Tortura Köln - Bergziegenlauf in der Großstadt - Manchmal kommt es dann anders ...
Es ist Sonntag morgens zu nachtschlafender Zeit, 07:30 Uhr, ich parke auf dem leeren Parkplatz am Kölner Rheinenergie-Stadion. Der Himmel ist wolkenlos, ein schöner sonniger Tag kündigt sich an, aber im Moment ist es noch sehr kalt. Über den Jahnwiesen steht eine dünne Nebelschicht. Heute steht der Tortura Köln an, ein "Berglauf" in der Großstadt. Gelaufen wird eine 1 km lange Runde, die zweimal über den Tortura-Hügel am Adenauer Weiher führt. Der Start ist für 08:00 Uhr angesetzt, dann hat man 8 Stunden Zeit diese Runde 50 mal zu laufen.
Bekloppt! Ja! Total bekloppt! Deshalb sind auch nur ca. 15 Läufer am Start.
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Für mich selber soll es ein lockerer Trainingslauf werden, als Vorbereitung auf den Röntgenlauf Ende Oktober. Da sind ein paar zusätzliche Höhenmeter in den Beinen sicher sinnvoll. Mal sehen wie es so läuft, 30 km wären klasse, aber nur so lange es Spaß macht und alles rund läuft. Heute stehe ich ohne jegliche Ambitionen am Start, kein "Das will ich schaffen. Das werde ich schaffen. Egal wie." nee, ganz im Gegenteil, Laufen, Spaß haben, zusammen mit meiner Begleiterin Sanne, mit der ich die letzten Jahre den Röntgenlauf gelaufen bin und mit der ich auch dieses Jahr wieder zusammen laufen möchte. Wir haben in etwa das selbe Tempo, hat immer gut zusammen gepasst.
Um 08:00 Uhr ist der Start, wir begeben uns alle zusammen auf die Einführungsrunde, um die Strecke gemeinsam kennen zu lernen. Das Basislager, also die VP, befindet sich am Fuß des Hügels. Zunächst geht es flach auf einem breiten Waldweg in einem Bogen am Adenauer Weiher entlang um den Hügel herum bis zu seiner steilsten Flanke. Hier führt eine Schneise mit Wiese den Hügel hinauf. Im Winter wird diese Wiese als Schlittenhang genutzt, wenn denn mal Schnee in Köln liegt. Es geht senkrecht den Hang hinauf, erst relativ flach, dann schnell steiler, dann noch steiler und die letzten Meter richtig steil. Oben geht es um eine Wurzel als Wendemarke herum - die Wurzel allen Übels, wie sie von jemanden bezeichnet wurde - und dann auf parallelem Wege wieder hinab bis ganz unten, ein paar Meter weiter den Hügel herum und dann direkt wieder hinein in den Hang. Diesmal durch den Wald und das ganze in zwei Stufen mit einem flacheren Mittelteil. Oben auf dem Hügel ist eine kleine Aussichtsplattform. Hier geht es einmal quer herüber und dann über eine lange Rampe an der Seite des Hügels wieder hinunter und schon ist die Runde geschafft.
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Das ganze ist sehr abwechslungsreich, macht Spaß zu Laufen, gut die Steilstücke hoch und vor allem runter nicht so, aber insgesamt doch sehr schön. Nach der ersten Runde erfolgt der fliegende Start, die paar Schnelleren, die es heute offenbar richtig krachen lassen wollen, sind schnell weg, der Rest folgt gemütlich schwatzend. Eigentlich ist der Hügel gar nicht so schlimm, denken wir da noch, aber das soll sich schon bald ändern. Ich brauche etwas, um in Schwung zu kommen, bin das Laufen zu solch frühen Stunden nicht gewohnt. Aber irgendwann hat jeder seinen eigenen Rythmus gefunden. Ohne große Absprachen klappt das mit Sanne zusammen wunderbar, wir haben wirklich das selbe Tempo, keiner bremst den anderen, alles läuft super entspannt.
