Time Trial 6,4k steht auf dem Programm und ich ahne, dass ich heute freiwillig keinen Meter länger so schnell laufen werde. Es sollen sogar 150 m weniger werden, aber der Reihe nach ...
Ich hatte ja noch heute Mittag, als ich den Bericht vom gestrigen Erholungslauf aufschrieb, Zweifel, ob ich den Time Trial heute überhaupt durchziehen sollte. Gut, mein Knie war nicht der Rede wert, da ist wirklich nur oberflächlich die Haut weg, aber unterhalb des Pos zwackte es doch noch etwas. Andererseits war heute das Wetter geradezu ideal für dieses Vorhaben, nämlich gefühlt absolut windstill. Das habe ich selten und diese Gelegenheit wollte ich mir nicht entgehen lassen. Das heutige Einlaufen soll entscheiden.
Ich starte spät, erst nach 17:00, die Sonne steht schon sehr tief und wird nachher, wenn's zur Sache geht, schon hinter den Hügeln zwischen Jagst und Kocher verschwunden sein. Ich hoppele langsam los - nicht ideal, aber auch nicht so schlecht. Erster Kilometer in 6:22/km, o.k. fürs Einlaufen, wenn es/man warm ist. Auf KM 2 streue ich dann als Muntermacher drei Steigerungen ein. Die erste ist für die Tonne, komme überhaupt nicht in Schwung. Die nächsten beiden laufen aber deutlich besser, so als würde sich was lösen. Der Maulwurfsanstieg geht gut, hinunter erst recht und schon heißt es sammeln für den Abflug.
Ich starte meine Uhr neu, weil nach 2,5 km Einlaufen die weiteren Autolaps von 1 km Länge immer genau falsch piepsen würden. Genau jetzt schlendern zwei Frauen mit diversen Hunden vorbei, vom Westentaschenformat bis zum Rottweiler. Letzterer lässt sich ganz viel Zeit und schnuffelt genau da rum, wo ich starten will. Ich störe die beiden Damen ungern in ihrem Plausch, aber ich muss es tun und frage, ob der Hund mich jagen wird, wenn ich gleich wie von der Tarantel gestochen losrennen werde. Sie verneinen das, er sei schon immer zum Jagen viel zu faul gewesen. Beruhigt renne ich los und drücke den Startknopf. Und richtig, das Schnuffelmonster hebt nicht mal den Kopf ...
Zieltempo zum Anlaufen soll knapp unter 5:40 sein. Zum einen ist ein Time Trial ja nochmal was anderes als ein Schwellenlauf und bei den letzten Schwellenläufen hatte ich das Gefühl, mich etwas unter Wert geschlagen gegeben zu haben. Der erste Blick auf die Uhr zeigt erschreckende 6:16 - huch ? Ich gebe unwillkürlich Gas, welches ich aber sofort wieder rausnehmen muss, als der nächste Blick dann auf 4:13/km momentan fällt. Das kann ja heiter werden, aber nach 200m hat sich alles schnell normalisiert. Fast, denn statt der geplanten knap 5:40 beende ich den ersten Kilometer in 5:27. Sollte heute etwa ein Knopf aufgehen ? Es fühlt sich wirklich alles sehr gut an und beim Time Trial kann man ja auch mal etwas mehr riskieren als bei einem kontrollierten TDL. Heißt ja nicht umsonst "Trial" ? KM2 in 5:28, das ist wirklich gut, besser als sonst. Dann wird es etwas zäh, KM 3 aber immer noch in 5:36. Ich werde unmerklich immer langsamer, KM 4 in 5:42. Aber das ist der erste Kilometer, wo ich konkret im leichten Minus bin. KM 5: 5:50. Huuuuh. Horst schlägt vor, es heute mal wieder bei 5k zu belassen, eine neue PTB würde es sowieso sein (ist es auch:
PTB für 5k in 27:58), aber ich entscheide, die 6,4 km durchzuziehen, egal wie langsam ich noch werde. Und der 6. KM, minimal wellig, wird tatsächlich noch langsamer, 5:53. Ich überhole zwei Mädels, vielleicht 12 oder 13 Jahre alt, die ihre Fahrräder schieben und mit Smartphones und Geplauder beschäftigt sind. Unmittelbar danach schalte ich die Anzeige meiner Uhr um auf "Distanz", damit ich bloß keinen Millimeter weiter als 6,4k laufe. Denn meine Atmung ist schon lange bei 1+1, der Mund ist knochentrocken. Ich bin bei km 6,2 und wähne alles in trockenen Tüchern.
