Hauptmieter hat geschrieben:Das Ende deines Berichts macht auf mich den Eindruck als seist du angekommen, musst dir nichts mehr beweisen. Wenn das so ist - auch dafür Glückwunsch, alle künftigen Rennen würdest du dann wohl vor allem trotz allem Kampf vor allem genießen.
Ein Punkt macht mich nachdenklich: Du bist der älteste gefinishte Teilnehmer, heißt das man sollte möglichst vor 60 an so einem Rennen teilnehmen (ich weiß das kann man nicht verallgemeinern...)?
Hallo Hauptmieter,
beweisen muss ich mir in der Tat nichts (mehr). Allerdings brauchte ich den Spartathlon auch nicht, um mir irgendetwas zu beweisen. Dass ich Ultrawettkämpfe bestreiten kann, auch solche über 200 km, stand längst vorher fest. Es sind andere Kräfte, die mich zu solchen Leistungen treiben am Werk. Ich war zeitlebens auf der Suche nach meinen Grenzen. In den ersten Lebensjahrzehnten war ich mir dessen nicht bewusst und es äußerte sich auch nicht in Form zielgerichteter Planungen, die mich zu hochgesteckten Zielen bringen sollten. In jenen Jahren reagierte dieser Teil meiner selbst mehr "eruptiv". Da konnte es dann passieren, dass ich mich mehr oder weniger spontan dazu entschloss von zu Hause (bei Augsburg) auf einem Fernwanderweg Richtung Alpen aufzubrechen, an einem Freitagnachmittag nach Dienstende, um zu sehen, wie weit ich wohl bis spätestens Sonntagabend kommen würde ... Oder ich stiefelte tagelang durch die Alpen über zig Kilometer und tausende von Höhenmetern, um die Landschaft zu erleben. Dabei wählte ich meine Route unterbewusst aber so und sorgte für entsprechend restriktive Randbedingungen, dass mich eine solche Unternehmung bis zum Limit fordern musste. Ich kam mir lange Zeit nicht auf die Spur. Erst mit Beginn meiner läuferischen Aktivitäten stellte sich heraus, dass ich mir das Ziel immer weiter und fordernder stellen würde. Und tatsächlich formulierte ich irgendwann ganz bewusst die Frage, wie weit ich wohl am Stück laufen können würde, bis mich Schwäche zum Aufgeben zwänge. Inzwischen weiß ich, dass sich die Frage so gar nicht stellt. Schwäche wird nicht der Auslöser für einen Laufabbruch sein. Entweder würden es Übermüdung bewirken oder - wahrscheinlicher noch - Schmerzen im Laufapparat.
Insofern bin ich an einem gewissen "Ende" meiner "Selbstversuche" angekommen. Der Spartathlon hat mir gezeigt, wo ungefähr das Limit liegt. Er hat mir überdies signalisiert, dass ich mit "noch länger" oder "noch weiter" in einen meine orthopädische Gesundheit ernstlich gefährdenden Bereich vorstoßen würde. Zumindest in meinem nicht mehr ganz taufrischen Alter. Das sind Gedanken, die mir auch am zweiten Tag kurz vor Sparta kamen und die ich danach weitergesponnen habe. Deshalb wird es kein länger oder weiter geben.
Natürlich werde ich auch künftig nicht auf die Grenzsuche bzw. Gratwanderung verzichten. Ich trage mich mit dem Gedanken im kommenden Jahr einen Mehrtageswettkampf in den Mittelpunkt meiner Saison zu stellen. 5, 6 oder mehr Tage, jeweils Marathon oder weiter. Ich muss nur noch die geeignete Veranstaltung dafür finden. Ich habe da was im Auge, mal sehen, ob das was wird.
Deine Frage zur Altersfrage in Sachen Spartathlon: Der jüngste deutsche Teilnehmer am Spartathlon und Finisher in diesem Jahr war 18 Jahre alt, der älteste mit mir 62. Wie alt der älteste, jemals in Sparta eingelaufene Teilnehmer war, weiß ich nicht. Wenn man die letzten Jahre mal auf diese Frage hin die Ergebnismaske auf der Spartathlon-Seite befragt, dann zeigt sich dass alle "ältesten" Finisher in etwa in meinem Alter waren. Es ist nicht ganz einfach das rauszufinden, weil der Teilnehmer von der Datenbank immer mit dem aktuellen Alter wiedergegeben wird und nicht mit seinem damaligen Finisher-Alter.
Zum jungen Spartathlon-Alter: Ich halte es für eine "vertane Chance", wenn ein Läufer bereits in jugendlichem oder jungem Mannesalter diesen Lauf bestreitet. Lass mich das begründen: Als ich 18 war und lange danach, rauschten alle Erlebnisse einfach so an mir vorbei. Da war auch Herausragendes, Besonderes, ganz und gar nicht Alltägliches dabei. Nur war ich mangels Reife, mehr noch mangels gehabter Lebenserfahrung (auch sportlicher Art) nicht in der Lage das auszukosten und zu würdigen. Der junge Mann wird den Spartathalon als "schönes Erlebnis" im Gedächtnis ablegen. Ich bezweifle allerdings, dass ihm der ganze "Wahnsinn" des Unternehmens, samt Drumherum richtig bewusst geworden ist. Dazu brauchst du einfach einen Ozean aus "schönem Erleben", aus dem das "Eiland Spartathlon" immer noch himmelhoch aufragt ... Dann kapiert man, was da passiert ist. Da der junge Mann den Spartathlon Seite an Seite mit seinem Vater gefinished hat, hat er allerdings seinem Erlebnis eine Facette abgewinnen können, die uns anderen versagt bleibt. Das mag den von mir beschriebenen "Verlust an Erlebniswahrnehmung" ausgleichen. Und in zwanzig Jahren wäre Papa wohl zu alt, um den Sohnemann noch nach Sparta zu begleiten ...
Was das höhere oder höchste Alter für den Spartathlon und ähnliche Unternehmungen angeht, so ist es natürlich zunächst eine Frage der individuellen Befähigung. Wie lange kann einer solches Ausdauertraining durchziehen? Verfügt er auch jenseits der 60 noch über einen entsprechend robusten Körper? Generell kann ich nur jedem Ultraläufer raten den Spartathlon nicht auf die lange Bank zu schieben. Mit 40, 45 ist man auch schon alt genug um das Erlebnis würdigen zu können. Und immer noch jung genug, um nach entsprechendem Training eine sehr gute Finsher-Chance zu haben. Je älter, umso schwieriger wird es. Ich gebe Jahr für Jahr im Training mein Bestes, muss allerdings anerkennen, dass meine Leistungen vom Alter limitiert werden. Ich bin nicht mehr so gut, wie vor fünf Jahren und deutlich schlechter als vor 10. Das ist einfach so. Mein Ehrgeiz war ja auch nicht der älteste Finisher 2016 zu werden. Es hat einfach gedauert, bis ich über die Jahre so weit war, diesen Lauf zum Ziel zu erklären.
Man sollte auch nicht übersehen, dass die Bedingungen weit schlechter sein könnten, als sie in diesem Jahr waren. Regen oder extreme Hitze hätten die Finisher-Quote sicher gesenkt. Und auch dann ist ein 60jähriger gegenüber jüngeren Teilnehmern benachteiligt.
Ich hoffe ich konnte deine Frage damit beantworten.
Danke fürs Dabeisein und alles Gute für dich
Gruß Udo
