Nach dem Obstmeilenlauf stand für mich fest, dass ich noch einen Halbmarathon vor dem Jahreswechsel laufen will. Die Form vom Spätsommer war schon längst dahin. Meine Trainigsschwerpunkt hatten sich von Ausdauer zu Lauftechnik verlagert, so war die Unternehmung Halbmarathon zum Saisonabschluss leicht waghalsig. Also konzentrierte ich mich noch einmal für 4 Wochen auf lange und Tempoläufe in der Hoffnung zum Blumensaat-Lauf in Essen wieder einigermaßen HM-Fit zu sein.
Die sub 2:10 stand diesmal nicht zu Diskussion. Auch das Erstreben einer neuen PB fand ich zeitweise als zu gewagt. Umso näher der Lauf kam, desto mehr festigte sich das Gefühl, dass eine Pace von 6:15 bei einem absolut perfekten Lauf, bei perfekten Bedingungen möglich sein könnte, aber wann ist schon ein Lauf perfekt? Nein, einen perfekten Lauf wollte ich nicht anstreben und auch nicht mich auf eine Pace festlegen. Mir schwebte viel mehr ein Lauf für den Kopf als die Uhr vor, ein Lauf, bei dem ich das gelernte von den letzten Läufen umsetzen kann. Der HM in Wesseling war sehr lehrreich, aber auch beim Genusslauf in Altendorf habe ich einiges über mich und meine Lauferei gelernt. Des weiteren wollte ich auch herausfinden, ob die Änderungen der letzten Monate in die richtige Richtung gehen. Nach dem HM Debüt ging es mir körperlich zwar nicht schlecht, jedoch war die Erschöpfung sehr unausgewogen verteilt. Meine Oberschenkeln und die großen Gesäßmuskeln hatten sich angefühlt als hätten sie das ganze Rennen verpennt und sich von der Arbeit gedrückt. Meine Hüftrotatoren, die zu meinen Schwächen gehören, fühlten sich ausgebrannt an und brauchten gut 10 Tage um wieder fit zu sein. Ich bin mir sicher, großen Glück gehabt zu haben. Die Hüftrotatoren konnten das sicher nur aushalten, weil ich sie wegen dem Piriformis-Syndrom gut trainiert hatte. Zwischen den Schulterblättern hatte ich Muskelkater. Die Konsequenz nach dem HM war die Lauftechnik zu verbessern, damit auch die großen Muskeln intensiver mitmachen, und mit Yoga mehr Flexibilität in Beckenregion und Brustwirbelsäule zu bekommen.
Der Blumensaat-Lauf sollte also Aufschluss geben, ob die Änderungen in richtige Richtung gehen und mit dem Umsetzten des Gelernten ein starkes, mentales Zeichen setzen, so dass ein solides Fundament für die Herausforderungen im nächsten Jahr geschaffen ist. Es ging mir also um wichtigeres als eine neue PB, sie war zweitrangig.
Wir fuhren am Samstag sehr zeitig mit dem Zug nach Essen-Kupferdreh. Beim Umsteigen in Köln hatten wir fast den Anschlusszug verpasst, wäre jedoch nicht schlimm gewesen da wir Puffer für den Fall einkalkuliert hatten. Kurz nach dem Start des 10er Laufes um 12:30 kamen wir an und sahen uns ein bisschen um. Vor der Turnhalle gab es einen Stand vom Fotographen-Team, ein riesen Werbeschuh des eines Sponsors und ein paar Dixis war aufgestellt. Im Foyer der Turnhalle gab es die Kuchen-Theke, auch herzhaftes wie Erbsensuppe und Bockwurst konnte man dort für kleines Geld erwerben. Ein paar Bänke und Tischen waren auch aufgestellt. Startnummernausgabe und Kleideraufbewahrung waren in der Turnhalle gegenüber den Tribünen, dazwischen ein Verkaufsstand vom einem Sponsor und Platz für die Siegerehrung.
Wir hatten noch über eine Stunde bis zum Start und ich hatte einen kleinen Hunger. Die Banane für die Zugfahrt hatte ich leider Zuhause vergessen und das Frühstück war schon zu lange her. Ich überredete meinem Mann uns warme Waffeln mit Kirschen und Kaffee zu holen. Mit leerem Bauch laufe ich nicht gern. Nach dem kleinen Snack holten wir die Startnummern und gingen an die Strecke um den den Zieleinlauf der Führenden beim 10er anzusehen. Auch wenn es mit gut 8°C für die Jahreszeit angenehm warm war, wollten wir uns vor dem Start noch einmal kurz in der Halle aufwärmen, Hosen umziehen und Taschen abgeben mussten wir auch noch, so schlenderten wir wieder in die Halle und machten uns bereit für den Halbmarathon.
