Berlin Marathon 2019, der 5. Versuch.
Schon mehrfach erwähnt, war es für mich ein kleiner Traum einmal in Berlin unter 3h zu laufen. In den letzten 4 Jahren (3:09/3:01/3:03/3:06) war es entweder knapp, oder auf den letzten Kilometern richtig übel, von allem war etwas dabei. Die diversen Fehler der letzten Jahre sind mit mittlerweile bewusst und so bin ich dieses Jahr mal ganz anders herangegangen, auch wenn es eigentlich nicht so geplant war.
Im Juli / August stand ein 24h WK im Focus, entsprechend sah auch das Training aus, einige lange Läufe und viele Wochen Kilometer. Der 24h Lauf ging in die Hose und so gab es gleich ein neues Ziel, Berlin! 5 Wochen waren es noch bis dahin, Grundlage war mehr als vorhanden, nur Tempo fehlte noch komplett, also bin ich in den Steffny Plan eingestiegen. Die ersten Tempoeinheiten gingen daneben, es wurde aber von Tag zu Tag besser, letztendlich wurden viele Einheiten überzogen, was mir aber auch leicht viel.
Das Tapern habe ich dieses mal ernst genommen, fast genau nach Plan und auch an die 3 Tage Carboloading habe ich mich dieses mal strikt gehalten. Da ich absolut kein Nudel Fan bin, gab es zum Großteil Pizza, war eine schöne Zeit.

Auch bei der Abnehmerei habe ich es dieses mal nicht übertrieben, also keine 1-2 Wochen Crash Diät, sondern langsamer Gewichtsverlust über Monate, auch dieses hat gut hingehauen.
Wir hatten ein geniales Hotelzimmer mit Blick über halb Berlin, waren schön beim Italiener essen, und aufgrund der Wettervorhersagen war es das erste Mal, dass mir die Ziel Zeit egal war. So entspannt bin ich noch nie an einen WK herangetreten, alles kann, nix muss. Die Nacht zum Sonntag war eine reine Qual, ungewohnte Umgebung, hartes Bett, mir war heiß/kalt im ständigen Wechsel, Sturmgeräusche ... bin die Nacht gute 20-30 mal aufgewacht, an richtigen Schlaf war nicht zu denken. Munter war ich am Morgen trotzdem irgendwie, kurzes Frühstück und schon ging es Richtung Hauptbahnhof.
Das Treffen war wie immer gut und Isse meinte noch, auf meine Frage, besser kein Cap aufsetzen, es soll wohl erst 12 Uhr mit dem Regen beginnen. Im Startbereich habe ich mich gleich verabschiedet und bin Richtung C Block gegangen, was auch die absolut richtige Entscheidung war. Nach 20 Min Fußweg gleich an ein Dixie angestellt, konnte mich in aller Ruhe danach etwas aufwärmen und dadurch war es sehr entspannt dieses Mal.
Das Aufwärmen mit Florian Neuschwander hat Spaß gemacht, auch wenn er nur auf dem selben Parkweg unterwegs war.