Und dann aus heiterem Himmel dieses trockenes Würgegefühl und gleich nochmal. Ich bleibe abrupt stehen und habe sie zum ersten Mal im Leben leibhaftig erreicht - die Kotzgrenze. Nicht sehr ergiebig, beim dritten Würger aber definitiv. Die beiden Mädels sind dicht hinter mir und fragen entsetzt "Sind Sie o.k. ?" "Ja, ja, alles o.k." spiele ich herunter und habe, kaum dass ich stehe, auch tatsächlich überhaupt keinerlei Probleme mehr. "Ist auch wirklich alles gut bei Ihnen ? Sind Sie wohl zu schnell gelaufen ?" Goldig, die beiden, die sind echt besorgt um mich. Aber ich muss überzeugend genug gewesen sein, denn die beiden besteigen alsbald ihre Räder und radeln davon. Schön zu wissen, dass es heutzutage noch junge Menschen gibt, die sich kümmern, wenn jemand in der Öffentlichkeit in Probleme gerät.
Statt der geplanten 6,4k habe ich nur 6,25k geschafft, Schande über mich !

Die aber in 5:39/km. Ich analysiere noch kurz, was da passiert ist - heute Mittag haben wir, weil es etwas hektisch zugegangen war und meine Frau keine Lust zum Kochen hatte, in einer Kantine gegessen. Ein Caterer, der Firmen und Schulen mit Fertigfraß beliefert, bietet in einer nett aufgemachten Kantine diese Essen auch für jedermann an. Ab und zu kann man das durchaus mal essen, aber vor einem Tempolauf mache ich das garantiert nie wieder, auch wenn heute mehr als 6 Stunden dazwischen lagen und mir während des Laufs auch nichts im Magen lag.
Ich habe noch 3 km bis zum Auto (für insgesamt 12 km), will aber heute plangemäß 14 km machen. Also nochmal 1 km zurück und dann vor zum Auto. Das kleine Missgeschick ist längst abgehakt und vergessen. Ich will auf den letzten 5 km nochmal einen ordentlichen Dauerlauf abliefern, weil ich es für sinnvoll halte, die Rückkehr unter die Laktatschwelle nach einer klaren Überschreitung explizit zu trainieren. Und das gelingt mir mit im Schnitt 6:25/km sogar recht gut, der letzte KM geht sogar nochmal in 5:58 weg. Dann reicht es aber auch.
Heute war ich echt am Limit, das Pulsmaximum 165/180 = 91,6 % war ein recht flaches Plateau auf den KM 3 und 4, danach sank der Puls wieder minimal - es waren also eher die Muskeln, die nachließen. Am Wetter lag es jedenfalls nicht, trotz 17°C bei gerade mal 31° rF. Beim Ein- und Auslaufen im Schatten war mir - kurz/kurz gekleidet - eher etwas kühl und beim Tempolauf beschäftigte mich alles Mögliche, aber nicht irgendwelche Temperaturempfindungen (auch der Verdauungstrakt bis zum Schluss nicht). Ich denke mal, dass ich heute tatsächlich an oder in der Nähe meiner derzeitigen Leistungsgrenze gekratzt habe. Viel mehr hätte auch ein Wettkampf (zumindest einer wo ich ziemlich einsam vor dem Besenwagen flüchte), nicht rauskitzeln können. Wenn das aber so ist, liegt aber meine Laktatschwelle doch im bisher vermuteten Bereich. Konkret: 5,00 km in 27:58 bedeutet VDOT = 33,5. (Das ist besser als 6,25k in 37:05, was VDOT = 31,7 entspräche.) Daraus folgt ein Schwellentempo von 5:52/km, was im Bereich meiner letzten Spekulationen liegt. Also bin ich heute mit 5:27 wohl doch wieder ein bisschen schnell gestartet.