Beim Aufwärmen machte sich eine freudige Nervosität bei mir breit, aber auch mein Mann war diesmal aufgeregter als sonst bei meinen Läufen. Wir sprachen uns noch einmal ab und stellten uns sehr weit hinten in die Startaufstellung. Das Wetter war ein Traum, wie bestellt: sonnig, angenehm mild, so gut wie kein Wind. Ich wollte trotzdem erst mal schauen, was die Beine mir vorgeben und nicht auf die 6:15 gehen. Bei den letzten Traingsläufen habe ich damit sehr gute Erfahrung gemacht, erst mal horchen was die Beine wollen. Meist passt das Tempo, was die Beine sich aussuchen, ganz gut zur Tagesform. Bei fast 400 Startern hat es nach dem Startschuss gedauert bis auch wir über die Startlinie liefen, mit Nettozeitmessung jedoch nicht tragisch. Mein Mann lief natürlich wieder zu schnell los und wollte schon im Gewühl verschwinden, er merkt jedoch mit einem Blick zurück, dass ich ihm nicht folgte und ließ sich zu mir zurückfallen. Kaum auf der selben Höhe zog er wieder an, merkte das ich keine Anstalten zum mitgehen mache und nahm wieder Tempo raus. Tja, muss er sein eigenes Rennen laufen, wenn er schneller will. Ich überpace nicht! Das bekomme ich inzwischen sehr gut hin. Das Gewühl entwirrte sich und jeder fand im ausgedehnten Läuferfeld seinen Platz. Leider ergab sich keine Gruppe um uns herum in der passenden Pace. Noch bevor das Schild für den ersten Kilometer kam piepsten unsere Uhren, ich zählte die Sekunden bis zum Schild, 6:11 + 7 Sekunden. 6:18 sind in Ordnung fühlt sich gut an, könnte 6:20er Schnitt werden, wenn ich gut durchkomme. Mein Mann fragte, ob wir zu schnell seine. Ich entgegnete: „Es passt! Halten.“ Es fühlte sich rund um gut an und so genoss ich ein wenig den Blick über den Baldeneysee. Ich äußerte ein „sehr schön hier“, mein Mann bestätigte, dass es auch ihm gefällt. Da war eigentlich entschieden, wir sehen den See sicher wieder. Wir näherten uns der 2KM Marke und die Uhren piepsten wieder vor der Markierung. Der Abstand hatte sich vergrößert. Uns war klar, auf die Uhren wird kein Verlass sein, da die Pace passte war es jedoch OK. Weiter den Beinen vertrauen und sich nicht von den Uhren irritieren lassen, so wie wir es abgemacht hatten. Es kommt heute auf das gleichmäßig Laufen und gut durchkommen an und nicht auf die Pace.
Noch vor dem dritten Kilometer kassierten wir eine Läuferin ein und folgten der Kurve zum Haus Scheppen. Den Biker Treff hatte ich mir als fast Mittelpunkt der Pendelstrecke gemerkt und hatte nun den ersten Bezugspunkt. Rundenläufe sind mir lieber als eine große Runde, macht das Kräfte einteilen einfacher. Pendelstrecken haben auch noch ihren besonderen Reiz, da man aneinander vorbei läuft. Das gefällt mir sehr. Meine linke Wade trübte jedoch die Freude, ich spürte ein leichtes Ziehen und sorgte mich, ob sie denn auch hält. Es war nichts schlimmes, nur unangenehm da, wenns nicht schlimmer wird gut, aber was wenn doch? Ich behielt den Gedanken für mich und lief weiter, noch stört sie nicht und noch lief es sehr rund. Mein Mann verließ mich kurz um sich zu erleichtern und ich robbte mich langsam an die nächste Läuferin heran und überholte sie. Die Spitze des Feldes lief an mir vorbei. Das mein Mann wieder an meiner Seite war merkte ich erst als ich ihn die Pace der Führenden hoch und runter rechnen hörte. Von da an hatte ich Unterhaltung im Sinne von Livekommentar des Geschehens.