Dann ab zum Startbereich (Block C), der komplett überfüllt war, konnte mich am Gitter gerade so noch reinquetschen. So viel war hier die letzten Jahre noch nie los!
Der Start erfolgte, auf dem ersten Kilometer gab es wieder die üblichen, sehr langsamen Block H Läufer, mit GoPro ... dieses Jahr hielt es sich aber glücklicherweise im Rahmen. Dem einen, "älteren" Jubilee Läufer nehme ich es nicht übel, im normalen Zeitrahmen wäre es für ihn wohl eventuell knapp geworden.
Der Uhr habe ich bereits nach Km 2 nur noch wenig Beachtung geschenkt, durch das Wetter konnte man GPS komplett vergessen, es gab nur noch Paceschwankungen und die Km Schilder entfernten sich jeden Km immer weiter von der Uhranzeige. Was mir allerdings schon auf den ersten beiden Kilometern sehr positiv aufgefallen war, der Puls war von Anfang an bei ~75%HFmax. und blieb konstant. Durch die vielen Läufer wird man auf dem ersten Km automatisch ausgebremst, was an sich ja schon mal nicht so schlecht ist. Der zweite Km ging mit 4:10 weg, damit war es zeitlich wieder ausgeglichen und der eigentliche M konnte beginnen.
Bei Km 2,6 ging es auf die Marchstraße, das erste und schlimmste Nadelöhr der gesamten Strecke. Die Stelle ist für das Hauptfeld zu eng und aus den letzten Jahren wusste ich schon, das das Hauptfeld dort zu langsam unterwegs ist, zwangsweise. Also ging es direkt auf den Fußweg, der sich zwar nicht schön zu laufen lies, aber man schön am Feld vorbeilaufen konnte, in seiner eigenen Geschwindigkeit. Dieses Jahr war ich auch nicht allein da, mehrere Läufer haben es so gehandhabt.
Nach der ersten Brücke wurde es dann um einiges besser, nur in den folgenden Kurven staute es sich noch ein wenig, an sich aber kein Thema. Km 4-5, es lief gut, der Puls nach wie vor konstant, auch wenn es sich von der Belastung her schwer anfühlte. Dieses Jahr hatte ich mir die Getränkestände (Km, links/rechts) mit dem Kulli auf den Arm geschrieben und auch den Großteil davon mitgenommen, also ausreichend getrunken. Die beste Anschaffung für Berlin ist bisher eindeutig das 3h Pace Band, wo man jedes 2. Kilometer Schild mit der Zeit abgleichen konnte, bei Km 10 hatte ich schon ein paar wenige Sekunden herausgelaufen, die GPS Pace war hier absolut nicht mehr zu gebrauchen. Andere hatten sich die Kilometer Zeiten auf den Arm geschrieben, geht auch.
Km 12 ... Mist ... normalerweise schnüre ich die Schuhe immer zu fest, das drückt dann aber oft auf dem Ballen und mir schlafen ab und an die Füße beim Lauf ein. Dieses mal also nicht ganz so fest geschnürt, beim rechten Fuß war es dann aber doch einen Ticken zu locker, der große Zeh schlug nun immer vorne am Schuh an ... grmpf, kein schönes Gefühl. Hatte nur gehofft, dass es keine Blase gibt, dafür halte ich aber ganz sicher nicht an!
Km 14, ein Highlight, mir fiel das Tempo mit einem Mal nicht mehr so schwer, Hoffnung kam auf, dass könnte was werden! Der Puls nach wie vor konstant, da ich nicht nach der Uhr laufen konnte, habe ich mich aufs Feld und mein Gefühl verlassen. Sobald es Anzeichen dafür gab, dass meine Vorläufer langsamer wurden, bin ich gleich vorbei. Ansonsten war es ab und an windig, für mich aber top Wetter.
Km 21 (1:29:10), die erste Hälfte ist geschafft, es fühlte sich nach wie vor gut an, keinerlei Vergleich zum Vorjahr. Die nächsten Km hat mir ein Läufer von hinten ordentlich an die Fußsohle getreten und 2 leichte Berührungen gab es, glücklicherweise nichts schlimmeres. Wenn ich die Richtung wechsle schaue ich kurz nach hinten, einige haben das scheinbar nicht nötig und ziehen einfach rüber ...
Die Km flogen so dahin, bei der super Stimmung an der Strecke auch kein Wunder, es gab immer was zu sehen / zu hören. Auch das Schilder lesen von den Zuschauern lenkt gut ab. Bei Km 26 hatte ich das erste und einzige Mal ein leichtes Hungergefühl, nach den drei vorherigen Carboloading Tagen musste das aber einfach reichen.
Normalerweise fängt es beim M an bei Km 28 schwerer zu werden, war bisher jedes Jahr so ... und dieses Jahr ... nix, null, niente! Es lief weiter wie bisher, der Puls nach wir vor konstant im grünen Bereich. Die zwei 3h Pacer waren auf einmal etwas weiter entfernt zu sehen, Gedankensprung: "Die kriegste!".

