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von Catch-22
Blumensaatlauf 2019, Halbmarathon
Ich hatte mich in der Vorbereitung zum Frankfurt Marathon gegen den Blumensaatlauf Ende November entschieden. Auf der Fahrt nach Frankfurt redeten wir noch mal drüber, mein Mann fand es sehr schade, dass ich nicht Starten wollte. In den letzten Jahren sind wir dort immer gestartet, war für uns ein schöner Saisonabschluss also auch eine kleine Pause zwischen den stressigen Monaten November und Dezember. Er versuchte mich zu wenigstens einem Genußlauf zu überreden. Ich war der Ansicht, wenn Laufen, dann auch ernsthaft. Ich willigte also ein, wusste jedoch dass es eine schwierige Aufgabe werden würde. Eigentlich passte mir der Halbmarathon, ein Wettkampf nicht, da es sich mit der aktuellen Entwicklung beißt. Im Moment verändert sich bei mir das Laufen. Gefühlt wird mein Laufschritt besser, schnelle Tempi werden dadurch leichter laufbar. Jedoch braucht das alles noch seine Zeit. Aktuell habe ich es so gar nicht unter Kontrolle, wenn ich eine gewisse Pace erzwingen will, geht es ehr schief. Das Laufen ist daher im Moment ehr ein Würfeln. An manchen Tagen wow, super dynamisch, schnell laufen gerade zu mühelos. An anderen ist es das gewöhnliche Rollen lassen und dann gibt es Tage, da ist es zum in die Tonne kloppen und alles andere als fließend. Das machte die Zielsetzung für den HM nicht einfach und die Umsetzung unberechenbar. Als Ziel nahm ich mir eine Pace zwischen 5:15-:20/km vor. Mir war jedoch klar, dass es ein Sahnetag braucht um es auch so umzusetzen. Wagen wollte ich es trotzdem, all or nothing! Wenn ich schon starte, obwohl ich weiß, dass es eigentlich eine dumme Idee ist, dann auch volles Risiko.
Die Fahrt nach Essen war etwas holprig, wir kamen gerade so rechtzeitig an um Startnummern abzuholen und uns umzuziehen. Für das Warmlaufen war relativ wenig Zeit. Leider bekommt man so auch relativ wenig von der schönen Stimmung um den Lauf herum mit. Den 10er konnten wir somit auch nicht mehr ansehen, das haben wir sonst immer gemacht. War immer sehr interessant, da auch recht flotte Läufer in Essen immer am Start sind. Immerhin hatten wir es rechtzeitig geschafft. Ungezogen war ich schnell, in der Umkleide noch mit der ein paar Mädels gequatscht. Wichtige Frage war natürlich, was anziehen. Ich hatte mich für kurz/kurz entschieden, sehr viele andere für lang/lang, obwohl die Temperaturen für Ende November sehr mild waren. Läuferinnen vom 10er erzählten wie sie die Temperaturen empfanden und wie die Straßenverhältnisse sind. Draußen traf ich mich wieder mit meinem Mann, brachte seine Startnummer an, gaben unsere Taschen ab und gingen noch schnell etwas warmlaufen, besser als gar nichts.Wir stellten uns relativ weit hinten auf, da die Leistungsdichte beim Blumensaatlauf immer sehr groß ist. Mit meinen Zeiten lande ich immer im letzten drittel. Da ertönte dann auch schon der Startschuss. Mein Mann begleitete mich diesmal wieder. Ich kam vom Start weg sehr schlecht in den Lauf rein. Irgendwas passte nicht. Ich lief nicht richtig. Was es genau war, kann ich gar nicht sagen, ich konnte die Muskeln irgendwie nicht richtig ansprechen, evtl. zu wenig Spannung in den Muskeln. Beine habe sich sehr weich angefühlt, wie nach einer ausgiebigen Massage oder Yin Yoga Einheit, dabei hab ich seit Wochen kein Yoga mehr gemacht. Es war alles sehr unrund, ich konnte nicht wirklich beschleunigen und setzte zum allen übel wohl auch falsch auf. Relativ bald