Die Verpflegungsstation war nur einseitig aufgebaut, wir liefen an ihr vorbei zur Wende, die noch ein paar Hundert Meter entfernt war und wieder zurück zur Station, dort ließ ich mir ein Becher Wasser geben. Das Wasser war leider warm, sie hatte wohl mit deutlich kühleren Temperaturen gerechnet. War aber nicht schlimm, ich trank nur 2-3 Schlückchen und warf den Becher wieder weg. Das es Pappbecher waren erfreute mich sehr, die kann man so schön knicken und lassen sich besser halten. Nach dem Trinken kam ich flott wieder in meinen Laufrhythmus rein und ließ es weiter rollen. Auf dem Rückweg hatten wir etwas Gegenwind, die leichte Brise bremste nicht, fühlte sich jedoch kühler an. Die Oberschenkeln und das Gesäß machten sich langsam bemerkbar. Toll, sie arbeiteten tatsächlich mit. Trotz der Ermüdung lief die Rückrunde etwas leichter. Wir sammelten einen Läufer nach dem anderen ein. Es lief wie am Schnürchen, die Wade hatte sich auch wieder beruhigt und gab keinen Mucks mehr von sich. Wie rannten an den Bikern vorbei wieder zum Wendepunkt an der Start-/Zielline. Auch dort ging es erst an der Verpflegungsstation vorbei und auf dem Rückweg gab es wieder das Becherchen Warmwasser. Ein paar Schlückchen und weiter, es lief immer noch sehr, sehr Runde. Es fühlte sich auch sehr gut an, kein Vergleich zum HM in Wesseling, jedoch waren die Bedingungen auch deutlich besser. Keine fast 30°C macht einiges aus!
Wir kamen gerade wieder beim Biker Treff an, müsste so bei 13,5km gewesen sein, auf einmal fühlten sich die Beine wie Pudding an. Die Knie ganz weich und das Gefühl gleich einzuknicken. Ich rief „Meine Beine! Meine Beine!“ zu meinem Mann, er wusste natürlich so gar nicht was ich damit meine. Ich kannte das Gefühl, es war nicht das erste Mal. Auch in Wesseling gab es diesen Moment und von da an Panik und sich ins Ziel prügeln. Auch beim Obstmeilenlauf gab es diesen Moment, dort war es nicht tragisch, da Genusslauf und somit eine nur wahrnehmende und akzeptierende Auseinandersetzung mit dem Gefühl, auch das war wichtig. Ich schaute auf die Uhr, schon fast 1,5 Stunden unterwegs. Meine Ahnung scheint zu passen. Innerlich redete mir eine sanfte Stimme zu „Es ist nicht schlimmes. Deine Beine sind nicht Pudding. Sie können sehr gut weiterlaufen. Du musst nur dein Rhythmus halten. Es sind nur die Glykogenspeicher leer. Sonst nichts. Lauf einfach weiter und weiter und weiter. Dort oben ist die Verpflegungsstation, sie kommt bald. Dort gibt es auch süßen Tee. Du musst nur weiter laufen. Du wirst zwar ein wenig langsamer, aber sorge dich nicht, lauf einfach weiter...“ Unaufhörlich sprach sie mir gut zu bis die Verpflegungsstation zu sehen war. Nun dachte ich „klebrigen Tee willst du doch gar nicht. Für ein, zwei Schlückchen Wasser aus dem Rhythmus kommen ist auch Unsinn, du findest danach nie wieder zurück.“ Noch vor der Wende rief ich zu meinem Mann „diesmal kein trinken“. Wir ließen beide die Station aus.
Ein letztes mal zurück zum Ziel. Die letzten Kilometer sollten hart werden, das war klar. Trockener Mund, Pudding in den Beinen, müde Muskeln und doch kassierten wir weiter andere Läufer ein. Wir wurden zwar etwas langsamer, aber so ganz abgesackt ist die Pace nie wirklich. Jedes mal wenn wir etwas arg langsamer wurden, verschränkte ich die Arme hinter dem Kopf und richtete so den Oberkörper wieder auf. Die Beine hatten nur das Kommando „Rhythmus halten“ Die verlorene Zeit versuchte ich durch Verbesserung der Körperhaltung wieder zu stabilisieren. Klappte erstaunlich gut, sieht man auch in der Aufzeichnung der Uhr langsame Kilometer, gefolgt von schnelleren, jedoch kein dauerhafter Einbruch der Pace nach unten.
