Zunächst mal: Matthias und Sandra, herzlichen Glückwunsch zu euren Superergebnissen! Aus dem Training und mit den Höhenmetern ist das echt klasse!
Ich habe mich mal darangesetzt, mein Erlebnis für die Nachwelt festzuhalten. Ihr müsst es ja nicht lesen, wenn es euch zu lang geworden ist.
Samstag Mittag, das Rad ist abgegeben, ich versuche, mich in meinen geliehenen Neo reinzuquetschen, und so langsam kommt die Frage auf, ob ich mir das wirklich antun will. Allein schon diese 1.9 km Schwimmen.. Wenn ich da an meinen bisher einzigen Sprintwettkampf Ende Juli denke, bei dem ich vor lauter Gekloppe am Anfang erstmal Panik bekommen habe, kann ich nur hoffen, dass ich dieses Mal cooler bleibe. Immerhin muss ich nach den anfänglichen chaotischen 200 m dieses Mal noch 1.7 km und nicht nur 300 m schwimmen.
Praktischerweise wird in Köln auf einer Regattabahn geschwommen, was bedeutet, dass zum Einen wahnsinnig viel Platz vorhanden ist, wenn man bereit ist, etwas von der Ideallinie entfernt zu schwimmen. Zum anderen sind die Bojen, die die Bahnen markieren durch unter Wasser verlaufende Leinen gespannt, so dass man einen guten Anhaltspunkt unter Wasser hat, fast wie auf der Bahn.
Ich lasse mich ins Wasser fallen, schwimme ein paar Züge, versuche, mich an das Gefühl im Neo zu gewöhnen. Es ist das erste Mal, dass ich darin schwimme, so dass das Gefühl, so hoch im Wasser zu liegen, für mich noch neu ist. Wir schwimmen uns etwas warm, da erfolgt auch schon der Start der Elite. Das heißt, in fünf Minuten sind wir auch dran. Meine Freundin wird um einiges schneller sein als ich, sie ordnet sich ganz vorne ein, wenn auch nicht auf der Ideallinie. Ich will eigentlich nicht so weit vorne sein, bleibe dann aber doch, da die Gefahr, überschwommen zu werden so weit draußen eher klein erscheint.
Der Countdown läuft, letzte Gedanken schießen mir durch den Kopf, Arme über Wasser schön locker lassen, dafür unter Wasser schön ziehen, nicht in Panik geraten, hoffentlich gerate ich tatsächlich nicht in die sprichwörtliche Waschmaschine - 2, 1, go! Es geht los, Beinschlag, Arme, alles ok soweit, kaum Kontakt zu anderen; dann schwimmt plötzlich jemand vor mir fast quer zu mir, der es sich doch anders überlegt hat und näher an die Ideallinie will, etwas spät. Egal, ich komme recht schnell in einen guten Rhythmus, vielleicht etwas schnell? Ich fühle mich eigentlich ganz gut, habe aber keine Ahnung, wie lang ich schon unterwegs und wie weit ich schon bin. Am Rand taucht ein Schild auf mit einer großen "750". Mist, wo sind wir denn wohl gestartet? Bei 1000? Wie lang ist denn wohl so eine blöde Regattabahn? Hätte ich da mal drauf geachtet. Ich versuche, mich zu orientieren, die Wende ist kurz vor einer Brücke, aber ich finde es extrem schwierig, die Entfernung abzuschätzen. Egal, weiter!
Dieses Gefühl, nicht zu wissen, wo man steht, ist tatsächlich das schwierigste am Schwimmen für mich. Im Schwimmbad weiß ich, 2000 m sind 80 Bahnen, da zähle ich mit, da motiviere ich mich damit, zu wissen, dass ich schon 1/10 hab, dann 1/8, dann 1/4.. Irgendwann kommt die Wendeboje näher, ich orientiere mich langsam näher an sie ran, selbst direkt an der Boje ist nicht viel Verkehr, und ich bin froh, jetzt zumindest zu wissen, dass ich die Hälfte habe und mich auf dem Rückweg befinde.
