Die letzte Trainingswoche mit viel Greif-Tapering ist abgehakt, der Höhepunkt mit dem Marathon in Hamburg liegt jetzt sechs Stunden zurück und der Bericht dann gleich dabei.
Woche 8/8 – 17.4-23.4
Mo: 12km, 3*2km MRT-Gefühlslauf (4:15, 71%) mit 1500m Trabpause, 3km ein/aus
Di: 13km EDL 5:04 64%
Mi: 10km 3KM ein/aus 4*1000 MRT-Gefühlslauf (4:14, 68%) mit 1km Trabpause
Do: 9,2km RDL 5:15 64%
Fr: 3km EDL 5:10 62% mit 3 kurzen Steigerungen bis MRT
Sa: 2km EDL 5:01 60% mit 2 kurzen Steigerungen bis MRT
So: 500m Ein, 42,2km WK 4:15 (2:59:26) mit 81% AVG, Max Puls bei 177 im Zielsprint=99%)
Gesamt: 91,8 km
Gerade habe ich den 3,5 sstündigen NDR-Bericht vom Marathon verdaut, nett gemacht mit neuen Aspekten zu den Sehenswürdigkleiten, aber teilweise habe ich mich gefragt, ob es heute zwei Marathon-Wettkämpfe in Hamburg gab, so viel Gejaule zu den Bedingungen und wie schlimm das alles war, für meine Familie und mich schwer auszuhalten...
Ich hatte eine gute, aber keine optimale Vorbereitung, Defizite gegenüber den Greif-Vorgaben durch meine dreiwöchige kranksheits- und urlaubsbedingte Regeneration, einige Defizite beim Erfüllen der zweiten wöchentlichen Tempoeinheit, also sagen wir mal eine 80%-Vorbereitung.
Aber first things first, wie habe ich das ganze Spektakel erlebt. Nicht hauen, ist ein bisschen länger geworden, dem letzten Marathon angemessen, und Frau liest auch mit, also Mühe geben...
Alle Hamburg-Starter hier im Forum haben ja wie das Kaninchen auf die Schlange auf den Wetterbericht gestarrt, aber am Montag war eigentlich schon klar, dass es etwas windig wird, die Vorhersage hat dann nochmals zugelegt, Westwind mit 31km/h, in Böen 61km/h.
Bei der Streckenbesichtigung am Freitag mit ähnlichen Windbedingungen habe ich mir angeguckt, was der Wind mit mir in den Gegenwind-Passagen macht, bin da auch ein paar Schritte dort gelaufen, um mir ein Bild zu machen. Mein Fazit war, so auch im 3:20-Faden zu lesen, kann man machen, nicht so schlimm. Ok, als Hamburger hat einen das Wetter in den letzten zwei Wochen nicht verwöhnt, aber irgendwie die perfekte Einstimmung auf das DEvent.
Die Nacht auf Sonntag war aufregungsbedingt ziemlich kurz, mehr als vier Stunden Schlaf gabs nicht, Adrenalin schläft nicht und ich dann auch nicht. Aber die wichtige Nacht, so habe ich mir das zurechtgelegt, war die von Freitag auf Samstag, und da war mit 8h Schlaf alles optimal, mental im Kopf gut drauf würde ein deutscher Fussballer sagen.
Heute um sechs aufgestanden, kurzer Schock auf der Waage, stehen da doch glatt 80Kg, Wer aufgepasst hat, 1Kg weniger = eine Minute schneller und so. Wer den Faden hier verfolgt hat, weiss, dass ich aus dem Thema Gewicht immer ein Riesen-Bohey gemacht habe, Vor einer Woche nach dem langen 27er hatte ich 74,5Kg (Konfirmationsgewicht), und jetzt das, ein kleiner Schock, hat wohl mit den gut gefüllten KH-Speichern (und Ostern) zu tun...
Also, Start mit dem süßen ballastarmen Frühstück mit zwei weissen Toast (den ersten seit sechs Monaten) mit Honig/Marmelade, dazu Apfelsaft pur. Den am Vorabend bereiteten Reis mit Zimt habe ich glatt im Topf vergessen, der geht aber gleich weg.... Die Beine wieder schön mit Sport Lavit Baujahr 89 präpariert, unglaublich wie ergiebig diese Flasche doch ist, unglaublich auch der Geruch, wenn ichs nicht besser wüsste würde ich sagen ranzig...Egal, kommt ja ne lange Tight drüber, die genauso alt ist wie das Öl, wir haben uns verabschiedet, denn Sie muss heute dran glauben, und sie weiss es.