Jede Runde kommt man am VP vorbei. Hier ruft man kurz seine Nummer, aber meist wird man eh auch so gesehen und ist schon registriert. Nach 1 1/2 Stunden schaue ich das erste mal auf meine Uhr. Langsam kommt Leben auf das flache Teilstück um den Hügel herum. Hier am Adenauer Weiher ist das Kölner Laufrevier und am Sonntag bei herrlichem Sonnenschein ist hier natürlich dann einiges los. Eine willkommene Abwechlung. Ansonsten kennt man die Strecke inzwischen in und auswendig. Eine andere Abwechselung sind die Stopps an der Verpflegungsstelle. Hier gibt es alles, was man sich wünschen kann. Cola, Knabberzeugs, Kuchen, später auch Brühe, Frikadellen und Bier, richtig klasse.
Bei Sanne war es klar, dass sie vorzeitig weg muss zu einer Familienfeier. Sie steigt nach 30 km aus. Eigentlich eine schöne Trainingsrunde auch für mich. Andererseits ist bei mir alles noch im grünen Bereich, konditionell, muskulär, kräftemäßig und mental. Die Knie mucken nicht. Die Sonne scheint und es macht Spaß. Also mache ich noch etwas weiter.
Mein nächstes Ziel sind 40 km. Also weiter kreiseln. Ab jetzt für mich alleine, aber das klappt auch ganz gut. Die Zeit verfliegt, es läuft heute. Kein Hammermann bei km 36. Klar ist es anstrengend, aber auch schön und die Sonne lacht noch immer. Und dann sind die 40 km geschafft. Ok, so kurz vor Marathon steigt man natürlich nicht aus, wenn man die Chance hat und es gut läuft. Also noch 2 Runden weiter und schonmal angekündigt, gleich mache ich Schluß. Und schon ist es so weit. Marathon! Klasse! Gut, bislang hatte ich im Hinterkopf vielleicht den Köln M nächste Woche noch spontan mitzulaufen, wie letztes Jahr, als langen Vorbereitungslauf. Das kann ich mir jetzt ja sparen. Supi. Mal ganz unverhofft dann heute doch einen Marathon gelaufen. Freu.
Als ich den Hügel zum letzten mal runter komme und jubelnd aussteigen will, meint jemand, mach doch noch eine Runde, dann hast du wenigstens nen Ultra. Ok. Das macht Sinn! Also noch eine Runde und auf dieser "Ultra"-Runde erwacht dann doch der Ultra-Kampfgeist bei mir. Was für ein Quatsch jetzt auszusteigen. Es läuft, es ist noch viel Zeit, die Sache kann ich locker runterlaufen. Was mich aber am meisten motiviert sind gar nicht die Kilometer, da hören sich 42 km schon richtig gut an. Aber die Zahl der Hügelquerungen, 86, naja, ist viel, aber richtig geil sind doch die 100 !!!
Einhundert mal über diesen dämlichen Hügel, das hat doch was! Also weiter geht's. Und die letzten Runden werden genauso locker und ohne körperliche Probleme eingefahren, wie die anderen.
Auf der letzten Runde begleiten mich die Kinder vom Veranstalter. Als ich zum letzten Mal den Berg hinunter komme gibt es eine improvisiertes Band für den Zieleinlauf, alles jubelt, ich auch. Wie klasse. 50 km! 100 mal über diesen dämlichen Hügel! Hach, wie schön. Die Zeit, etwa 7 Stunden 45 Minuten, schnurts egal. Es war sooo ein schöner Tag.
Aber die Geschichte des Tages hat jemand anderes geschrieben. Die Freundin/Frau eines Läufers ist mitgelaufen, einfach so, statt da rumzusitzen. Irgendwann als wir am VP zusammen standen sagte sie, "So, das ist jetzt meine 11 Runde. Ich bin noch nie weiter als 10 km gelaufen." Am Ende hatte sie ihren ersten Halbmarathon im Sack und strahlte und alle haben sich mit ihr gefreut.
2022: erledigt: G1-Grüngürtel, Kölnpfad 100k, Burginsellauf Delmenhorst 24h Staffel(!), Mega Marsch Köln (63k) ... geplant: nix