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von Tvaellen
Rennbericht Jungfrau Marathon 2017 (geschrieben für die Vereinszeitung, geringfügig gekürzt bzw anonymisiert)
Nach dem erfreulichen Erlebnis im Vorjahr, wo ich in knapp unter 5 Stunden bei strahlendem Sonnenschein all das erlebte, das Mike Gleiss in seiner Kolumne im Tagesspiegel so schön beschrieb:
“Der Jungfrau-Marathon ist einer der schönsten Läufe der Welt. Mehr Schweiz-Kitsch geht nicht, im positiven Sinn. Sie laufen quasi in einer Filmkulisse und von einer Gänsehaut zur nächsten. Der Lauf von Interlaken auf die kleine Scheidegg, im Schatten der Eiger-Nordwand, ist an Schönheit nicht zu überbieten. (...) Sie werden von dröhnenden Alphörnern getragen, wilde Schweizerinnen und Schweizer feuern sie mit „Heeeja, Heeeja“ [erg: ich habe eher “Hopp, Hopp” im Ohr, aber egal ;) ] an, und selbst in den Bergen harren die Einwohner aus. Mit einer Freundlichkeit, die so nur selten zu finden ist. Und all die positive Energie benötigen Sie auch dringend. Denn Sie legen 1800 Höhenmeter zurück. Die Steigungen sind so brutal, dass selbst Profis nur gehen können.”
sollte 2017 die Wiederholung erfolgen. Ich konnte meine gute Lauffreundin S überzeugen mitzukommen, ferner war aus meinem Bekanntenkreis noch Vereinskollegin M. und ihre Freundin B. am Start.
Noch eine Woche vorher sah beim Wetter alles gut aus, von Tag zu Tag verschlechterte sich aber die Wetterprognose, am Freitag, einen Tag vor dem Start, stand fest, es wird regnen und das nicht zu wenig. Am Vortag war es noch sonnig und warm, in der Nacht waren aber dicke Wolken gekommen und pünktlich 30 min vor dem Start begann es zu regnen, zunächst nicht übermäßig, nur ein feiner “Schnürlregen”, der wenig störte, der aber schimmer zu werden drohte.
Aufgrund meiner Zeit vom Vorjahr war ich im zweitschnellsten Startblock gelandet, pünktlich 8 Uhr 35 gab es den Startschuss durch einen bekannten Skiläufer und es zeigte sich früh, dass es vermutlich kein schlechter Tag für mich wird. Ohne sonderliche Mühe konnte ich die geplante Pace für die ersten 10 km erreichen von 4:50 bis 5:00 min/km und halten, gegen Ende der 10 km musste ich sogar aufpassen, dass ich nicht zu schnell werde. Danach kam der erste hügelige Teil, 5 km im trailigen Gelände. Auch dies klappt ohne große Probleme, die Steigungen gingen dahin, ohne dass ich ans Limit gehen musste. Daran schloss sich der zweite relativ flache Abschnitt an, nochmals 10 km lang, zunächst nach Lauterbrunnen, von dort in ein wunderschönes Bergtal mit steilen Felswänden und rauschenden Wasserfällen hinein und wieder zurück nach Lauterbrunnen. Etwa bei km 23 hatte ich plötzlich den 4:30 h Zugläufer mit seiner Ballonfahne in Sichtweite, so etwa 500 m vor mir, da wußte ich, ich liege gut in der Zeit. Es kam die Wengener Wand, von Lauterbrunnen hoch nach Wengen, mit über 300 Höhenmetern auf knapp 2 km ein Monster, bei dem keiner läuft, sondern alle gehen, selbst die Elite. Im Gegensatz zum Vorjahr veränderte sich dieses Mal meine Position im Feld kaum, es ging voran, aber ich lief mit leicht gezogener Handbremse, nur nicht überpacen bei diesem Steigungen. In Wengen war km 3o erreicht, bei flachen Marathons ist manchmal schon fast das Schlimmste geschafft ist, bei diesem Lauf geht es jetzt erst richtig los. Es folgen 7-8 km bergauf über geschotterte Bergwege zur Skistation Wengen-Wixi, flacher als die vorangegangene “Wand” und der Schlussanstieg, aber steiler als ich es aus dem Vorjahr in Erinnerung hatte. Dennoch kam ich ordentlich voran und konnte wieder Läufer überholen, etwa bei km 35 hatte ich plötzlich wieder den 4:30 h Zugläufer in Sichtweite, da wußte ich, mein Tempo ist sicher nicht zu langsam.
Ab der Skistation, kurz vor km 38, ging es dann nur noch ums “Überleben”, Pacevorgaben waren alle egal, der Regen war erheblich stärker geworden, es herrschte dicker Nebel und auch die Temperatur war nur noch im einstelligen Bereich. Die Beine waren müde, ich wurde häufiger überholt als ich selbst noch überholte, aber eine Skipiste bergauf zu laufen mit Schlamm, nassen Steinen und Gras ist eben Anschlag, da kann man nichts erzwingen. Im Vorjahr waren die 4000er Gipfel noch zum Greifen nahe, heute sah man kaum weiter als 100-200 m. Irgendwann war die Moräne am Fuß des Eigergletschers erreicht, ein knapp 1 km langer Geröllweg mit ähnlicher Steigung wie zuvor. Aber da war dann auch schon der Dudelsackspieler zu hören, der Jahr für Jahr am Endpunkt der Steigung auf rund 2.300 m für die Läufer schottische Volkslieder bläst, irgendwann war er auch zu sehen und dann waren die Höhenmeter geschafft. Vermutlich wäre es klüger gewesen, spätestens jetzt meine Regenjacke anzuziehen, die im Laufgürtel steckte, aber ich war so im “Tunnel”, dass ich weder Dauerregen noch Kälte registrierte. Zunächst ging es eine ca 500 m lange Traverse zu einem kleinen Gipfel, der überquert werden muss, dort hatten die Veranstalter viele Helfer positioniert, denn die Steine waren klatschnass und es war sehr rutschig, danach ging es noch ca 1.5 km hinunter ins Ziel zur Kleinen Scheidegg. Urplötzlich war das Ziel da, im Nebel kaum zu sehen und doch wunderschön. Meine Laufzeit lag mit 4:36 h deutlich über meiner Planung vor dem Lauf, ich erreichte Platz 98 von knapp 700 in meiner AK und mit Platz 672 von rund 3800 Männern eine Platzierung unter den ersten 20% der Männer gesamt.
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