Zwei bis Drei Kilometer vor Ziel nährten wir uns einem jüngeren Läufer, mein Mann überholte ihn und er hängte sich an meinen Mann an. Das Tempo wurde mir nun unangenehm, ich hatte den Eindruck als hätte mein Mann angezogen um den anderen los zu werden. Das wollte ich nicht mit machen, so kurz vor Ziel muss ich mich von so was nicht aus dem Lauf bringen lassen und rief „lass ihn ziehen“ und ließ mich leicht zurückfallen, so auch mein Mann. Er war zwar verwundert, da er nicht den Eindruck hatte schneller geworden zu sein, aber es war mir so angenehmer. Der andere lief ein Moment paar Meter vor uns, konnte aber nicht mehr, so dass wir ganz locker in meinem Tempo an ihm vorbei ziehen konnten. Auf dem letzten Kilometer holten wir zu einem älteren Läufer auf. Er freute sich sehr uns zu sehen und lief eine kurzen Moment mit uns, ließ uns jedoch mit dem Kommentar „ihr werdet immer schneller“ auf den letzten 500m ziehen. Ein Schlussspurt war es nicht wirklich, dafür hatte ich keine Reserven mehr, für ein paar Sekündchen hat es jedoch gereicht. Die Uhr drückte ich bei 2:13:54 ab, offiziell waren es 2:13:49!
Mit kurz Auslaufen, was Trinken, Örtlichkeiten aufsuchen, mit anderen Läufern quatschen verplemperten wir ein wenig Zeit und waren Pünktlich zur Siegerehrung in der Halle. Schön war es! Die Duschen waren auch klasse: warmes Wasser ist toll, auch wenn es nicht ganz so kalt draußen war.
Die offiziellen Splits sind:
Split
|
Zeit
|
Diff
|
min/km
|
km/h
|
1. Wende |
00:33:17 |
33:17
|
06:19
|
9.51
|
2. Wende |
01:06:22 |
33:05
|
06:17
|
9.57
|
3. Wende |
01:40:01 |
33:40
|
06:23
|
9.40
|
Ziel
|
02:13:49
|
33:49
|
06:25
|
9.36
|
Macht abgerundet eine Pace von 6:20. Super Bestätigung der Eingebung auf dem ersten Kilometer. So muss es sein! War eben doch ein perfekter Lauf. HF lag im Schnitt bei 91%. Runalyze Prognose sagte eine 2:14:06 voraus. Ich denke, ich habe das Maximum bei dem Lauf herausgeholt und nichts liegen lassen.
Wir hatten uns kurzfristig dazu entschieden in Düsseldorf zu nächtigen. Sind daher nach dem Lauf noch nach Essen rein gefahren und später weiter nach Düsseldorf. Einquartiert hatten wir uns in einer der Hotels am Seestern. Sonntag früh hätte ich gern ein Regenerationsläufchen gemacht, jedoch konnte ich nachts nicht gut schlafen. Lag nicht am Zimmer, das war sehr gut. Meine Beine pochten die ganze Nacht, der Kreislauf wollte auch nicht zur Ruhe kommen. Nach um 4Uhr bin ich dann doch eingeschlafen. Am Sonntag morgen ging es ohne Läufchen zum Frühstück. Dafür gab es nach dem Auschecken einen ausgiebigen Spaziergang vom Seestern zur Erholungsstätte Lörick, am Rhein entlang bis zur Rheinkniebrücke, über die Brücke bis zum Riesenrad und weiter zum Bahnhof. Bei unserer Verabredung in Köln waren wir hungrig, wie passend zu einem späten Mittagessen!
Der Körper fühlt sich nach wie vor erschöpft, aber gut an. Diesmal ist die Erschöpfung gleichmäßiger verteilt. Zwischen den Schulterblättern kein Muskelkater. Alles Wunderbar!
Diese Woche ist Regeneration angesagt, die nächsten zwei werden auch ruhiger. Die Woche vor Weihnachten werde ich in einen 12 Wochen 10K-Plan einsteigen, der am 12.03.2017 in Erftstadt stattfindet. Danach geht es mit kurzem Aufbau weiter zu einem HM am 14.05. in Hürth. Beide Läufe sind zwar offiziell Vermessen, jedoch mit Waldboden ungeeignet für PB jagt. Da ich noch in der Entwicklung bin, ist das jedoch irrelevant. Anfang Februar würde ich gern einem 15er in Bonn mitnehmen, wird jedoch terminlich schwer. Am 23. April ist bei uns der Stadtmauerlauf, unvermessener 10er, würde ich mitnehmen falls wir nicht doch zum Marathon in Hamburg fahren. Soweit die Planung für die nächsten Monate.