Am Start stand ich dann mit wie ich dachte entleerter Blase, der halbe Liter Mineralwasser hats hoffentlich nach draussen geschafft. Kleine Planänderung bzgl. der Kleiderordnung, weil es mit 3 Grad immer noch a-kalt war. Die Trainingsjacke (immerhin aus 2005) landete nicht im Kleiderbeutel, sondern mußte als Nothilfe dienen, damit ich nicht obenrum im Block komplett auskühle. Brav um 5 vor Start alles abgelegt, was nicht rennkompatibel war, es blieben kurze Tight, langärmliges leichtes Sleeve und Singlet mit Startnummer, dazu meine geliebten Kompressionssocken, die leider schon ein riesiges Loch in Höhe des Ballens haben, war aber zu geizig und sentimental, um sie vor dem Event zu entsorgen, die haben mich seit Oktober 2016 durch alle langen Läufe begleitet. M.E. ein toller Effekt, habe das Gefühl, die Beine krampfen nicht so schnell und warm wars auch, ein Hauptargument heute.
In den verbleibenden 5 Min bis zum Start hatte ich dann noch Zeit, meinen Beinen zu huldigen, die doch glatt der Meinung waren, im Bereich der hinteren Unterschenkel synchron krampfen zu müssen, warum zum Teufel haben ich eigentlich die tollen langen Socken an ??? Vermutlich eine Reaktion auf zuviel Elektrolyt und KH in den letzten Tagen, das hatte ich noch nie, aber Greif hatte das mal in einem Artikel beschrieben, oder ich habe es so zurechtgedeutet, egal.
Dunkle Wolken pünktlich zum Startschuss, wie schön, egal, Schuss und langsam los. Letzteres galt allerdings nur für mich. Ich, aus Block B startend (es gab noch 0 und A vor mir), kam mir vor wie mit einem VW T1 auf dem Nürburgring, deplaziert, langsam. Verdammt, laufen die alle unter 2:40 war noch einer meiner harmlosesten Gedanken. Hab mir aber auch keinen Stress gemacht, denn ich wollte ja dem 3h-Zugläufer auf den Fersen bleiben, nur der war im Block hinter mir und erstmal nicht zu sehen. Nach 12 sec über der Ziellinie, sehr angenehm, nicht immer groß oder das Netto/Brutto-Delta nachdenken zu müssen.
Ich schrieb ja im letzten Update, dass ich richtig Bock auf diesen Wettkampf hatte, und mußte auf dem ersten KM, langsam wird der Gegenwind von Hagel begleitet, viel an voxel denken, wie er aus den denkbar schlechtesten Rahmenbedingungen ein in jeder Beziehung – und ich meine ausdrücklich nicht nur die tolle Zeit – geiles Rennen gemacht hat. Dann, der Hagel wird stärker und verhindert den perfekten Durchblick, zumindest durch meine Brille, verschwende ich einen Gedanken an das Buch meines Trainers Peter Greif. Keine Werbung, da herrlich unstrukturiert, aber eben viel authentisches Material, und da ging mir wieder eine Sache durch den Kopf, die sich auch heute wieder bewahrheitet hat:
Die Bedingungen sind für alle gleich, und es kann nicht sein, dass ein Rennen nur dann auch für einen selbst etwas zählt, wenn bei perfekten Temperaturen und stetigem Rückenwind auf der flachen Strecke die PB einem auf dem silbernen Tablett serviert wird.
Ich trainiere doch nicht ein halbes Jahr mit +100WKM, um dann auf dem ersten KM das Rennen schon im Kopf wegzuschmeissen, das war meine Einstellung, als ich merkte, dass mein Schuh aus dem Schmier von Hagel keinen Grip mehr fand, und ab diesem Punkt, es war etwa KM3, stand für mich fest, dass ich zwar überlegt laufe, aber nicht abschenke, sofern mich nicht Krämpfe aus dem Rennen nehmen. Bis zur Wende am Halbmondsweg bei KM6 immer wieder ein Blick auf die Uhr, der Gegenwind, der unsere Mona ja so genervt hatte, kam aber nicht wirklich durch, Pulklaufen halt. Bei der Verpflegungsstelle versucht einer dieser Überambitionierten, von links schrägonal durchs Feld zur Verpflegungsstelle zu laufen und tritt mir auf den Fuss, arggggh. Das macht der nie wieder, glaube ich...
Die ersten 5km gehen mit 21:32 weg, für die Sub3 brauche ich eine 4:15 im Schnitt, war ok, bloß nicht zu schnell. Wo ist Behle oder besser, wo bleibt denn der 3h-Ballon, keine Ahnung, umdrehen wollte ich mich nicht. Die Elbchausse runter war sehr vergnüglich, bei km 10 angekommen mit 42:39 nur noch 9 sec hinter Plan. Übrigens eine Passage mit purem Rückenwind, um nochmal die schlechten Bedingungen aus dem NDR-Bericht zu erwähnen, aber das war ja sicher ein anderer Lauf.