tat mir schon der Ballen weh. Ob es an den Schuhen lag? Ich hatte mich für die Adios 4 entschieden, sie funktionieren für mich jedoch nicht so gut wie die 3er, ein ganzer Marathon ohne Probleme ging trotzdem in ihnen. Hauptsächlich die Schnürung macht mir Probleme, irgendwie kommt beim Schnüren immer zu locker oder zu eng zustande, so gut wie nie das genau richtig dazwischen. Auch diesmal musste ich vor dem Start mehrfach nachschüren. Beim Start waren sie dann doch zu eng. Jetzt hieß es jedoch möglichst ignorieren und weiter laufen, das ist schwer, wenn die Schmerzen mit jedem Schritt ansteigen und auch alles andere nicht passt. Das auf Tempo kommen wollte weiterhin nicht klappen, egal was ich versuchte wirklich schneller konnte ich nicht, es war einfach alles sehr hölzern/plump/unkoordiniert, einfach falsch. Durch die Schmerzen im Ballen wurde es auch nicht besser, ich versuchte anders aufzusetzen, was auch nicht hinhaute. So langsam zog es an den Plantarfaszien und hoch die Achillessehnen, kein Schmerz aber ein heißer, brennender Zug. Wir kamen so langsam auf die erste Wende zu, ein Viertel fast geschafft. Noch ein sehr langer Weg vor mir. Die Pace für den ersten Abschnitt lag bei 5:24/km weit entfernt vom Ziel und doch auch das mit Hängen und Würgen, unmöglich die Pace weiter zu halten. Gleich nach der Wende kam die erste VP, ich schnappte mir einen Becher, das Wasser wollte jedoch nicht wirklich runter, der Magen krampfte, es kam sofort wieder hoch. Ich hielt an und versuchte in ruhe zu trinken, ging aber auch nicht wirklich gut. Nun ging es wieder zurück Richtung Start/Ziel. Der Abschnitt war höllisch. Bei jedem Schritt schmerzte es. Pace interessierte mich nicht die Bohne, ich wollte einfach nur wieder zurück zum Start... und dann? "Aussteigen?! Ja, aussteigen wäre eine Möglichkeit und sicher nicht das Unvernünftigste. Soll ich Aussteigen?" Im Kopf ratterte es. So weiter laufen erschien mir nicht mehr machbar. Der Rückweg zum Start/Ziel kam mir in den früheren Jahren in der letzten Runde nie so weit vor wie dieses Jahr in der ersten Runde. Irgendwann konnte man dann doch den Startbereich in der Ferne sehen. "Aussteigen! Ich werde dort aus dem Rennen gehen. Dann wird es halt ein DNF. Juckt doch eh kein Schwein. Nein, weiter quäle ich mich nicht! ...wobei... ich könnte die Schuhe ausziehen und dann Barfuß weiter laufen. Vielleicht wird es dann besser?" Nein, es wäre nicht besser geworden. Das es an den Schuhen lag, war nur Wunschdenken. Sie Strecke war über weiter teile übersät mit nassem, pampigen Laub, mit Schuhen rutschig, barfuß bestimmt sehr unangenehm. Was also tun? Weiterlaufen!? Aussteigen!? Start/Ziel kam immer näher, ich hatte mich immer noch nicht entschieden, Ich lief die Wende und lief weiter, steigte nicht aus. Aber wie sollte es so weiter gehen? ich sah mich nicht dazu im Stande wie gehabt weiter zu laufen. Ich beschloss alle Ambitionen aufzugeben und nur darauf zu schauen irgendwie die Strecke zu schaffen, nahm also etwas vom nicht vorhandenen Tempo raus. Sagte zu meinem Mann "Mir geht es beschissen. Mir tut alles weh" Tempo rausnehmen brachte jedoch auch nicht viel, jeder Schritt war trotzdem schmerzhaft. Irgendwie meinte mein Mann doch das Tempo hochhalten zu müssen, er wollte mich an einem älteren Herren vorbei ziehen, der das nicht so hinnehmen wollte und sich wehrte. Die zwei machten mich schier wahnsinnig. Für sowas hatte ich in dem Moment so wirklich keinen Nerv mehr. Wozu vorbei ziehen? Was bringt das, wenn