Irgendwann kamen dann auch wieder die "Gel Stände", dieses Jahr hat da allerdings nichts geklebt und nun ging es einen langen Weg wieder leicht runter.
Die zwei 3h Pacer habe ich dann bei Km 33 eingeholt, ein super Gefühl! Mir war nun klar, sollte es nicht noch einen kompletten Einbruch wie letztes Jahr geben, sind die 3h im Sack! Der Vorsprung, laut Pace Band, war nun um die 50+ Sekunden, dass muss einfach reichen! Umso befreiter lief es nun auch, nur ein Oberschenkel wurde leicht fest, da ich muskulär (Krämpfe etc.) aber noch nie ein Problem hatte, habe ich dieses einfach ignoriert.
Nun fing es auch an Spaß zu machen, ein Läufer nach dem anderen konnte überholt werden, dass gab gut Zusatzmotivation. Isse hatte ja für 12 Uhr Regen prognostiziert, 11:50 fing es mit leichtem Regen an, knapp daneben.

Kurz darauf wurde es dann aber richtig stürmisch und Platzregen setzte ein, war mir aber total egal, nur noch 4 Km bis zum Ziel und der Vorsprung lag mittlerweile um die 70 Sekunden. Damit waren die 2:59 in Reichweite, eine weitere, riesige Zusatzmotivation, damit hatte ich im Leben nicht gerechnet!
Es wurde schwieriger, der Puls war nun dauerhaft im orangenen Bereich und die Beine wollten nicht mehr. Es konnten aber weiterhin einige Läufer "eingesammelt" werden, dass sollte man als Motivation echt nicht unterschätzen. Das Brandenburger Tor war nun in Sicht, mittlerweile war ich komplett durch, was mir aber immer noch total egal war. Das hat mich in dem Moment an die eine Steffny Trainingseinheit erinnert, wo ich einen 5 Km Tempolauf gegen den Wind/Sturm gelaufen bin, bei Starkregen. Da war das hier Pillepalle dagegen und ich hatte ein Grinsen im Gesicht.
Durch das Brandenburger Tor durch, ein Blick auf die Uhr ... wow

, theoretisch sind sogar noch die sub 2:58:30 drin, ein letzter, toller Motivationsschub so kurz vorm Ziel. So also auf den letzten Metern noch mal alles reingelegt, was an Tempo (~3:59) möglich war.
Kurze Zeit später war es geschafft, bin zwar nicht der Typ dafür, einen kurzen Freudenschrei konnte ich mir dann aber doch nicht verkneifen.

Das ging anscheinend nicht nur mir so, ringsum zufriedene Gesichter und Jubelschreie!
Auf die Plastik Plane habe ich verzichtet, war eh komplett durch und bin so direkt zum Poncho, welcher nun wirklich mal eine kluge Idee ist, winddicht und mir war sofort warm. Die letzten Jahre hatte ich nach dem Lauf immer richtige Schmerzen in den Beinen und konnte kaum laufen. Dieses Jahr war gar nichts, nur die Beine taten etwas weh, das konnte nur durch das Ultratraining sein, eine sehr schöne Erfahrung.
Kurzum, ein geniales Wochenende, ein genialer Lauf und dieses mal hat einfach alles gepasst. Auch für kommende M Zeit Läufe konnte ich viel mitnehmen. Gedanken wie "Nie wieder Marathon!" oder "Warum tust du dir das eigentlich an?" gab es nicht ein einziges Mal, ein weiteres Highlight, was es so noch nie gab.
Daten:
2:58:25 (1:29:10/1:29:15), Ø77% HFmax. , 5 Km Splits (4:15/4:13/4:14/4:14/4:14/4:16/4:16/4:14/4:16/(4:07)). Keine Ahnung wie ich das mit den Splits hinbekommen habe, so fast ganz ohne Uhr.
