Hier mein hochoffizielles Statement:
Vor dem Lauf
You've got to be crazy, you gotta have a real need
You gotta sleep on your toes when you're on the street
You've got to be able to pick out the easy meat with your eyes closed
Pink Floyd am Morgen kann einen schläfrigen Marcel doch in recht gute Laune versetzen. Gestern erst hatte ich nach unzähligen vorherigen Ebay-Kämpfen meinen Startplatz zum Einstiegspreis erstanden. Heute wollte ich einfach Spaß haben. Eine echte Vorbereitung hatte ich nicht gehabt, und die Füße waren in letzter Zeit auch nicht in Form gewesen. Dafür aber ich, und den fuß- und wettkampfbedingt reduzierten Umfang könnte man doch eine Art Tapering nennen. Oder nicht?
3:26:15, das war die Zeit in Köln in einem gleichmäßigen, fast perfekten Lauf. Ohne spezielles Marathontraining mit den vielen erforderlichen langen Läufen dürfte das diesmal wohl kaum zu erreichen sein. Dazu der 10er vor einer Woche, der muss ja auch Kraft gekostet haben. Die Sehnen der kleinen Zehen fühlen sich auch nicht so gut an... mach langsam! Langsam klingt vernünftig. Wäre da nicht der Umstand, dass ich mich doch beim 10er und im HM verbessert hatte. Dass ich quasi 2wöchiges Tapering mit 1x Wettkampf und 1x Fußball hatte. Dass meine aktuellen Schuhe doch eigentlich tausendviel schneller sind als die in Köln. Ja, dann wäre da noch das perfekte Wetter. Und nun? Ach, schauen wir mal!
Eigentlich bin ich mit Einschätzungen immer vorsichtig und trage diese Vorsicht nach außen. Daheim hatte ich mir aber Zeiten und den dazugehörigen Schnitt notiert. Hier war die vorsichtigste Schätzung 3.34:30 – Zeiten darüber interessierten mich wohl nicht. Die Liste ging bis 3:17 *schäm*.
Vor dem Start passierte nichts Weltbewegendes, außer dass ich lauter komische Leute gesehen habe. Einer z.B. mit Luftballons, eine mit Laufrock, einer sogar mit Taucherbrille!
Der Start
Das war schön: Mit dem Startschuß ging die Ampel auf Grün. Aber schon an der Startlinie staute es sich, so dass ich noch mal zurück wollte. Auch ein Fehler, weil da kamen schon die Leute vom grünen Punkt, also die Läufer vom nächst langsameren Startblock. Da musste ich erst einmal durch. Zum Trost habe ich aber Mika getroffen und mich davon überzeugen können, dass sie es nach dringlicher Sitzung noch zeitlich an den Start geschafft hatte. 5:15 der erste Kilometer.... das geht aber doch schneller! Los ging’s. In der Ferne waren die 3.30er-Ballons...da sollte ich doch versuchen, denen gegenüber einen kleinen Vorsprung zu erlaufen. Denn lieber ein Einbruch auf hohem Niveau, als auf niedrigem. Nach einiger Zeit – die waren viel zu schnell unterwegs – hatte ich das geschafft. Freie Bahn!
Forsch voran
4.40er-Zeiten lief ich. Meine Zeitberechnungen stellte ich wie in Köln an: Ich rechnete mir den Vorsprung gegenüber dem 5er-Schnitt minus eine Minute (=3:30) aus, in der Vorstellung, hier Zeit zu sammeln und später mit einem 5er-Schnitt zu verteidigen. In Köln hatte das ganz gut geklappt. Hier in Düsseldorf klappte es läuferisch ganz gut. Der Vorsprung wuchs und wuchs, die Kilometer flogen vorbei. Dann kam eine Gruppe in Sicht, bei der mir als erstes ein Trikot mit der Aufschrift „Dogrunner“ auffiel. Und eine andere Stimme lästerte wohl gerade über Hennes. Das waren meine! Hhmmm... was, wenn ich jetzt an denen vorbei gehe, und nachher mit fliegenden Fahnen untergehe und einbreche. Wie sieht das denn aus? Verstohlen und nahezu unsichtbar bewegte ich mich am linken Straßenrand an der Bande vorbei... und hörte „Guck mal, da vorne läuft der Cel!“ Mist!
Alle laufen 3:30 – wie ich!
Da ich nun einmal erwischt war, blieb ich dann doch für einen kleinen Plausch und fragte die Burschen, darunter Toto, Junsa und Roland nach ihrem Zeitvorhaben. „Wir laufen auf 3:30, sind aber momentan Richtung 3:18 unterwegs.“ Dass wir etwas schneller waren als 3:30 war mir schon klar. Aber weil ich ja gegenüber 3:30 einen Vorsprung laufen wollte, und hier die 3:30 auf mehreren paar Beinen unterwegs war, zog ich weiter munter nach vorn.
Bei Kilometer 13 lag ein platter Igel am Straßenrad. Das war bestimmt der Hadi, dachte ich. Etwas später hatte ich ein Gespräch mit einem anderen Läufer, der sonst auch gerne Ultras läuft. Keine Flachlandultras sondern Remscheid. Und der wollte auch 3:30 laufen. Und ein Ultraläufer läuft bekanntlich zielgenau und pünktlich wie...nein, nicht wie die Bahn. Auch Mr. Ultra wurde passiert.