Der zieht sich dann doch etwas, ich habe die Leine leider verloren, kann mich aber am Ufer orientieren, und so langsam kommt das Bootshaus näher, wo der Ausstieg ist. Das Schwimmen macht zwar insgesamt Spaß, aber so langsam kann es auch mal enden. Dann ist es soweit, Helfer stehen bereit, um uns den Ausstieg zu erleichtern, was ich dankend annehme. Der "Lauf" zum Rad ist eher Recom, ich muss etwas Luft schnappen, höre irgendwas von "immer noch unter 35 min", kann aber kaum glauben, dass das tatsächlich für mich gilt. Es gab schließlich drei Startgruppen im Abstand von fünf und dann zehn Minuten, und ich habe gerade keine Lust, mir den Kopf zu zerbrechen. Auf die Idee, auf meine Uhr zu schauen, komme ich auch erstmal nicht.
Also ab aufs Rad, erstmal geht es Richtung Süden in die Stadt zur Wechselzone, danach folgen zwei Runden zurück in den Norden bis etwas über den Fühlinger See hinaus, ein kleiner Abstecher an den See, wo es Verpflegung gab, dann wieder nach Süden. Beim Triathlon an drei Tagen hatte ich einen Schnitt von 32.5 km/h, das strebe ich auch hier an und erreiche ich nach wenigen Kilometern nach einem etwas zurückhaltenden Start. Die Wettervorhersage hatte leichten Südwind vorhergesagt, der müsste mir ja jetzt grad ins Gesicht blasen. Trotzdem komme ich relativ leicht auf aktuelle Geschwindigkeiten von 33 km/h. So kann es bleiben.
Die Strecke ist ziemlich gut zu fahren, gerade in der City gibt es aber zwei, drei haarige Stellen, vor allem den Tunnel parallel zum Rhein, wo es wohl eine heftige, nicht markierte Bodenwelle gibt. Als ich den Tunnel zum zweiten Mal passiere, stehen Polizei und Notarzt im Tunnel, jemand hält ein Rad fest, vom Fahrer ist nichts zu sehen. Dann die Wende in der Stadt, und es geht mit leichtem Rückenwind gen Norden. Es fühlt sich an wie fliegen, ich habe über längere Distanzen Geschwindigkeiten von über 36 km/h auf der Uhr, der schnellste Kilometer geht in 39.6 km/h durch, es fühlt sich aber nicht nach Überpacen an.
Ich schaffe es eigentlich auf der ganzen Strecke, das Windschattenverbot zu beachten, maximal wenn mich jemand knapp überholt und dann überraschend nicht durchzieht bin ich ein paar Sekunden im direkten Windschatten. Bei anderen sieht das anders aus, da gibt es ein, zwei belgische Kreisel aus vier oder fünf Fahrern, ein riesiger Pulk aus gefühlt 20 Fahrern kommt mir auch entgegen, der ist aber zum Glück hinter mir, so dass ich mich nicht zu sehr aufregen muss. Insgesamt fühlt es sich gut an, auch wenn die zweite Tour in die Stadt gegen den Wind natürlich langsamer ist als die Fahrt nach Norden. Tatsächlich verliere ich aber einige Plätze: beim Schwimmen war ich 145., beim Radfahren nur 202.
Wieder erreiche ich den südlichsten Punkt an der Wechselzone und habe nun noch eine Runde vor mir. Wieder fliege ich mit dem Wind nach Norden, überhole hier auch meine bessere Hälfte. Dann der Wendepunkt, es müssen noch etwa 20 km sein, insgesamt messe ich nur knapp 86 statt der vorgesehenen 90 km. Bei km 70 wird es recht plötzlich deutlich schwerer, der Übergang vom Po zum Oberschenkel meldet sich jetzt doch heftig, vielleicht hätte ich doch nicht so viel in meiner improvisierten "Aero-Position" fahren sollen - ich hab ja nur ein normales Rennrad ohne Aerolenker, habe mich einfach mit den Unterarmen auf den Lenker gelegt, wo die Strecke es zuließ. Die ungewohnte Haltung scheint sich jetzt zu rächen. Vielleicht ist es aber auch das - für meine Verhältnisse - horrende Tempo, bei km 70 habe ich einen Schnitt von 34.5 km/h.