Bei KM12 konnte ich wieder schön beobachten, was Gefälle und Rückenwind aus potentiellen Sub3-Läufern machen. Mit 4:09 auf dem Abschnitt war ich das Überholopfer schlechthin. Ich werfe einen gelassenen Blick auf meinen Pulser, der ist bei 65% und ich freue mich über die Körner, die ich hier spare, und stelle mir mental vor, wo ich Sie einsetzen werde. In Erinnerung gerufen haben ich einen Spruch, den ich hier jüngst gelesen habe, wonach Marathon bis KM35 ein lockerer Spaziergang sein sollte, bevor man sich in ein forderndes 7km-Rennen begibt, das Bild gefällt mir. Beim KM13 Höhe Baumwall dann die geballte Anfeuerung der Familie incl. Elektrolyt und Gel (ja, ich habs gemacht, sorry), dann die erwarteten leichten Seitenstiche (Sauerstoff in den Beinen, nicht im Magen zur Verdauung), die nach 2Min wieder weg waren.
Der 5er-Abschnitt bis zum Tunnel ging dann aber doch mit 20:59 weg, der Gefällestrecke geschuldet. Leider fanden die Unterschenkel das Bergab-Laufen nicht so toll, leise Zweifel bei KM 16, dann wieder weg, dafür ist der Ballon jetzt da, vom Läufer in der Hand gehalten, wegen des Windes. Bis KM 20 musste der arme Kerl (ein AK60 mit einer PB von 2:30, ufff), immer wieder den begleitenden Sabbeltassen versichern, dass er das Tempo bis Ziel durchhält, dabei sah der gar nicht malad aus. Und ich sach noch, unterschätzt mir die alten Säcke nicht. Ich darf vorwegnehmen, dass keiner der Sabbeltassen unter 3h ins Ziel gekommen ist, Körner an der falschen Stelle verpulvert, besser Klappe halten und laufen...
Beim HM war ich dann, mal vor und mal hinter dem Ballon, bei 1:29:36, also etwas schneller als Plan, aber absolut im Flow, hatte ich bei Marathon in dieser Form erst einmal. Ob der niedrigen HF mit 75% (ja, ich wollte mit Pulser laufen , weil Zahlenfreeak) war ich fast euphorisch, ob das denn alles wahr sein kann, aber in der Natur der Sache liegt auch, dass der Marathon nunmal nicht nach 21km vorbei ist, also abwarten und Elektrolyt tringen, gereicht von meinem Sohn bei KM 23, das ist Mental-Doping pur, wenn man wechselseitig in leuchtende Augen blickt, die Zuversicht signalisieren. Da Familie glaubt an mich und nimmt den gefühlt 10. Schauer mit, da kann man einfach nicht nachlassen, gibt ja auch keinen Grund, Beine/Herz/Kopf sind im Wohlfühl-Einklang und beenden den 5.Abschnitt mit 21:09, der Ballon gibt Gas, soll er doch.
Die Wellness-Stimmung wird unterbrochen durch eine Läuferin, die offenbar wie ich Sub3 laufen möchte, aber mich mit Ihrem Pferdeschwanz-Gewippe wahnsinnig macht. Das ist die Rache der Du-Darfst-Mädels, ich lasse Sie ziehen, um meines Friedens Willen...
Bei KM26-27,5 dann die vorher in Augenschein genommenen Gegenwind-Passagen, speziell in der City Nord fegt es ganz ordentlich und wieder schmierig glatt. Hört sich unwichtig an, aber was man auf der reeperbahn bei KM2 noch locker wegdrückt, geht jetzt auf die Muskulutatur und aufs Gemüt, gemeint ist der fehlende Kraftschluss zwischen Schuh und Strasse, ermüdet die Muskulatur im schlimmsten Fall bis zum Krampf. Aber es sind noch 15km, also keine Zeit für Krämpfe, nicht jetzt und nicht hier, in Höhe meiner früheren Arbeitsstätte... Kopf muß sich Brücken bauen, schön dass das gut funktioniert.