es mir von Schritt zu Schritt elendiger geht. Ich nahm noch ein bisschen Tempo raus, damit der Herr vorbei ziehen konnte und die Situation entschärft ist. Später als wir drüber sprachen, fragte mein Mann warum ich ihn nicht zurück gepfiffen hätte, da ich es ja sonst auch immer machen würde. Warum? Weil es mir beschissen ging! Hätte ich in dem Moment etwas gesagt, wäre ich auch stehen geblieben und hätte geheult. Zum Glück hatte sich die Situation aufgelöst. Der Herr konnte sich zwar nicht absetzen, aber das Rausnehmen von mir brachte so viel Abstand rein, dass die Herren sich nicht mehr kloppten. Der Rest des Abschnittes war ich sehr aufgebracht und lief ziemlich angesäuert. Nach der Wende ging es dann wieder. Ich sagt zu meinem Mann, dass der Lauf gelaufen sei. Er dachte wohl, dass ich nun komplett raus nehmen wollt und fing zu quatschen an. Und er quatschte, und quatschte und ich redete mit ihm ein wenig. Irgendwann wurde es mir dann doch zu viel, schließlich wurden wir dabei immer langsamer und eigentlich wollte ich die PB trotzdem noch, so sagte ich zu ihm, dass wir später weiter reden könnten, jetzt jedoch noch mal anziehen müssten, wenn die PB noch kappen soll. Für die letzten 3km zogen wir also noch mal an, die gingen erstaunlich besser und waren schneller rum als die letzten 3km der ersten Runde. Im Ziel wurde es noch richtig knapp, meine Uhr stoppte bei 1:57:50, war das nur 3sek schneller oder langsamer als PB? Ich wusste einfach nicht mehr ob die PB bei :47 oder :53 lag. Die Uhr meines Mannes zeigte 1:57:47, dies war auch die offizielle Zeit. Könnte also exakt die selbe Zeit geworden sein. Am Smartphone schaute ich später wie die alte PB war, 6 Sekunden schneller hatte ich also diesmal geschafft. 6 Sekunden mit Höllen ritt, das war alles andere als einfach und auch nur deswegen eine PB, weil, die alte etwas Staub angesetzt hat.
Das war mein bisher grusligster Lauf. Vielleicht nicht ganz, der erster 10er mit Magenschmerzen war auch höllisch. Aber lange nicht mehr so unglaublich schlecht bei einem Wettkampf gelaufen. Eigentlich hat dieser HM kein PB verdient. Immerhin konnte ich mich durchbeißen, das ist so ziemlich das einzig positive an dem Lauf. Zu meinem Glück hatte ich mit einem möglichen schlechten Verlauf, wenn auch nicht so desaströs, gerechnet, weswegen mich das Ergebnis nicht runterzieht. Es war eben ein "alles oder nichts" Lauf. Ich kann es mit einem Schulter zucken hinnehmen. Sowohl nach dem Lauf als auch am nächsten Tag fühlte ich mich sehr gerädert. Es waren nicht die üblichen Ermüdungserscheinungen, diesmal tat es richtig weh an den Ballen, unter der Sohle an den Fersen brannte es. Rechtsaußen unter dem Knie, also noch Unterschenkel tat es weh, linksaußen über dem Knie am Oberschenkel auch. Eine Hüfte als auch der untere Rücken schmerzten. Manches hielt noch ein paar Tage an und braucht auch wohl noch ein paar weiter Tage. Insgesamt geht es mir jedoch wieder deutlich besser. Ich habe mich bei dem Lauf wohl sehr falsch belastet, da ich diese Beschwerden weder vom Training noch den anderen Wettkämpfen kenne.
Ein Lichtblick bei dem HM gab es jedoch auch: eine Bekannte hatte sich spontan Nachgemeldet. Auf der Pendelstrecke begegneten wir uns mehrfach. Das war mir jedes mal eine Freude und auch eine sehr willkommene Ablenkung.
Schlechten Wettkampf haben wir nun für mind. die nächsten drei Jahre abgehakt Jetzt kommen wieder drei gute Jahre :-D Mund abwischen weiter machen, es geht im Frühjahr zum Hannover Marathon!