Jetzt aber wird es gefühlt alle 100 m härter, ich kämpfe, kriege aber keinen richtigen Druck mehr auf die Pedale, Oberschenkel und Po streiken. Die aktuelle Geschwindigkeit sinkt gen 30 km/h, ich habe ein neues Ziel: den 34er Schnitt ins Ziel retten. Gleichzeitig fange ich natürlich an, über den Lauf nachzudenken, wie das wohl wird?! Egal, erstmal ankommen, im Augenblick gehe ich bei km 75 noch davon aus, noch 15 km vor mir zu haben, also etwas weniger als 30 Minuten. Damit käme ich bei etwa 3:17 h in die Wechselzone, hätte also 1:43 h für Wechsel und den HM. Das sollte doch für sub 5 h reichen!
Ich werde langsamer, der Schnitt sinkt auf 34.1 km/h. Mist, jetzt kommt auch noch die Rheinbrücke, da werde ich wohl doch noch unter 34 km/h fallen. So kommt es auch, aber statt der 90 km muss ich dann doch nur bis 86. Endlich in die Wechselzone, und erstmal durchatmen. Vielleicht habe ich auch zu wenig Kohlenhydrate zu mir genommen. Ich hatte das vorher eigentlich ganz gut kalkuliert, habe es aber nicht geschafft, die anvisierten 4 Riegel auf dem Rad zu essen; es sind eher etwa 2 geworden, da fehlt natürlich was. Einer war mir sowieso direkt nach dem Start aus dem Anzug gefallen. Mit Wasser bin ich aber gut versorgt, das Wetter ist angenehm warm zum Radfahren, aber nicht heiß.
Ich ziehe Radschuhe aus und Laufschuhe an, stopfe mir zwei Gels in meine beiden Taschen am Rücken, suche die anderen beiden Taschen, finde sie in der Aufregung nicht. Oh Mann, wo sind die nur? Egal, noch zwei Gels in die schon besetzten Taschen quetschen, aus denen mir beim Radfahren der Riegel gefallen war. Ich drehe die Startnummer nach vorne - ratsch, die eine Ecke reißt ab, auch das noch.. Ich stopfe die Nummer halb unter das Nummernband, hält einigermaßen. Und jetzt ab auf die Laufstrecke.
Geträumt hatte ich ja von 1:30 h, 1:35 h sollten es aber schon sein. Ich gehe also vorsichtig in 4:40 min/km an, das geht auch soweit ganz gut, Puls messe ich zwar nicht, es fühlt sich aber nicht nach HM-Belastung an. Kunststück, ich bin ja auch schon knapp 3.5 h unterwegs. Die Pace geht nach dem Start jedes neuen Kilometers immer wieder eher Richtung 4.45 als Richtung 4.30, das sieht jetzt nicht so gut aus. Eigentlich war doch der Plan, zwei bis drei km bei 4.40 zu laufen und dann zu beschleunigen auf 4.30. Das klappt aber nicht, ich bin erstmal noch damit beschäftigt, die Schmerzen aus den hinteren Oberschenkeln rauszulaufen und bin froh, zwischen 4.35 und 4.40 zu bleiben. Außerdem habe ich Angst, insgesamt zu schnell anzugehen und dann einzugehen.
Km 4 und 5 gehen mit 4.39 weg, dann geht es hoch auf 4.43, 4.42, 4.44 auf km 6-8. Der 9. wieder 4.39. Der Weg von der Hohenzollernbrücke runter zum Rhein ist aber auch ätzend mit den Serpentinen, da geht es zwar bergab, aber immer nur 15 m, dann eine Haarnadelkurve, das ganze drei oder vier Mal. Dann geht es gefühlt im Zickzack oberhalb der Promenade Richtung Deutzer Brücke. Plötzlich stehe ich vor der Brücke. Da rauf?? Die wollen jetzt ernsthaft, dass ich die Wendeltreppe hochlaufe?? Na gut, muss ich wohl.. Km 10 in 5.00. So wird das nix.