Der sechste 5er Abschnitt ging mit 21:22 weg, hatte ich langsamer erwartet, habe mir ewig nicht mehr meine Zwischenzeiten (manuell eingestoppt an jeder KM-Marke) angeguckt. Nachdem mir der Ballon des zweiten Zugläufers - der trägt den Ballon nicht an der Hand wie der andere, sondern hat eine lange Schnur dabei - gefühlte 10 Mal gegen den Kopf dängelt, vergrößere ich den Abstand hinter ihm etwas, und die Lücke wird sofort dankbar von anderen Läufern gefüllt, wobei die Dankbarkeit von kurzer Dauer ist. Nach zwei Kopfbällen wird wieder schrägonal vor mir gewechselt, ich hasse das, und auf seiner schrägen Irrfahrt reisst der Marathon-Rowdie noch nen Leidensgenossen mit, der Rest verliert sich im Geschrei und in Sturzgeräuschen, das war überflüssig.
Leider verliere ich etwas den Überblick und verpasse dieses tolle Gel, dass an der Strecke gereicht wird, Pech gehabt. Ich aktiviere meinen Notvorrat March-Mellos-Tabs (heißen bestimmt anders) mit Guarana und anderem Zeugs, die sich in der Laufhose langweilen, steckt man in den Mund, geht direkt ins Blut über die Mundschleimhaut und so, ein Messeschnapper. Eigentlich wollte ich ja nichts Neues probieren, aber die Dinger sagen dem Kopf, dass bzgl. Energiebereitstellung wieder alles
Supi ist, Kopfsache...
Kann das sein, dass es Dir bei KM 30 noch so gut geht ? Am Tempo liegts nicht, das ist auf dem Abschnitt 30-35 mit 21:17 auf dem gewünschten Niveau. Aber dann kommt ja noch der Aufstieg zum Klostersten, und da schüttelt es mich Bein-technisch einmal richtig durch. Da laufe ich so weit, bis die Beine endlich warm werden (bei 3Grad hilft das Öl dann wohl nicht), und dann finden die Beine es in Eppendorf so toll, dass Sie mehr Zeit fürs gucken haben wollen, oder war das nur der Kopf ? Offenbar nicht, denn der erschrockene Blick mein es Sohn bei KM37 spricht Bände, bildlich sah das nach ‚jetzt kackt der Alte ab’ aus, für eine wohlwollende Anfeuerung reicht es aber noch. Ihr merkt schon, ich nutze hier jeden Psycho-Trick aus, um mich unter die 3h zu schummeln, aber so funktioniert Marathon, zumindest bei diesem AK-Zählerstand. Da geht Dir echt einiges durch den Kopf, bloss nicht nachgeben, die zählen auf Dich, und Du zählst auf Dich, willst Dich doch nicht wegen ein paar verlkackter Sekunden über der 3h-Schwelle lebenslang ärgern usw usw., die Psyche ist doch ein Tier. Aber es hilft (mir).
Bei KM 40 habe ich mich wieder gefangen, und an der Zeit des 8.Abschnitts sieht man die Qual nicht, 21:21 war unerwartet, bzgl. Laufstil hätte ich auf 22:00 getippt. Der Rest ist eher unspektakulär, ein verächtlicher Blick Richtung Dammtor, wo ich vor 21 Jahren zum Wanderer mutierte, dann die letzte Steigung den Gorch-Fock-Wall hoch. Ok, die Gesichtszüge werden dann schon mal zur Fratze und der Pulser bewegt seinen Allerwertesten endlich mal über die 90%-Marke, aber für das pure Genussgefühl und einen lautes Yeaaahh beim Überqueren der Linie reicht es trotzdem noch. Das Feuer brennt solide mit 2:59:26 und macht mich glücklich. Peter bekommt vermutlich wieder eine Krise, wenn er die 81% AVG-Puls sieht, aber Spekulationen über was wäre wenn und Hagel mit 7 Grad statt 5 und kreisförmiger Rückenwind Wind mit 10 km/h statt 30km/h sind müßig, ich lebe im hier und jetzt, Rechnerei bringt nichts, einfach laufen. Und für Peter: die Beine hätten mich bei einer 4:10er Pace sicher verlassen, also das Optimum bezogen auf das Gesamtkonstrukt Körper ausgeschöpft...
Euch allen möchte ich für die Anfeuerung, die Tipps, die Neckereien und das Mitfiebern danken, war ein wirklich schöner Dialog hier.
Ist jetzt alles vorbei ?
Ja, Aus, Ende, werde wieder fett, 102kg sind zu schlagen, brauche drei Monate...
Neiiiiiin, jetzt geht es auf die kürzeren Strecken, auf 5 und 10 bis HM kann man auch Spass haben, mission Marathon accomplished.
BTW: hab grad erfahren, dass es zum Hamburger Meister des Betriebssports in der AK50 gereicht hat und ich bar jeder Ahnung meine Siegerehrung verpasst habe, nun ja, Duschen war auch schön....
stay tuned
