere verschwindet ganz aus dem Blickfeld.

Dann, viel früher als in ihrer Erinnerung kommt der Anstieg am Burgberg. Wie angekündigt, auch hier wird gelaufen, NICHT gegangen! (ein Stück vor ihr der Rücken vom 2. Klaus und siehe da, die Ansprache des 1.Klaus hat seine Wirkung getan, auch er trabt brav den Anstieg hinauf :o) Oben angekommen, schafft sie es denn gerade noch so die rechte Faust kurz in die Luft zu strecken…

4. Akt „der Weg ist das Ziel“

Bei km 31,88 plötzlich, eine gefühlte Miniaturkatastrophe; die Uhr meldet „GPS Signal verloren“. Kleine Frau was nun? Klar weiterlaufen sowieso, abwarten, Signal kommt gleich wieder…. Fehlanzeige. Neustarten, hoffen dass sie es wieder findet? Keine gute Idee! Da die Zeitmessung unbeeindruckt weiterlief, hat sie wenigstens diese als Anhaltspunkt, also heißt es ab da, laufen nach Gefühl. Möglicherweise genau das Richtige. Sich nicht durch das Herauf- und Herunterrechnen von Kilometerzeiten verrückt machen zu lassen, hat auch etwas Gutes.

Ein kleines Stückchen weiter hat sie schließlich den 2. Klaus ein, nun bleiben die beiden, quasi wieder als Teil dieses lockeren „Trios“ ein Stück des Weges zusammen. Der 2.Klaus redet und witzelt unentwegt, meint, ja der Klaus ist davongezogen… sie schafft es geradeso, zwischen den doch immer schwerer werdenden Atemzügen, zu hauchen „Sie reden zu viel, könnten schneller sein“… Antwort, man sollte doch auch noch Spaß daran haben….“also gut, sie reden, ich höre zu“.. Um hier abzukürzen, irgendwann meint er, mach dein Tempo mal weiter, das passt schon, wir sehen uns spätestens im Ziel – Recht sollte er behalten :o)

Besagtes Ziel rollt nun immer näher, Kilometer für Kilometer. Das Tempo wird, vorerst nur gefühlt, doch wie sich nachher herausstellt auch tatsächlich, nun noch einmal forciert. Noch einige Anstiege, wieder kleinere abfallende Stecken zum Kräftesammeln und wieder bergan… an einer der letzten Steigungen dreht sich jemand wohlmeinend zu ihr um „brauchst du noch etwas zu trinken“? Das Pfeifen und Röcheln ist nicht zu überhören, doch sie kann ihn wirklich beruhigen – es ist tatsächlich so, dass das Mobilisieren der letzten Reserven bei ihr nur klingt als sei sie eng verwand mit „darth vader“ es hört sich schlimmer an, als es ist…. Kurz vor der Marathonmarke dann überholt sie den 1.Klaus. Sein Kommentar „DAS glaube ich jetzt nicht“! hierauf nur noch ein Flüstern “doch, aber noch sind wir nicht in Schmiedefeld“…

5. Akt „mit letzter Kraft“

Nach Überqueren der Marathonmarke gibt es jedoch kein Halten mehr. Keine Vorsicht auf dem abfallenden Stück, die Beine laufen lassen, hinunter in den Ort. Vorbei an einigen T-Shirts, die doch bis km 20/30 an ihr vorbeigezogen waren…. Die Kurve zum letzten Anstieg in Richtung Sportplatz… diese lange Steigung… rechts und links hört sie Menschen rufen, anfeuern, ein- zweimal ihren Namen. Sie hat für den Moment (leider) keinen Blick dafür, die Augen starr geradeaus… Lauf! Lauf! Lauf! Gib niemals auf… Sie trippelt sich mit den kurzen Beinen hinauf, keuchend, die Lunge pfeifend, Schnappatmung, Schaum vorm Mund, die Nase läuft, sie schämt sich nicht, es ist ihr egal. Nur weiter… vor ihr geht ein „junger Spund“ in Siegerpose den Berg hinauf – auch ihn überholt sie, muss innerlich, trotz der Anstrengung, doch ein wenig über ihn lächeln.

Dann die Rechtskurve, die Strecke wird eben, nur weiteratmen… weiterlaufen… Tempo halten… rechts ein kleiner Junge, für ihn hat sie ein Lächeln, hält ihm die Hand zum Abschlag hin… dann scharf links, in die „Zielgerade“… der Blick auf das Tor, das „schönste Ziel der Welt“ in Schmiedefeld… Aus der Menge noch eine Stimme die ihren Namen ruft, sie ist schon vorbei, da bekommt die Stimme einen vertrauten Klang, sie kann ihre Freundin heraushören, sie und ihre Familie wird sie nachher treffen… nur noch wenige Schritte, geschafft!!!

