Vorab: Wenn jemand mal eine liebenswerte, gleichzeitig hochprofessionell und trotzdem angenehm bodenständig organisierte Laufveranstaltung im Großraum Münsterland/holländische Grenze (auch von Niederrhein oder Ruhrgebiet aus nicht zu weit) sucht: Lauft in Ellewick. Alles stimmte: eine amtlich vermessene Strecke über 5 und 10 km, komplett flach, perfekt abgesperrt, schicke Umkleiden und Duschen, Nettozeitnahme auf die Zehntelsekunde genau, ein umfangreiches gastronomisches Angebot, gute Laune überall. Ein Volkslauf wie gemalt.
Wie gemalt war auch das Wetter: für den Grillabend, für kühle Getränke im Gartenstuhl. Nicht für Laufen.
Von eigentlich vorher ausgerufenen Ziel < 43:00 hatte ich mich vorher schon verabschiedet, und auch die Bestzeit von 43:57 schien unrealistisch. Trotzdem: Versuchen musste ich es, also hab ich mir eine Pace von 4:23 ausgerechnet, die sollte es werden.
1. Runde: Es lief. Etwa eine 4:18er-Pace stand auf der Uhr nach der ersten Runde. Die Strecke, die tatsächlich das gesamte Dorf einmal durchläuft, ist schnell und hübsch. Etliche freundliche Bürger hatten Gartenschläuche und sonstiges montiert, es gab Kühlung. Sollte da was gehen? Eigentlich kann es nicht gehen!
2. Runde: Die Pace sinkt, schwankt zwischen 4:20 und 4:21 - und es wird merklich schwerer. Am Ende der Runde signalisiert ein leicht abwärts zeigender Daumen in Richtung meiner Frau, was leicht abwärts zeigende Daumen nun mal signalisieren sollen.
3. Runde: Nein, es kann nicht gehen. Alles wird heißer, alles. Jeder Schritt schwerer als der davor. Die Pace erreicht erstmals die 4:23 - leider eben einschließlich eines etwas schnelleren Starts. Die aktuelle Pace reicht nicht, lässt mich verlieren, Sekunden nur, aber welche, die ich nicht mehr reinholen kann. Meine Platzierung, 15. bin ich, ist stabil, keiner vorne, den ich noch einholen kann, keiner hinter mir, der mich noch einholt - wenn ich kämpfe.
4. Runde: Ich kämpfe. Nicht "bis zum Umfallen", aber sicherlich bis kurz davor. Die Enttäuschung, dass es keine Bestzeit wird, sie ist irrational, absurd, angesichts der Hitze. Aber sie macht es schwer, nicht einfach Sekunde um Sekunde zugunsten etwas Entlastung, etwas weniger Härte aufzugeben. Ich tu's nicht, ich quäle mich da durch.
Das Ziel: 44:16 stehen auf der großen Uhr, 44:10 sind's netto. Nur 13 Sekunden über meiner Bestzeit. Platz für Enttäuschung ist gar keiner mehr, im Gegenteil. Ich schrei es laut raus, ich bin unglaublich zufrieden und stolz. Später erfahre ich, dass andere aus meinem Zeitbereich mehr als 2 Minuten über den Bestzeiten lagen, späer erfahre ich, dass der Sieger auf der Ziellinie noch zusammengebrochen ist - und wieder steht, zum Glück.
Es ist meine vielleicht schönste "Niederlage". Nein, es ist gar keine Niederlage: Es ist Platz 15., meine zweitbeste 10-km-Zeit aller Zeiten, und meine vielleicht unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen stärkste Leistung bisher.
Der Rest ist einfach nur schön: Geduscht, gar keine Schuhe mehr angezogen, barfuß im Zielbereich das eine oder andere Bier getrunken, abends noch mit meiner Frau im Garten vom B&B gesessen, heute dann im Zwillbrocker Venn Flamingos angeschaut. Fehlt noch was? Ja, mein Fußballverein spielte sein letztes Saisonspiel quasi genau auf unserem Rückweg, das Spiel haben wir uns dann zur Abrundung des Wochenendes auch noch gegönnt. 0-5 verloren. Kann ja nicht jeder so gut, Sport in der Hitze...

Ja, Ellewick, da habt ihr einen tollen Lauf. Gefühlt das ganze Dorf ist auf den Beinen, feiert seinen Lauf. Normalerweise lassen mich Anfeuerungen wildfremder Menschen eher kalt. Nicht bei euch. Danke für jeden Tropfen Wasser, für jedes nette Wort, für dieses tolle Wochenende im Juni, an dem ich keine Bestzeit lief und an dem das ganz egal war.