Oh und Oh-oh
Es war Kilometer 19. Der fühlte sich nicht mehr so gut an, aber die Beine taten weiterhin ihren Dienst. Anders der rechte Fuß: Die Sehne des kleinen Zehs schmerzte, und nicht nur die. Ebenfalls die Spitze des mittleren Zehs und die rechte Seite am großen Zeh. Dabei hatte ich extra nicht meine Laufsocken angezogen, die meiner Meinung nach bei geschwollenen Füßen nicht mehr mitschwellen, sondern die Socken, die schon bei zwei Köln-Marathons gute Dienste geleistet hatten. Aber das Wort, was mir hier auf der Zunge liegt, werde ich in diesem Forum nicht benutzen. Stattdessen ein Bild:
http://www.bilder-hochladen.net/files/54td-7-jpg.html
Oh-oh, das kann ja noch was geben!
Als dann die Halbmarathonmarke passiert wurde, war ich bei 1:37:xx. „Oh!“ dachte ich, und bekam eine Ahnung davon, dass ich nun wirklich übertrieben hatte. Meine HM-Bestzeit ist bei 1:34:xx.
Freiwillige und automatische Drosselung
Mit dieser neuen Erkenntnis schaltete ich ein wenig zurück, etwa 10 Sekunden den Kilometer. Der Vorsprung gegenüber den 3:30 wuchs noch immer, nun aber deutlich langsamer als zuvor. Bis fast 11 Minuten habe ich es geschafft, das wäre eine 3:19 gewesen, wenn ich die letzten Kilometer tatsächlich die 5er-Pace gehalten hätte^^. Aber ich wurde nun auch ohne es zu wollen langsamer, und die Schmerzen im Fuß waren nicht mehr in der Lage, den Fokus von anderen Körperteilen abzulenken, die sich mit Beschwerden meldeten. Und dann hatte mich das Trio Infernale in Person von Roland, Junsa und Toto schon einkassiert. „Immernoch 3:30?“ fragte ich. Ich glaube, die drei sind aus Pietätsgründen
langsam an mir vorbeigelaufen. Roland verlor ein Fläschchen aus seinem Trinkgurt. „Ballast abwerfen gildet nicht!“, dachte ich mir, schnappte das Teil und lief in einer allerletzten Kraftanstrengung auf Roland auf, um ihm das vermisste Teil aufs Auge zu drücken. Dann entfernten die drei sich langsam, und als sie vielleicht dachten, ich gucke nicht mehr, gaben sie richtig Gas. Fies!
Die letzten Kilometer hätte ich keinen Igel mehr wahrgenommen und alle selbst totgetrampelt. Lediglich die Kilometerschilder bemerkte ich, ich nahm von vielen Bekannten Trikots Notiz, die ich alle mal überholt hatte. Und von Panther, der mich so lieb an vielen Orten angefeuert hatte und nun log, dass sich die Balken Bogen: „Du siehst gut aus!“ Schmerzlich stellte ich fest, dass die 5:00 für die Schlusskilometer auch ziemlich wackelte und schließlich fiel. An der letzten Verpflegungsstation, als ich gerade eine Gehpause von Iso- zu Colastand unternahm, fragte ein Aufpasser, ob alles okay mit mir sei. „Ja“ war meine Antwort – diesmal log ich. Zu diesem Zeitpunkt hatte mittlerweile ein zwischenzeitliches Wadenzwicken (rechts) angedeutet, dass die Gefahr eines Krampfes bestand. Ich versuchte bewusst so zu laufen, dass die Waden nicht verkrampfen würden. Ob das möglich ist, weiß ich nicht. Aber sie verkrampften nicht, der Krampf kam woanders. 900 Meter vor dem Ziel hatte ich einen Krampf am hinteren Oberschenkel (rechts) und war zeitweise außer Gefecht gesetzt. Das konnten sich viele Zuschauer nicht so recht erklären, wie man hier noch anhalten konnte. Aber mit einem Bein laufen geht halt nicht. Mit zwei linken wäre ich heute übrigens unter 3:15 geblieben *schwör*. Heilfroh war ich, als ich aus dem Fußmarsch heraus doch noch einmal langsam antraben konnte. Nicht minder freute mich, dass es zu den Schlussmetern etwas bergab ging und ich begünstigt durch Hangabtriebskraft sogar noch einmal ein gewisses Tempo annehmen konnte.
Ziel
Dann war es geschafft, 3:21:27. Unter 3:20 wäre zwar schöner gewesen, aber immerhin die Bestzeit um 4,8 Minuten verbessert. Wichtiger war mir aber der Gang zum Verpflegungsdorf.
Der war aber verdammt lange und wollte kein Ende nehmen. Was hab ich mich grün und blau geärgert, wieviele Leute mich noch bei diesem beschwerlichen Gang überholt haben, um vor mir beim Erdinger und den Berlinern anzulangen. Da hab ich dann ordentlich zugelangt. Daheim dachte ich schon, ich müsste schwerer zuhause angekommen sein, als ich es verlassen hatte. Insbesondere, wo ich in Köln doch nur 300g verloren hatte und im Verpflegungsdorf ach so bescheiden geblieben bin. Pustekuchen, heute waren trotz Wasserbauch und Ballengelage 2 Kilo runter. Noch vor dem Blasenaufstich. Mist, jetzt hab ich es doch gesagt!
Allen auch meinerseits Glückwünsche zu den sehr beeindruckenden Leistungen, danke an Panther für seine super Unterstützung und ein Lob an Jan: Düsseldorf kann sich wirklich mit Köln vergleichen und ist fast so gut wie Himmelgeist!