Der Wendepunkt ist am Ziel, den erreiche in bei 11 km. Hmmm, Halbmarathon sollte doch 21.1 km sein, wenn ich jetzt schon 11 hab..?! Egal, weiter. Die Hälfte ist geschafft, bald auch km 12, ich habe durch das vorsichtige Angehen noch Reserven, habe als neues Ziel, meinen Schnitt auf 4:30 zu drücken, gehe also Richtung 4.20. Nicht ganz, km 13-15 in 4.22, 4.24, 4.28. Argh, es sollte doch schneller werden!
Ok, Noch 6 km, jetzt nochmal alles mobilisieren, ich überhole fast nur, die Situation ist aber natürlich unübersichtlich. Die Langdistanzler sind zwar an der roten Nummer zu erkennen, aber ob die Mitteldistanzler, die ich überhole, nun wie ich auf der zweiten oder erst auf der ersten Runde sind, keine Ahnung.. Und dann noch die Staffeln, bei denen die Läufer natürlich entsprechend frisch aussehen. 4.29, 4.35.
Noch 4, jetzt aber wirklich! 4.28, 4.40. Das gibt's doch nicht. Ich versuche es, aber es ist wie verhext, die Kraft fehlt irgendwie. Die Schmerzen vom Laufen sind weg, dafür merke ich seit km 13 etwa meine Hüftbeuger immer mehr, besonders rechts. Der Schnitt pendelt sich bei 4.35 ein, km 20 in 4.33. Jetzt noch mal die beknackte Wendeltreppe, ein letztes Mal über die Brücke, dann bergab, noch ein paar Kurven und ins Ziel, km 21 bei 4.54. Die Abzweigung zum Ziel ist endlich da, aber irgendwie von meiner Seite aus nicht zu erreichen. Ich stutze, stoppe, gucke. Jemand ruft mir zu, Du musst nochmal rum. Ich seufze und mache mich auf also nochmal auf die 150 m bis zum Wendepunkt, nochmal 180 Grad, und ab ins Ziel, laut meiner Uhr stoppe ich bei 21.96 km schließlich nach 1:40.41 h, die letzten 960 m angeblich mit 3.56 min/km, das schließe ich aber gefühlsmäßig aus. Egal, geschafft, in 4:54:13 h. 52. beim Laufen, insgesamt 105., 94. bei den Männern, 15. in der AK. Mit 4 km mehr Rad und 900 m weniger Laufen wäre es wohl immer noch sub 5 geworden, also alles bestens.
Meine Schwester hat es noch mit Anhang zum Laufen geschafft, so gibt es auch private Fotos und Videos von meinem laufenden Elend. Meine Freundin kommt keine halbe Stunde nach mir ins Ziel, wir sind beide sehr zufrieden mit unseren Zeiten. Die Langdistanz schreibt sie ab, der Marathon schreckt sie zu sehr ab, behauptet sie fürs Erste. Meine Perspektive hat sich auch etwas geändert nach der gefühlt eher negativen Erfahrung beim Laufen. Aber ist jetzt eigentlich erstmal egal, für das Debut auf der Mitteldistanz, meinen erst zweiten Triathlon und die erste richtige Radsaison mit für richtige Radfahrer vermutlich lächerlichen 1600 km vor dem Wettkampf, war das schon ne tolle Sache. Ich bin sehr zufrieden.
PS. @ Farhad: keine Ahnung, wie das ist mit sub5 und sub3. Mag sein, dass es ähnlich ist, ich glaube aber, sub3 ist noch was schwieriger. Mag aber wiederum auch sein, dass ich das nur so sehe, weil ich sub5 geschafft habe, während ich an der sub3 letzten Herbst vorbeigeschlittert bin.