Epilog „nach dem Lauf ist vor dem Lauf“

Sie steht im Ziel, kann es noch nicht richtig fassen, da hört sie hinter sich einen Freudenschrei, und nur Sekunden später spürt sie eine große Hand, die ihr auf die Schulter kracht – der 2.Klaus ist im Ziel und freut sich nicht weniger als sie. Noch um Atem ringend meint er „Klaus kommt auch gleich“ sie drehen sich um, schauen ihm entgegen… da kommt er… läuft über die Ziellinie und lachend liegt sich diese „Trio“ das sich ein Stück des Rennsteigs gegenseitig mitgezogen, motiviert und aufgemuntert hat, in den Armen. Die 3 tauschen nachher noch „Geheimnisse des speziellen Bergtrainings für Flachlandtiroler“ aus, doch diese werden hier natürlich nicht preisgegeben ;o)

Brauchen wird sie dieses spezielle Training im nächsten Jahr dringend, denn dann heißt das Ziel „72,2km oder soweit die Füße tragen“…

ps
Später auf der Wiese beim Umziehen sieht sie den 2.Klaus (der doch gar nicht so heißt) dann noch einmal. Ihre Bemühungen, sich zu Dehnen werden lachend mit, „gibt doch zu, dass du damit nur auffallen willst“ kommentiert. Sie gibt zurück, “man sollte es halt nicht vergessen, ist wichtig….“ Ein anderer pflichtet ihr wohl bei… und schon sieht Frau plötzlich ein paar Männer sich brav, wenn auch nur kurz und proforma, zu dehnen. Na also, geht doch Jungs!

Dass ihre Kompressionsstrümpfe Marke „Thrombosestrumpf aus dem Krankenhaus“ in die sie sich nach so einem Lauf zwängt für weiteres Schmunzeln sorgen, verschweigt sie dann doch lieber… Andererseits, auch wenn nicht erwiesen ist, dass sie nützen – schaden dürften sie auch nicht – und wir wissen ja um die hilfreiche Wirkung von Placebos :zwinker5:
Vanitas, Vanitatum Et Omnia Vanitas...
Rennanneliese

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Hallo
sehr gut geschrieben. (Goethe lässt grüssen, oder Heine oder Fontane oder oder oder ???)
Den Wurzelweg kenn ich aus eigener negativer Erfahrung, bin dort 2012 fürchterlich auf die Nase gefallen und mit blutendem Knie weiter ins schönste Ziel der Welt gelaufen.
Na denn auf zum Supermarathon. Viel Erfolg beim anstehenden Training und dann natürlich nächstes Jahr beim Lauf.
Gruss Stefan

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Hallo Korinna,

Danke für das kurzweilige und launige Mitnehmen von Neuhaus nach Schmiedefeld, dem kürzesten Ultra der Welt, und meinen Glückwunsch zum offensichtlich gut gelungenen Lauf über den Rennsteig! :daumen:

P.S.: Auch wenn wir uns bisher noch nicht persönlich getroffen haben, kam mir ...
Sie kontert noch frech, „klar, Ihre Zeit vielleicht“ (ach ja, wieder das Ding mit dem „Läuferdu“… doch auch das ist eine andere Geschichte)


... das irgendwie bekannt vor. :haeh: Das solltest Du unbedingt ablegen, denn sonst würde ich Dich nächstes Jahr in Eisenach, wenn ich hoffentlich auch wieder dabei bin, einfach ignorieren. :zwinker4:
Tschüss, sportliche Grüße aus dem Bergischen Land

Eckhard :winken:

"Radsport ist Mannschaftssport, 60 km/h und 30 cm Abstand zum Vordermann" (Robert Bartko)

Auch 2014 und danach wird weitergelaufen! :zwinker2:

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Hallo in die Runde,

vielen lieben Dank für die positiven Reaktionen und netten Worte !

@Stefan

na, na, bitte nicht übertreiben, trotzdem freu, freu ;o)

Im Übrigen soll Harry Heine über den Brocken mal ein paar „sehr nette“ Worte verloren haben,
doch auch das ist... eine andere Geschichte

@dschuly

in Lübeck ist die Dame im Oktober 2012 den Marathon gelaufen :o))
„Einmal zum Leuchtfeuer und zurück“
war damals die Idee hinter der Idee. Das war ebenfalls ein ganz toller Lauf!!!

@Eckhard

:peinlich: … spantones „Duzen“ ist leider nicht jedermanns (frau) Sache… DAS muss sie echt noch lernen….

VG
Dkf


die weiter an sich arbeitet !!!
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Rennanneliese

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Hallo,

das war wirklich ein schön geschriebener Bericht!!! Und eine tolle Leistung!!! Gratuliere!!! Da bin ich grad das Gegenteil ... beim Laufen duze ich grundsätzlich jede(n) ...

Viele Grüße
Andrea
Antworten

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